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Marpurg, Friedrich Wilhelm: Versuch über die musikalische Temperatur. Breslau, 1776.

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Kurzer Begriff der Lehre vom Grundbaß.
nirende Quinte h f, sondern auch eine dissonirende Terz dis f.
Alle consonirende Dreyklänge sind Hauptdreyklänge, oder
eigentliche Dreyklänge, und alle dissonirende sind Mitteldrey-
klänge,
oder uneigentliche Dreyklänge. Die erstern werden
auch harmonische Dreyklänge genennet. -- Alle Septi-
menaccorde
sind dissonirende Sätze, ingleichen alle die Octa-
ve übersteigenden Accorde,
und der Grund der Dissonanz
ist die Septime, wie bald gezeiget werden wird. Unter den
verschiednen Accorden sind die beyden consonirenden Drey-
klänge in Ansehung der Fortschreitung die freyesten; die disso-
nirenden Dreyklänge und Septimensätze haben eine einge-
schränktere Fortschreitung, und alle die Octave überschreiten-
den Dissonanzen sind am eingeschränktesten.

§. 264.

Wenn man die Töne eines Accords versetzet, und z. E.
c e g in e g cn oder g cn en verwandelt, so bekömmt der Accord
dadurch eine andere Form; und da vermittelst solcher Verse-
tzung die Verhältnisse der einen Accord ausmachenden Jn-
tervalle umgekehret werden, (denn das Verhältniß einer
großen Terz 5:4 verändert sich dadurch in eine kleine Sexte
8:5, das Verhältniß einer kleinen Terz 6:5 in eine große
Sexte 5:3, und das Verhältniß der Quinte 3:2 in eine Quar-
te 4:3, u. s. w.) so werden die auf solche Art von einem Grund-
accord abstammenden Accorde umgekehrte Accorde ge-
nennet.

§. 265.

Der Dreyklang mit seinen Umkehrungen. Von
dem Dreyklange entspringen vermittelst der Umkehrung zwey
Accorde, als 1) ein aus Terz und Sexte bestehender Sexten-
accord,
wenn die Terz des Dreyklangs in den Baß gestellet
wird, und 2) ein aus Quart und Sexte bestehender Quart-
sextenaccord,
wenn die Quinte des Dreyklangs in den Baß
gestellet wird. Wenn also c e g der gegebne Dreyklang ist, so
ist e g cn ein Sexten- und g cn en ein Quartsextenaccord. Was
allhier von dem Dreyklang c e g gesaget worden, gilt von allen
übrigen gebräuchlichen Dreyklängen.

§. 266.
Q 4

Kurzer Begriff der Lehre vom Grundbaß.
nirende Quinte h f, ſondern auch eine diſſonirende Terz dis f.
Alle conſonirende Dreyklaͤnge ſind Hauptdreyklaͤnge, oder
eigentliche Dreyklaͤnge, und alle diſſonirende ſind Mitteldrey-
klaͤnge,
oder uneigentliche Dreyklaͤnge. Die erſtern werden
auch harmoniſche Dreyklaͤnge genennet. — Alle Septi-
menaccorde
ſind diſſonirende Saͤtze, ingleichen alle die Octa-
ve uͤberſteigenden Accorde,
und der Grund der Diſſonanz
iſt die Septime, wie bald gezeiget werden wird. Unter den
verſchiednen Accorden ſind die beyden conſonirenden Drey-
klaͤnge in Anſehung der Fortſchreitung die freyeſten; die diſſo-
nirenden Dreyklaͤnge und Septimenſaͤtze haben eine einge-
ſchraͤnktere Fortſchreitung, und alle die Octave uͤberſchreiten-
den Diſſonanzen ſind am eingeſchraͤnkteſten.

§. 264.

Wenn man die Toͤne eines Accords verſetzet, und z. E.
c e g in e g c̄ oder g c̄ ē verwandelt, ſo bekoͤmmt der Accord
dadurch eine andere Form; und da vermittelſt ſolcher Verſe-
tzung die Verhaͤltniſſe der einen Accord ausmachenden Jn-
tervalle umgekehret werden, (denn das Verhaͤltniß einer
großen Terz 5:4 veraͤndert ſich dadurch in eine kleine Sexte
8:5, das Verhaͤltniß einer kleinen Terz 6:5 in eine große
Sexte 5:3, und das Verhaͤltniß der Quinte 3:2 in eine Quar-
te 4:3, u. ſ. w.) ſo werden die auf ſolche Art von einem Grund-
accord abſtammenden Accorde umgekehrte Accorde ge-
nennet.

§. 265.

Der Dreyklang mit ſeinen Umkehrungen. Von
dem Dreyklange entſpringen vermittelſt der Umkehrung zwey
Accorde, als 1) ein aus Terz und Sexte beſtehender Sexten-
accord,
wenn die Terz des Dreyklangs in den Baß geſtellet
wird, und 2) ein aus Quart und Sexte beſtehender Quart-
ſextenaccord,
wenn die Quinte des Dreyklangs in den Baß
geſtellet wird. Wenn alſo c e g der gegebne Dreyklang iſt, ſo
iſt e g c̄ ein Sexten- und g c̄ ē ein Quartſextenaccord. Was
allhier von dem Dreyklang c e g geſaget worden, gilt von allen
uͤbrigen gebraͤuchlichen Dreyklaͤngen.

§. 266.
Q 4
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[247/0267] Kurzer Begriff der Lehre vom Grundbaß. nirende Quinte h f, ſondern auch eine diſſonirende Terz dis f. Alle conſonirende Dreyklaͤnge ſind Hauptdreyklaͤnge, oder eigentliche Dreyklaͤnge, und alle diſſonirende ſind Mitteldrey- klaͤnge, oder uneigentliche Dreyklaͤnge. Die erſtern werden auch harmoniſche Dreyklaͤnge genennet. — Alle Septi- menaccorde ſind diſſonirende Saͤtze, ingleichen alle die Octa- ve uͤberſteigenden Accorde, und der Grund der Diſſonanz iſt die Septime, wie bald gezeiget werden wird. Unter den verſchiednen Accorden ſind die beyden conſonirenden Drey- klaͤnge in Anſehung der Fortſchreitung die freyeſten; die diſſo- nirenden Dreyklaͤnge und Septimenſaͤtze haben eine einge- ſchraͤnktere Fortſchreitung, und alle die Octave uͤberſchreiten- den Diſſonanzen ſind am eingeſchraͤnkteſten. §. 264. Wenn man die Toͤne eines Accords verſetzet, und z. E. c e g in e g c̄ oder g c̄ ē verwandelt, ſo bekoͤmmt der Accord dadurch eine andere Form; und da vermittelſt ſolcher Verſe- tzung die Verhaͤltniſſe der einen Accord ausmachenden Jn- tervalle umgekehret werden, (denn das Verhaͤltniß einer großen Terz 5:4 veraͤndert ſich dadurch in eine kleine Sexte 8:5, das Verhaͤltniß einer kleinen Terz 6:5 in eine große Sexte 5:3, und das Verhaͤltniß der Quinte 3:2 in eine Quar- te 4:3, u. ſ. w.) ſo werden die auf ſolche Art von einem Grund- accord abſtammenden Accorde umgekehrte Accorde ge- nennet. §. 265. Der Dreyklang mit ſeinen Umkehrungen. Von dem Dreyklange entſpringen vermittelſt der Umkehrung zwey Accorde, als 1) ein aus Terz und Sexte beſtehender Sexten- accord, wenn die Terz des Dreyklangs in den Baß geſtellet wird, und 2) ein aus Quart und Sexte beſtehender Quart- ſextenaccord, wenn die Quinte des Dreyklangs in den Baß geſtellet wird. Wenn alſo c e g der gegebne Dreyklang iſt, ſo iſt e g c̄ ein Sexten- und g c̄ ē ein Quartſextenaccord. Was allhier von dem Dreyklang c e g geſaget worden, gilt von allen uͤbrigen gebraͤuchlichen Dreyklaͤngen. §. 266. Q 4

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Zitationshilfe: Marpurg, Friedrich Wilhelm: Versuch über die musikalische Temperatur. Breslau, 1776, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marpurg_versuch_1776/267>, abgerufen am 22.11.2024.