Vergilius Maro, Publius: Eigentlicher Abriß Eines verständigen/ tapfferen und frommen Fürsten/ Von dem fürtrefflichsten Poeten Virgilius. Cölln (Spree), 1668.Das Sechste Buch. Da wird er eines walds im thal immittelst innen/Und siehet Lethe bach mit lindem sausen rinnen; Umb diesen schwebete ein ungezehlte schaar/ Da es nicht anders als auff bunten wiesen war/ Da wo die bienlein sich in schönem frühling setzen Auf manchen blumen zweyg und ihren muth ergetzen/ Da sie mit grosser schaar ümm weisse lilien Sich schwingen/ daß man hört durch weite felder gehn Das summende geräusch: Eneas/ da ers nimmet Genau in augenschein/ erstaunt und ihn ankömmet Ein plötzlich schrecken/ fragt die ursach/ weil er nicht Von einem jemahls des genommen ein bericht/ Was diß sey für ein fluß/ und welche diese menge Der leute/ die sich so mit häuffigem gedränge Ans ufer legten hin? Drauff hub Anchises an; Die seelen (saget er) die du siehst auff dem plan/ Die nach der Götter schluß/ verordnung und befehlen Mit andern leibern sich vereinen und vermählen/ Die ligen hin und her an Lethe bach zerstreut Und trincken unbesorgt des leids vergessenheit; Dieselben wil ich dir für augen klärlich zeigen Und geben unterricht des/ was sich hier eräugen Zu deinem frommen kan/ damit du desto mehr Dich freuest/ denn du hast nach vielerley beschwer Gefunden Latien. O vater/ sol man meinen/ Daß in der vorgen welt die seelen sich vereinen Mit leibern wiederumb/ als der so schweren brüd? Was treibt die armen doch für grimmige begierd? Diß
Das Sechſte Buch. Da wird er eines walds im thal immittelſt innen/Und ſiehet Lethe bach mit lindem ſauſen rinnen; Umb dieſen ſchwebete ein ungezehlte ſchaar/ Da es nicht anders als auff bunten wieſen war/ Da wo die bienlein ſich in ſchoͤnem fruͤhling ſetzen Auf manchen blumen zweyg und ihren muth ergetzen/ Da ſie mit groſſer ſchaar uͤmm weiſſe lilien Sich ſchwingen/ daß man hoͤrt durch weite felder gehn Das ſummende geraͤuſch: Eneas/ da ers nimmet Genau in augenſchein/ erſtaunt und ihn ankoͤmmet Ein ploͤtzlich ſchrecken/ fragt die urſach/ weil er nicht Von einem jemahls des genommen ein bericht/ Was diß ſey fuͤr ein fluß/ und welche dieſe menge Der leute/ die ſich ſo mit haͤuffigem gedraͤnge Ans ufer legten hin? Drauff hub Anchiſes an; Die ſeelen (ſaget er) die du ſiehſt auff dem plan/ Die nach der Goͤtter ſchluß/ verordnung und befehlen Mit andern leibern ſich vereinen und vermaͤhlen/ Die ligen hin und her an Lethe bach zerſtreut Und trincken unbeſorgt des leids vergeſſenheit; Dieſelben wil ich dir fuͤr augen klaͤrlich zeigen Und geben unterricht des/ was ſich hier eraͤugen Zu deinem frommen kan/ damit du deſto mehr Dich freueſt/ denn du haſt nach vielerley beſchwer Gefunden Latien. O vater/ ſol man meinen/ Daß in der vorgen welt die ſeelen ſich vereinen Mit leibern wiederumb/ als der ſo ſchweren bruͤd? Was treibt die armen doch fuͤr grimmige begierd? Diß
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Das Sechſte Buch.
Da wird er eines walds im thal immittelſt innen/
Und ſiehet Lethe bach mit lindem ſauſen rinnen;
Umb dieſen ſchwebete ein ungezehlte ſchaar/
Da es nicht anders als auff bunten wieſen war/
Da wo die bienlein ſich in ſchoͤnem fruͤhling ſetzen
Auf manchen blumen zweyg und ihren muth ergetzen/
Da ſie mit groſſer ſchaar uͤmm weiſſe lilien
Sich ſchwingen/ daß man hoͤrt durch weite felder gehn
Das ſummende geraͤuſch: Eneas/ da ers nimmet
Genau in augenſchein/ erſtaunt und ihn ankoͤmmet
Ein ploͤtzlich ſchrecken/ fragt die urſach/ weil er nicht
Von einem jemahls des genommen ein bericht/
Was diß ſey fuͤr ein fluß/ und welche dieſe menge
Der leute/ die ſich ſo mit haͤuffigem gedraͤnge
Ans ufer legten hin? Drauff hub Anchiſes an;
Die ſeelen (ſaget er) die du ſiehſt auff dem plan/
Die nach der Goͤtter ſchluß/ verordnung und befehlen
Mit andern leibern ſich vereinen und vermaͤhlen/
Die ligen hin und her an Lethe bach zerſtreut
Und trincken unbeſorgt des leids vergeſſenheit;
Dieſelben wil ich dir fuͤr augen klaͤrlich zeigen
Und geben unterricht des/ was ſich hier eraͤugen
Zu deinem frommen kan/ damit du deſto mehr
Dich freueſt/ denn du haſt nach vielerley beſchwer
Gefunden Latien. O vater/ ſol man meinen/
Daß in der vorgen welt die ſeelen ſich vereinen
Mit leibern wiederumb/ als der ſo ſchweren bruͤd?
Was treibt die armen doch fuͤr grimmige begierd?
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Zitationshilfe: | Vergilius Maro, Publius: Eigentlicher Abriß Eines verständigen/ tapfferen und frommen Fürsten/ Von dem fürtrefflichsten Poeten Virgilius. Cölln (Spree), 1668, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/maro_abriss_1668/326>, abgerufen am 16.02.2025. |