Marpurg, Friedrich Wilhelm: Versuch über die musikalische Temperatur. Breslau, 1776.daß der Kirnberg. Grundbaß kein reiner Grundb. etc. alles Lob erhaben ist, eine Standrede zu halten. (Jch hätte dochgewiß eine andere Gelegenheit dazu ergriffen.) Er saget nun ohne Zweifel sehr vieles von ihm; aber gewiß noch nicht genug. So hat er z. E. ausgelassen, daß wenn derselbe die Grundsätze der Harmonie (nicht die wahren Grundsätze zum Gebrauch der Harmonie, darinnen ist kein Verstand, es ist undeutsch,) hätte abhandeln wollen, er solche ohne das geringste Geprassel würde abgehandelt haben. (So hat es sein würdiger Sohn, der Herr Capellmeister Bach in Hamburg gemacht;) daß er alle Materien in der größten Ordnung hinter einander durchge- dacht und concipiret haben würde; daß er allezeit mit sich selbst einig geblieben, und seiner Grundsätze gewiß, sich nirgends widersprochen haben würde; daß er keine consonirende Accorde zu dissonirenden gemachet, und uns nicht alle Consonanzen ge- raubet haben würde, und so weiter. §. 305. Der Hr. Kirnberger hat sich Seite 40. 41 und 42 die ner *) Auf der reinen Quarta Toni, und nicht auf dem Subsemitonie Toni, wie es dem Hrn. Kirnberger Seite 42. der Grundsätze etc. zu muthmaßen beliebet hat. S 4
daß der Kirnberg. Grundbaß kein reiner Grundb. ꝛc. alles Lob erhaben iſt, eine Standrede zu halten. (Jch haͤtte dochgewiß eine andere Gelegenheit dazu ergriffen.) Er ſaget nun ohne Zweifel ſehr vieles von ihm; aber gewiß noch nicht genug. So hat er z. E. ausgelaſſen, daß wenn derſelbe die Grundſaͤtze der Harmonie (nicht die wahren Grundſaͤtze zum Gebrauch der Harmonie, darinnen iſt kein Verſtand, es iſt undeutſch,) haͤtte abhandeln wollen, er ſolche ohne das geringſte Gepraſſel wuͤrde abgehandelt haben. (So hat es ſein wuͤrdiger Sohn, der Herr Capellmeiſter Bach in Hamburg gemacht;) daß er alle Materien in der groͤßten Ordnung hinter einander durchge- dacht und concipiret haben wuͤrde; daß er allezeit mit ſich ſelbſt einig geblieben, und ſeiner Grundſaͤtze gewiß, ſich nirgends widerſprochen haben wuͤrde; daß er keine conſonirende Accorde zu diſſonirenden gemachet, und uns nicht alle Conſonanzen ge- raubet haben wuͤrde, und ſo weiter. §. 305. Der Hr. Kirnberger hat ſich Seite 40. 41 und 42 die ner *) Auf der reinen Quarta Toni, und nicht auf dem Subſemitonie Toni, wie es dem Hrn. Kirnberger Seite 42. der Grundſaͤtze ꝛc. zu muthmaßen beliebet hat. S 4
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daß der Kirnberg. Grundbaß kein reiner Grundb. ꝛc.
alles Lob erhaben iſt, eine Standrede zu halten. (Jch haͤtte doch
gewiß eine andere Gelegenheit dazu ergriffen.) Er ſaget nun
ohne Zweifel ſehr vieles von ihm; aber gewiß noch nicht genug.
So hat er z. E. ausgelaſſen, daß wenn derſelbe die Grundſaͤtze
der Harmonie (nicht die wahren Grundſaͤtze zum Gebrauch
der Harmonie, darinnen iſt kein Verſtand, es iſt undeutſch,)
haͤtte abhandeln wollen, er ſolche ohne das geringſte Gepraſſel
wuͤrde abgehandelt haben. (So hat es ſein wuͤrdiger Sohn, der
Herr Capellmeiſter Bach in Hamburg gemacht;) daß er alle
Materien in der groͤßten Ordnung hinter einander durchge-
dacht und concipiret haben wuͤrde; daß er allezeit mit ſich ſelbſt
einig geblieben, und ſeiner Grundſaͤtze gewiß, ſich nirgends
widerſprochen haben wuͤrde; daß er keine conſonirende Accorde
zu diſſonirenden gemachet, und uns nicht alle Conſonanzen ge-
raubet haben wuͤrde, und ſo weiter.
§. 305.
Der Hr. Kirnberger hat ſich Seite 40. 41 und 42 die
Muͤhe gegeben, allerhand Exempel, in welchen die Reſolution
einer Diſſonanz ausgelaſſen worden, zuſammenzutragen. Die
Muͤhe iſt gar loͤblich; nur wuͤnſchte ich, daß es ihm gefallen
haͤtte, alle dieſe Saͤtze fuͤr harmoniſche Freiheiten zu erklaͤ-
ren, weil ſie durch die Erklaͤrung doch nicht legal werden, wie
ich ſchon geſaget habe, und weil viele angehende Harmoniſten,
welche eine Ausnahme von der Regel nicht zu unterſcheiden ge-
lernet haben, auf die irrige Meinung gebracht werden koͤnn-
ten, daß ſie recht expreßiv ſchreiben, wenn ſie von der Regel
abgehen. — Der Hr. K. hat bey Gelegenheit dieſer Saͤtze
uͤber den vom Hrn. Rameau ſo genannten und in gewiſſen
Faͤllen fuͤr einen Grundaccord erklaͤrten Accord de la Sixte ajou-
tée, welches nicht anders als ein gewoͤhnlicher unreſolviren-
der Quintſextenaccord *) iſt, ſeine Gedanken eroͤfnet, und
erklaͤret, daß er ihn nicht fuͤr einen Grundaccord haͤlt. Jch
bin vollkommen der Meinung des Hrn. Kirnberger, und zwar
aus der Urſache, weil dieſer Accord nicht die Merkmale eines
Grundaccords hat, welche in der terzenweiſen Diſpoſition ſei-
ner
*) Auf der reinen Quarta Toni, und nicht auf dem Subſemitonie
Toni, wie es dem Hrn. Kirnberger Seite 42. der Grundſaͤtze ꝛc. zu
muthmaßen beliebet hat.
S 4
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