Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.Drittes Buch. Zweytes Hauptstück. will, von der Wahl auszuschließen a), oder zu untersuchenob die Wahl grundgesetzmäßig sey, so lange die Nation selbst wider die Wahl nichts erinnert. Doch kann einer fremden Nation 1) nicht verwehrt werden, durch gütliche Vorstellungen einen Croncandidaten zur Wahl zu empfeh- len, oder von der Wahl eines andern abzurathen; 2) ist gedenkbar, daß sie durch Vertrag oder Herkommen ein Ausschließungsrecht erlangt habe, oder 3) aus Sorge für ihre eigene Sicherheit sich der Wahl eines schon zu mächti- gen Fürsten mit Recht widersetzen könne. Auch kann 6) wenn über die Gültigkeit der Wahl das Urtheil des Volks selbst getheilt ist, Auswärtigen das Recht nicht abgesprochen werden, derjenigen Parthey beyzutreten, die nach ihrer Ueber- zeugung das beste Recht hat b); und eben dieses tritt 7) in Fällen einer zwiespältigen Wahl ein c). Daher ist kein Wunder, wenn fast jede Wahl der a) von Justi ob die Protestationes der auswärtigen Monar- chen wieder eine auf die Wahl gebrachte Person zu Beherr- schung eines Wahlreichs in dem Natur- und Völkerrecht eini- gen Grund haben; in dessen hist. und juristischen Schriften Th. I. S. 185. b) Wenn daher Frankreich zunächst nach der Kaiser-Wahl Franz I. ihn anzuerkennen weigerte, so hatte es ein anscheinendes Recht dazu, so lange einige Churfürsten die Freyheit der Wahl anfoch- ten, wenn es aber auch, nachdem der Widerspruch von Pfalz und Brandenburg gehoben war, diese Anerkenntniß bis zum Aachener Frieden unter dem Vorwand verweigerte: qu'il n'etoit pas de sa convenance de reconnoitre Francois comme Empereur, so läßt sich dieß schwerlich aus dem Völkerrecht rechtfertigen. c) Wieviel hier indeß von Umständen abhänge, lehrt das Beyspiel von Polen nach dem Tode August II. d) Seit
Drittes Buch. Zweytes Hauptſtuͤck. will, von der Wahl auszuſchließen a), oder zu unterſuchenob die Wahl grundgeſetzmaͤßig ſey, ſo lange die Nation ſelbſt wider die Wahl nichts erinnert. Doch kann einer fremden Nation 1) nicht verwehrt werden, durch guͤtliche Vorſtellungen einen Croncandidaten zur Wahl zu empfeh- len, oder von der Wahl eines andern abzurathen; 2) iſt gedenkbar, daß ſie durch Vertrag oder Herkommen ein Ausſchließungsrecht erlangt habe, oder 3) aus Sorge fuͤr ihre eigene Sicherheit ſich der Wahl eines ſchon zu maͤchti- gen Fuͤrſten mit Recht widerſetzen koͤnne. Auch kann 6) wenn uͤber die Guͤltigkeit der Wahl das Urtheil des Volks ſelbſt getheilt iſt, Auswaͤrtigen das Recht nicht abgeſprochen werden, derjenigen Parthey beyzutreten, die nach ihrer Ueber- zeugung das beſte Recht hat b); und eben dieſes tritt 7) in Faͤllen einer zwieſpaͤltigen Wahl ein c). Daher iſt kein Wunder, wenn faſt jede Wahl der a) von Juſti ob die Proteſtationes der auswaͤrtigen Monar- chen wieder eine auf die Wahl gebrachte Perſon zu Beherr- ſchung eines Wahlreichs in dem Natur- und Voͤlkerrecht eini- gen Grund haben; in deſſen hiſt. und juriſtiſchen Schriften Th. I. S. 185. b) Wenn daher Frankreich zunaͤchſt nach der Kaiſer-Wahl Franz I. ihn anzuerkennen weigerte, ſo hatte es ein anſcheinendes Recht dazu, ſo lange einige Churfuͤrſten die Freyheit der Wahl anfoch- ten, wenn es aber auch, nachdem der Widerſpruch von Pfalz und Brandenburg gehoben war, dieſe Anerkenntniß bis zum Aachener Frieden unter dem Vorwand verweigerte: qu’il n’étoit pas de ſa convenance de reconnoitre Francois comme Empereur, ſo laͤßt ſich dieß ſchwerlich aus dem Voͤlkerrecht rechtfertigen. c) Wieviel hier indeß von Umſtaͤnden abhaͤnge, lehrt das Beyſpiel von Polen nach dem Tode Auguſt II. d) Seit
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Drittes Buch. Zweytes Hauptſtuͤck.
will, von der Wahl auszuſchließen a), oder zu unterſuchen
ob die Wahl grundgeſetzmaͤßig ſey, ſo lange die Nation
ſelbſt wider die Wahl nichts erinnert. Doch kann einer
fremden Nation 1) nicht verwehrt werden, durch guͤtliche
Vorſtellungen einen Croncandidaten zur Wahl zu empfeh-
len, oder von der Wahl eines andern abzurathen; 2)
iſt gedenkbar, daß ſie durch Vertrag oder Herkommen ein
Ausſchließungsrecht erlangt habe, oder 3) aus Sorge fuͤr
ihre eigene Sicherheit ſich der Wahl eines ſchon zu maͤchti-
gen Fuͤrſten mit Recht widerſetzen koͤnne. Auch kann 6)
wenn uͤber die Guͤltigkeit der Wahl das Urtheil des Volks
ſelbſt getheilt iſt, Auswaͤrtigen das Recht nicht abgeſprochen
werden, derjenigen Parthey beyzutreten, die nach ihrer Ueber-
zeugung das beſte Recht hat b); und eben dieſes tritt 7)
in Faͤllen einer zwieſpaͤltigen Wahl ein c).
Daher iſt kein Wunder, wenn faſt jede Wahl der
drey großen Europaͤiſchen Wahlfuͤrſten, des Pabſts d), des
roͤmiſchen Kaiſers e) und bisher des Koͤnigs von Polen f)
von dem Einfluſſe fremder Maͤchte, inſonderheit derer ge-
litten hat, welche ſich dabey auf ein beſonders erworbenes
Recht zu gruͤnden geſucht.
a⁾ von Juſti ob die Proteſtationes der auswaͤrtigen Monar-
chen wieder eine auf die Wahl gebrachte Perſon zu Beherr-
ſchung eines Wahlreichs in dem Natur- und Voͤlkerrecht eini-
gen Grund haben; in deſſen hiſt. und juriſtiſchen Schriften
Th. I. S. 185.
b⁾ Wenn daher Frankreich zunaͤchſt nach der Kaiſer-Wahl Franz I.
ihn anzuerkennen weigerte, ſo hatte es ein anſcheinendes Recht
dazu, ſo lange einige Churfuͤrſten die Freyheit der Wahl anfoch-
ten, wenn es aber auch, nachdem der Widerſpruch von Pfalz
und Brandenburg gehoben war, dieſe Anerkenntniß bis zum
Aachener Frieden unter dem Vorwand verweigerte: qu’il n’étoit
pas de ſa convenance de reconnoitre Francois comme Empereur, ſo
laͤßt ſich dieß ſchwerlich aus dem Voͤlkerrecht rechtfertigen.
c⁾ Wieviel hier indeß von Umſtaͤnden abhaͤnge, lehrt das Beyſpiel
von Polen nach dem Tode Auguſt II.
d) Seit
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