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Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.

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Rechte d. Völker in Ans. d einzelnen Hoheitsrechte.
Heimfalls- oder Fremdlingsrecht droit d'Aubaine a)
her, Kraft dessen die Verlassenschaft eines im Lande ver-
storbenen Fremden, dessen auswärtigen Erben nicht ausgeant-
wortet, sondern, wenn er keine erbfähige Nachkommen im
Lande hinterlassen, dem Staat, oder der Obrigkeit des Orts
wo der Sterbfall erfolgete b), beygelegt wird. Dieses,
wenigstens höchst unbillige, Recht wurde ehemahls in Frank-
reich allgemein, selbst in Ansehung fremder dort verstorbe-
nen Fürsten c) ausgeübt, und von den übrigen Staaten,
insonderheit auch von Teutschland, obwohl mehrentheils nur
als Vergeltungsrecht gegen Frankreicht eingeführet. Nach-
dem Frankreich nicht nur in vielen Verträgen mit Aus-
wärtigen dieses Recht gegenseitig aufgehoben d), sondern
auch die National-Versammlung durch ihren Schluß vom
6ten August 1790 die gänzliche Abschaffung dieses Rechts
beschlossen e), und auch andere Staaten f) es theils durch
Verträge abgeschaft, theils nur Vergeltungsweise es üben zu
wollen sich erkläret, bleiben nur noch wenig Spuren dieses
Rechts in dem Verhältnisse einiger Staaten, besonders gegen
Böhmen übrig.

Wo dieses Recht noch besteht, da kann in einem vor-
kommenden Falle von selbigem zwar wohl zum Nachtheil
des Fiscus, aber nicht zum Schaden der entfernteren Erben
dispensirt werden g).

a) Ueber den Ursprung des Worts Aubaine s. du Cange etymol.
vocab. Ling. Gall.
und Menage dict. etymologique unter dem Worte
Aubain. Ueber den Ursprung des Rechts selbst sehe man Mon-
tesquieu
esprit des Loix. Liv. XXI. c. 17. Bonhöfer de iure de-
tractus
Cap. II. S. I. §. 4. Schubak de Saxonum transportatione sub
Carolo M.
c.
4. §. 5.
b) In Frankreich hatte der König dieß Recht, das ehemahls auch
der Adel auf seinen Gütern geübt hatte, an sich gezogen s. Bac-
quet
du dreit d'Aubaine
in seinen Oenvres T. I. p IV. cap. 27.
In Teutschland haben auch die unteren Obrigkeiten es nicht sel-
ten ausgeübt.
c) du Puy traite touchant les droits du Roi T. I. p. 975.
d) Das Verzeichniß der Verträge, offenen Briefe u. s. f. wodurch
Frankreich dieses Recht theils in Hinsicht anderer Mächte theils
H

Rechte d. Voͤlker in Anſ. d einzelnen Hoheitsrechte.
Heimfalls- oder Fremdlingsrecht droit d’Aubaine a)
her, Kraft deſſen die Verlaſſenſchaft eines im Lande ver-
ſtorbenen Fremden, deſſen auswaͤrtigen Erben nicht ausgeant-
wortet, ſondern, wenn er keine erbfaͤhige Nachkommen im
Lande hinterlaſſen, dem Staat, oder der Obrigkeit des Orts
wo der Sterbfall erfolgete b), beygelegt wird. Dieſes,
wenigſtens hoͤchſt unbillige, Recht wurde ehemahls in Frank-
reich allgemein, ſelbſt in Anſehung fremder dort verſtorbe-
nen Fuͤrſten c) ausgeuͤbt, und von den uͤbrigen Staaten,
inſonderheit auch von Teutſchland, obwohl mehrentheils nur
als Vergeltungsrecht gegen Frankreicht eingefuͤhret. Nach-
dem Frankreich nicht nur in vielen Vertraͤgen mit Aus-
waͤrtigen dieſes Recht gegenſeitig aufgehoben d), ſondern
auch die National-Verſammlung durch ihren Schluß vom
6ten Auguſt 1790 die gaͤnzliche Abſchaffung dieſes Rechts
beſchloſſen e), und auch andere Staaten f) es theils durch
Vertraͤge abgeſchaft, theils nur Vergeltungsweiſe es uͤben zu
wollen ſich erklaͤret, bleiben nur noch wenig Spuren dieſes
Rechts in dem Verhaͤltniſſe einiger Staaten, beſonders gegen
Boͤhmen uͤbrig.

Wo dieſes Recht noch beſteht, da kann in einem vor-
kommenden Falle von ſelbigem zwar wohl zum Nachtheil
des Fiſcus, aber nicht zum Schaden der entfernteren Erben
diſpenſirt werden g).

a) Ueber den Urſprung des Worts Aubaine ſ. du Cange etymol.
vocab. Ling. Gall.
und Menage dict. etymologique unter dem Worte
Aubain. Ueber den Urſprung des Rechts ſelbſt ſehe man Mon-
tesquieu
esprit des Loix. Liv. XXI. c. 17. Bonhoͤfer de iure de-
tractus
Cap. II. S. I. §. 4. Schubak de Saxonum transportatione ſub
Carolo M.
c.
4. §. 5.
b) In Frankreich hatte der Koͤnig dieß Recht, das ehemahls auch
der Adel auf ſeinen Guͤtern geuͤbt hatte, an ſich gezogen ſ. Bac-
quet
du dreit d’Aubaine
in ſeinen Oenvres T. I. p IV. cap. 27.
In Teutſchland haben auch die unteren Obrigkeiten es nicht ſel-
ten ausgeuͤbt.
c) du Puy traité touchant les droits du Roi T. I. p. 975.
d) Das Verzeichniß der Vertraͤge, offenen Briefe u. ſ. f. wodurch
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[113/0141] Rechte d. Voͤlker in Anſ. d einzelnen Hoheitsrechte. Heimfalls- oder Fremdlingsrecht droit d’Aubaine a) her, Kraft deſſen die Verlaſſenſchaft eines im Lande ver- ſtorbenen Fremden, deſſen auswaͤrtigen Erben nicht ausgeant- wortet, ſondern, wenn er keine erbfaͤhige Nachkommen im Lande hinterlaſſen, dem Staat, oder der Obrigkeit des Orts wo der Sterbfall erfolgete b), beygelegt wird. Dieſes, wenigſtens hoͤchſt unbillige, Recht wurde ehemahls in Frank- reich allgemein, ſelbſt in Anſehung fremder dort verſtorbe- nen Fuͤrſten c) ausgeuͤbt, und von den uͤbrigen Staaten, inſonderheit auch von Teutſchland, obwohl mehrentheils nur als Vergeltungsrecht gegen Frankreicht eingefuͤhret. Nach- dem Frankreich nicht nur in vielen Vertraͤgen mit Aus- waͤrtigen dieſes Recht gegenſeitig aufgehoben d), ſondern auch die National-Verſammlung durch ihren Schluß vom 6ten Auguſt 1790 die gaͤnzliche Abſchaffung dieſes Rechts beſchloſſen e), und auch andere Staaten f) es theils durch Vertraͤge abgeſchaft, theils nur Vergeltungsweiſe es uͤben zu wollen ſich erklaͤret, bleiben nur noch wenig Spuren dieſes Rechts in dem Verhaͤltniſſe einiger Staaten, beſonders gegen Boͤhmen uͤbrig. Wo dieſes Recht noch beſteht, da kann in einem vor- kommenden Falle von ſelbigem zwar wohl zum Nachtheil des Fiſcus, aber nicht zum Schaden der entfernteren Erben diſpenſirt werden g). a⁾ Ueber den Urſprung des Worts Aubaine ſ. du Cange etymol. vocab. Ling. Gall. und Menage dict. etymologique unter dem Worte Aubain. Ueber den Urſprung des Rechts ſelbſt ſehe man Mon- tesquieu esprit des Loix. Liv. XXI. c. 17. Bonhoͤfer de iure de- tractus Cap. II. S. I. §. 4. Schubak de Saxonum transportatione ſub Carolo M. c. 4. §. 5. b⁾ In Frankreich hatte der Koͤnig dieß Recht, das ehemahls auch der Adel auf ſeinen Guͤtern geuͤbt hatte, an ſich gezogen ſ. Bac- quet du dreit d’Aubaine in ſeinen Oenvres T. I. p IV. cap. 27. In Teutſchland haben auch die unteren Obrigkeiten es nicht ſel- ten ausgeuͤbt. c⁾ du Puy traité touchant les droits du Roi T. I. p. 975. d⁾ Das Verzeichniß der Vertraͤge, offenen Briefe u. ſ. f. wodurch Frankreich dieſes Recht theils in Hinſicht anderer Maͤchte theils in H

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Zitationshilfe: Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/141>, abgerufen am 05.12.2024.