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Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.

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Rechte d. Völker in Ans d. einzelnen Hoheitsrechte.
sprochen hat b). Ist hingegen von gröberen Verbrechen,
durch welche die Sicherheit der Staaten unmittelbar in
Gefahr gesetzt wird, insonderheit von Staatsverbrechen die
Rede, so scheint die gegenseitige Wohlfarth der Staaten
zu erfordern, solche Verbrechen nicht ungestraft zu lassen;
auch weigert kein Staat gerade zu c) in diesen Fällen zu
untersuchen und zu bestrafen, wenn er gebührend d) darum
ersuchet worden.

a) S. jedoch ein Beyspiel in Merc. hist. et politique T. 142. 125.
b) So haben z. B. Dänemark und Sicilien in dem Handelsbünd-
nisse von 1748. art. 7. und Schweden und Stcilien in dem
Handelsbündnisse von 1742. art. 7. einander die gegenseitige Be-
strafung der Contrebandiers versprochen.
c) d'Avaux memoires T. V. p. 19.
d) Ueber den merkwürdigen neuerlich zwischen Schweden und Nea-
pel wegen der von jenem Hofe begehrten, von diesem aber ver-
weigerten Arretirung des schwedischen Gesandten am neapolita-
nischen Hofe B. v. Armfeldt entstandenen Streit, findet man die
Hauptschriften in Hist. pol. Magazm B. XV S. 645. B. XVI.
S. 160. 203. 264. 384. Nouvelles extraordinaires 1794. 23 s. 27 s. &c.
§. 102.
Handlungen der Criminal-Gewalt in einem fremden Gebiete.

Da jeder Staat die Criminal-Gewalt ausschließlich
innerhalb der Grenzen seines Gebiets hat, so kann kein
Theil derselben auf einem fremden Gebiet ohne Verletzung
der Territorialrechte des letzteren mit Recht ausgeübt wer-
den. Weder die Arrestirung und Aufhebung eines flüch-
tigen Verbrechers, noch selbst die gewaffnete Nacheile, noch
die bewaffnete Durchführung eines Inculpaten kann daher
in einem fremden Gebiet statt finden, wenn nicht die be-
sondere Erlaubniß des Staats, oder ein Vertrag, oder eine
Staatsdienstbarkeit dazu berechtiget. Und diese Grundsätze
werden auch nicht nur von den Europäischen Mächten, son-
dern auch von den teutschen Staaten gegen sie und unter
einander so anerkannt, daß die Uebertretung derselben a)
als eine grobe Verletzung des Völkerrechts betrachtet, und

wo

Rechte d. Voͤlker in Anſ d. einzelnen Hoheitsrechte.
ſprochen hat b). Iſt hingegen von groͤberen Verbrechen,
durch welche die Sicherheit der Staaten unmittelbar in
Gefahr geſetzt wird, inſonderheit von Staatsverbrechen die
Rede, ſo ſcheint die gegenſeitige Wohlfarth der Staaten
zu erfordern, ſolche Verbrechen nicht ungeſtraft zu laſſen;
auch weigert kein Staat gerade zu c) in dieſen Faͤllen zu
unterſuchen und zu beſtrafen, wenn er gebuͤhrend d) darum
erſuchet worden.

a) S. jedoch ein Beyſpiel in Merc. hiſt. et politique T. 142. 125.
b) So haben z. B. Daͤnemark und Sicilien in dem Handelsbuͤnd-
niſſe von 1748. art. 7. und Schweden und Stcilien in dem
Handelsbuͤndniſſe von 1742. art. 7. einander die gegenſeitige Be-
ſtrafung der Contrebandiers verſprochen.
c) d’Avaux memoires T. V. p. 19.
d) Ueber den merkwuͤrdigen neuerlich zwiſchen Schweden und Nea-
pel wegen der von jenem Hofe begehrten, von dieſem aber ver-
weigerten Arretirung des ſchwediſchen Geſandten am neapolita-
niſchen Hofe B. v. Armfeldt entſtandenen Streit, findet man die
Hauptſchriften in Hiſt. pol. Magazm B. XV S. 645. B. XVI.
S. 160. 203. 264. 384. Nouvelles extraordinaires 1794. 23 ſ. 27 ſ. &c.
§. 102.
Handlungen der Criminal-Gewalt in einem fremden Gebiete.

Da jeder Staat die Criminal-Gewalt ausſchließlich
innerhalb der Grenzen ſeines Gebiets hat, ſo kann kein
Theil derſelben auf einem fremden Gebiet ohne Verletzung
der Territorialrechte des letzteren mit Recht ausgeuͤbt wer-
den. Weder die Arreſtirung und Aufhebung eines fluͤch-
tigen Verbrechers, noch ſelbſt die gewaffnete Nacheile, noch
die bewaffnete Durchfuͤhrung eines Inculpaten kann daher
in einem fremden Gebiet ſtatt finden, wenn nicht die be-
ſondere Erlaubniß des Staats, oder ein Vertrag, oder eine
Staatsdienſtbarkeit dazu berechtiget. Und dieſe Grundſaͤtze
werden auch nicht nur von den Europaͤiſchen Maͤchten, ſon-
dern auch von den teutſchen Staaten gegen ſie und unter
einander ſo anerkannt, daß die Uebertretung derſelben a)
als eine grobe Verletzung des Voͤlkerrechts betrachtet, und

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[125/0153] Rechte d. Voͤlker in Anſ d. einzelnen Hoheitsrechte. ſprochen hat b). Iſt hingegen von groͤberen Verbrechen, durch welche die Sicherheit der Staaten unmittelbar in Gefahr geſetzt wird, inſonderheit von Staatsverbrechen die Rede, ſo ſcheint die gegenſeitige Wohlfarth der Staaten zu erfordern, ſolche Verbrechen nicht ungeſtraft zu laſſen; auch weigert kein Staat gerade zu c) in dieſen Faͤllen zu unterſuchen und zu beſtrafen, wenn er gebuͤhrend d) darum erſuchet worden. a⁾ S. jedoch ein Beyſpiel in Merc. hiſt. et politique T. 142. 125. b⁾ So haben z. B. Daͤnemark und Sicilien in dem Handelsbuͤnd- niſſe von 1748. art. 7. und Schweden und Stcilien in dem Handelsbuͤndniſſe von 1742. art. 7. einander die gegenſeitige Be- ſtrafung der Contrebandiers verſprochen. c⁾ d’Avaux memoires T. V. p. 19. d⁾ Ueber den merkwuͤrdigen neuerlich zwiſchen Schweden und Nea- pel wegen der von jenem Hofe begehrten, von dieſem aber ver- weigerten Arretirung des ſchwediſchen Geſandten am neapolita- niſchen Hofe B. v. Armfeldt entſtandenen Streit, findet man die Hauptſchriften in Hiſt. pol. Magazm B. XV S. 645. B. XVI. S. 160. 203. 264. 384. Nouvelles extraordinaires 1794. 23 ſ. 27 ſ. &c. §. 102. Handlungen der Criminal-Gewalt in einem fremden Gebiete. Da jeder Staat die Criminal-Gewalt ausſchließlich innerhalb der Grenzen ſeines Gebiets hat, ſo kann kein Theil derſelben auf einem fremden Gebiet ohne Verletzung der Territorialrechte des letzteren mit Recht ausgeuͤbt wer- den. Weder die Arreſtirung und Aufhebung eines fluͤch- tigen Verbrechers, noch ſelbſt die gewaffnete Nacheile, noch die bewaffnete Durchfuͤhrung eines Inculpaten kann daher in einem fremden Gebiet ſtatt finden, wenn nicht die be- ſondere Erlaubniß des Staats, oder ein Vertrag, oder eine Staatsdienſtbarkeit dazu berechtiget. Und dieſe Grundſaͤtze werden auch nicht nur von den Europaͤiſchen Maͤchten, ſon- dern auch von den teutſchen Staaten gegen ſie und unter einander ſo anerkannt, daß die Uebertretung derſelben a) als eine grobe Verletzung des Voͤlkerrechts betrachtet, und wo

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Zitationshilfe: Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/153>, abgerufen am 21.11.2024.