Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.Vorbericht. dem reinen natürlichen Völkerrecht gemäß sey, wirdnicht leicht jemand bezweifeln. Sollte aber wohl überhaupt, sollte viel dabey gewonnen werden wenn man auf diesen Satz zurückginge? Die gewaltsamen Auftritte, wie sie weiland zwischen einen Batteville und d'Estrades vorfielen, sind nach dem Geschmack unsres Zeitalters ohnehin nicht leicht mehr zu besor- gen; man hat längst Mittel ausfündig gemacht um, es sey durch Alternation, oder durch Reverse u. s. f. zu verhindern, daß nicht wichtige Geschäfte, dann wenn es allen Theilen ein Ernst ist, um der Präcedenz- streitigkeitenwillen gehemmt werden; und wenn ein Theil Ausflüchte sucht, sollte es wohl da an Vor- wand zum Absprung fehlen, gesetzt auch, daß die Präcedenz dazu nicht mehr dienen könnte? Ja wenn es wirklich zur Abschaffung aller Präcedenz käme, wenn der Deputirte der Republik St. Marino dem Französischen Ambassadeur nicht mehr zu weichen hätte, folglich wer zuerst kommt sich dahin stellte, setzte, schriebe, wo er es für gut fände; würde es nicht leicht oft über die Frage, wer zuerst gekommen sey zu eben so lächerlichen und selbst thätlichen Auftritten kommen können als bisher über die Präcedenz ent- standen sind, oder kann man der Meynung gebieten, daß ein Platz, wäre es auch nur dießmal, nicht besser wie der andere sey, und ist Verwirrung nicht noch schlimmer als eine mangelhafte Ordnung? Immer würde man am Ende auf Alternation zurückkommen müssen; diese ist aber schon zwischen vielen der größeren Mächte eingeführt, und was gewinnt die Menschheit dabey, wenn nun auch kleine Staaten auf diese Alternation grundgesetzmäßig pochen dürf- ten
Vorbericht. dem reinen natuͤrlichen Voͤlkerrecht gemaͤß ſey, wirdnicht leicht jemand bezweifeln. Sollte aber wohl uͤberhaupt, ſollte viel dabey gewonnen werden wenn man auf dieſen Satz zuruͤckginge? Die gewaltſamen Auftritte, wie ſie weiland zwiſchen einen Batteville und d’Eſtrades vorfielen, ſind nach dem Geſchmack unſres Zeitalters ohnehin nicht leicht mehr zu beſor- gen; man hat laͤngſt Mittel ausfuͤndig gemacht um, es ſey durch Alternation, oder durch Reverſe u. ſ. f. zu verhindern, daß nicht wichtige Geſchaͤfte, dann wenn es allen Theilen ein Ernſt iſt, um der Praͤcedenz- ſtreitigkeitenwillen gehemmt werden; und wenn ein Theil Ausfluͤchte ſucht, ſollte es wohl da an Vor- wand zum Abſprung fehlen, geſetzt auch, daß die Praͤcedenz dazu nicht mehr dienen koͤnnte? Ja wenn es wirklich zur Abſchaffung aller Praͤcedenz kaͤme, wenn der Deputirte der Republik St. Marino dem Franzoͤſiſchen Ambaſſadeur nicht mehr zu weichen haͤtte, folglich wer zuerſt kommt ſich dahin ſtellte, ſetzte, ſchriebe, wo er es fuͤr gut faͤnde; wuͤrde es nicht leicht oft uͤber die Frage, wer zuerſt gekommen ſey zu eben ſo laͤcherlichen und ſelbſt thaͤtlichen Auftritten kommen koͤnnen als bisher uͤber die Praͤcedenz ent- ſtanden ſind, oder kann man der Meynung gebieten, daß ein Platz, waͤre es auch nur dießmal, nicht beſſer wie der andere ſey, und iſt Verwirrung nicht noch ſchlimmer als eine mangelhafte Ordnung? Immer wuͤrde man am Ende auf Alternation zuruͤckkommen muͤſſen; dieſe iſt aber ſchon zwiſchen vielen der groͤßeren Maͤchte eingefuͤhrt, und was gewinnt die Menſchheit dabey, wenn nun auch kleine Staaten auf dieſe Alternation grundgeſetzmaͤßig pochen duͤrf- ten
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Vorbericht.
dem reinen natuͤrlichen Voͤlkerrecht gemaͤß ſey, wird
nicht leicht jemand bezweifeln. Sollte aber wohl
uͤberhaupt, ſollte viel dabey gewonnen werden wenn
man auf dieſen Satz zuruͤckginge? Die gewaltſamen
Auftritte, wie ſie weiland zwiſchen einen Batteville
und d’Eſtrades vorfielen, ſind nach dem Geſchmack
unſres Zeitalters ohnehin nicht leicht mehr zu beſor-
gen; man hat laͤngſt Mittel ausfuͤndig gemacht um,
es ſey durch Alternation, oder durch Reverſe u. ſ. f.
zu verhindern, daß nicht wichtige Geſchaͤfte, dann
wenn es allen Theilen ein Ernſt iſt, um der Praͤcedenz-
ſtreitigkeitenwillen gehemmt werden; und wenn ein
Theil Ausfluͤchte ſucht, ſollte es wohl da an Vor-
wand zum Abſprung fehlen, geſetzt auch, daß die
Praͤcedenz dazu nicht mehr dienen koͤnnte? Ja wenn
es wirklich zur Abſchaffung aller Praͤcedenz kaͤme,
wenn der Deputirte der Republik St. Marino dem
Franzoͤſiſchen Ambaſſadeur nicht mehr zu weichen
haͤtte, folglich wer zuerſt kommt ſich dahin ſtellte,
ſetzte, ſchriebe, wo er es fuͤr gut faͤnde; wuͤrde es nicht
leicht oft uͤber die Frage, wer zuerſt gekommen ſey
zu eben ſo laͤcherlichen und ſelbſt thaͤtlichen Auftritten
kommen koͤnnen als bisher uͤber die Praͤcedenz ent-
ſtanden ſind, oder kann man der Meynung gebieten,
daß ein Platz, waͤre es auch nur dießmal, nicht beſſer
wie der andere ſey, und iſt Verwirrung nicht noch
ſchlimmer als eine mangelhafte Ordnung? Immer
wuͤrde man am Ende auf Alternation zuruͤckkommen
muͤſſen; dieſe iſt aber ſchon zwiſchen vielen der
groͤßeren Maͤchte eingefuͤhrt, und was gewinnt die
Menſchheit dabey, wenn nun auch kleine Staaten
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