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Marpurg, Friedrich Wilhelm: Versuch über die musikalische Temperatur. Breslau, 1776.

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Anhang etc. Achter Abschnitt. Erste Fortsetzung
sen, so machen wir einen ähnlichen Versuch mit der Quarte.
Wir gehen von der Quarte g en zu der Terz g h über, und sind
völlig befriedigt. Auf diese schon vor langer Zeit in der Welt
gemachte Erfahrungen ist die Lehre von der Auflösung der arith-
metischen Quarte gegründet. Sind diese Erfahrungen nicht
hinlänglich, und ist jene Lehre nicht richtig? Dafür kön-
nen wir nicht, daß das Verhältniß der Quarte 4:3 just zwi-
schen den vollkommnen und unvollkommnen Consonanzen, zwi-
schen 1, 2, 3 und 4, 5, 6 erscheinet. Nichts als die Erfah-
tung mit dem Gehör hat uns die Eigenschaften der Zahlen 1,
2, 3 und 4, 5, 6 mittheilen können, und eben diese saget uns,
was es mit der Quarte 3:4 für eine Beschaffenheit hat. Wenn
die Lehre von der Vorbereitung und Auflösung der Quarte in
gewissen Fällen eine Ausnahme gestattet, so ist es damit wie
mit der Septime beschaffen, bey welcher eben dieser Umstand statt
findet. Aber, da dieses nur in gewissen Fällen geschehen kann,
so müssen solche Fälle besonders erkläret werden. So hat es
der Hr. Capellmeister Bach in seiner Lehre vom Generalbaß
gemachet. Jn meinen Anmerkungen über des Hrn. Sorgens
Generalbaß ist das ganze weitläuftige achte Capitel der Lehre
vom Quartsextenaccord gewidmet, mit welchem man das-
jenige verbinden kann, was ich in meinem Handbuch davon
gesaget habe.

Achter Abschnitt.
Erste Fortsetzung der Anmerkungen über
die Kirnbergerschen Grundsätze der Harmonie,
nach Ordnung derselben.


§. 326.

Der Hr. Verfasser der Grundsätze etc. der sich, durch seine
Eintheilung der wesentlichen Dissonanzen in wesentliche
und zufällige, in ein Labyrinth hineingeschrieben hat, will uns,
nach seiner misgelungenen Digreßion in die Lehre vom Quart-

sexten-

Anhang ꝛc. Achter Abſchnitt. Erſte Fortſetzung
ſen, ſo machen wir einen aͤhnlichen Verſuch mit der Quarte.
Wir gehen von der Quarte g ē zu der Terz g h uͤber, und ſind
voͤllig befriedigt. Auf dieſe ſchon vor langer Zeit in der Welt
gemachte Erfahrungen iſt die Lehre von der Aufloͤſung der arith-
metiſchen Quarte gegruͤndet. Sind dieſe Erfahrungen nicht
hinlaͤnglich, und iſt jene Lehre nicht richtig? Dafuͤr koͤn-
nen wir nicht, daß das Verhaͤltniß der Quarte 4:3 juſt zwi-
ſchen den vollkommnen und unvollkommnen Conſonanzen, zwi-
ſchen 1, 2, 3 und 4, 5, 6 erſcheinet. Nichts als die Erfah-
tung mit dem Gehoͤr hat uns die Eigenſchaften der Zahlen 1,
2, 3 und 4, 5, 6 mittheilen koͤnnen, und eben dieſe ſaget uns,
was es mit der Quarte 3:4 fuͤr eine Beſchaffenheit hat. Wenn
die Lehre von der Vorbereitung und Aufloͤſung der Quarte in
gewiſſen Faͤllen eine Ausnahme geſtattet, ſo iſt es damit wie
mit der Septime beſchaffen, bey welcher eben dieſer Umſtand ſtatt
findet. Aber, da dieſes nur in gewiſſen Faͤllen geſchehen kann,
ſo muͤſſen ſolche Faͤlle beſonders erklaͤret werden. So hat es
der Hr. Capellmeiſter Bach in ſeiner Lehre vom Generalbaß
gemachet. Jn meinen Anmerkungen uͤber des Hrn. Sorgens
Generalbaß iſt das ganze weitlaͤuftige achte Capitel der Lehre
vom Quartſextenaccord gewidmet, mit welchem man das-
jenige verbinden kann, was ich in meinem Handbuch davon
geſaget habe.

Achter Abſchnitt.
Erſte Fortſetzung der Anmerkungen uͤber
die Kirnbergerſchen Grundſaͤtze der Harmonie,
nach Ordnung derſelben.


§. 326.

Der Hr. Verfaſſer der Grundſaͤtze ꝛc. der ſich, durch ſeine
Eintheilung der weſentlichen Diſſonanzen in weſentliche
und zufaͤllige, in ein Labyrinth hineingeſchrieben hat, will uns,
nach ſeiner misgelungenen Digreßion in die Lehre vom Quart-

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[302/0322] Anhang ꝛc. Achter Abſchnitt. Erſte Fortſetzung ſen, ſo machen wir einen aͤhnlichen Verſuch mit der Quarte. Wir gehen von der Quarte g ē zu der Terz g h uͤber, und ſind voͤllig befriedigt. Auf dieſe ſchon vor langer Zeit in der Welt gemachte Erfahrungen iſt die Lehre von der Aufloͤſung der arith- metiſchen Quarte gegruͤndet. Sind dieſe Erfahrungen nicht hinlaͤnglich, und iſt jene Lehre nicht richtig? Dafuͤr koͤn- nen wir nicht, daß das Verhaͤltniß der Quarte 4:3 juſt zwi- ſchen den vollkommnen und unvollkommnen Conſonanzen, zwi- ſchen 1, 2, 3 und 4, 5, 6 erſcheinet. Nichts als die Erfah- tung mit dem Gehoͤr hat uns die Eigenſchaften der Zahlen 1, 2, 3 und 4, 5, 6 mittheilen koͤnnen, und eben dieſe ſaget uns, was es mit der Quarte 3:4 fuͤr eine Beſchaffenheit hat. Wenn die Lehre von der Vorbereitung und Aufloͤſung der Quarte in gewiſſen Faͤllen eine Ausnahme geſtattet, ſo iſt es damit wie mit der Septime beſchaffen, bey welcher eben dieſer Umſtand ſtatt findet. Aber, da dieſes nur in gewiſſen Faͤllen geſchehen kann, ſo muͤſſen ſolche Faͤlle beſonders erklaͤret werden. So hat es der Hr. Capellmeiſter Bach in ſeiner Lehre vom Generalbaß gemachet. Jn meinen Anmerkungen uͤber des Hrn. Sorgens Generalbaß iſt das ganze weitlaͤuftige achte Capitel der Lehre vom Quartſextenaccord gewidmet, mit welchem man das- jenige verbinden kann, was ich in meinem Handbuch davon geſaget habe. Achter Abſchnitt. Erſte Fortſetzung der Anmerkungen uͤber die Kirnbergerſchen Grundſaͤtze der Harmonie, nach Ordnung derſelben. §. 326. Der Hr. Verfaſſer der Grundſaͤtze ꝛc. der ſich, durch ſeine Eintheilung der weſentlichen Diſſonanzen in weſentliche und zufaͤllige, in ein Labyrinth hineingeſchrieben hat, will uns, nach ſeiner misgelungenen Digreßion in die Lehre vom Quart- ſexten-

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Zitationshilfe: Marpurg, Friedrich Wilhelm: Versuch über die musikalische Temperatur. Breslau, 1776, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marpurg_versuch_1776/322>, abgerufen am 25.11.2024.