Vergilius Maro, Publius: Eigentlicher Abriß Eines verständigen/ tapfferen und frommen Fürsten/ Von dem fürtrefflichsten Poeten Virgilius. Cölln (Spree), 1668.Das Sechste Buch. Allein die Göttliche gewalt hat mich gezwungen/Und mittelst ihrer macht genöthigt und gedrungen Zu ziehn an diesen ort/ der voller schlamm und wust Bey dicker finsternüß ligt ohne liecht und lust. Ich habe dessen auch mich nicht vermuthen können/ Daß meine reise dir hätt der gestalt zu sinnen Und hertzen sollen gehn/ daß du in solche noth Soltst kommen/ und dir selbst an thun den bittern tod. Halt fuß! für wen wilst du dich so entziehn zurücke? Mein zuspruch rühret her von göttlichem geschicke. Mit solcher sanfften red bezwung er ihr gemüth/ Die ihn sah störrisch an und unversöhnte wüt In ihren augen trug. Doch kunt er sie gewinnen/ Daß sie ließ mildiglich die feuchten zähren rinnen; Sie schlug zur erde hin ihr leidig angesicht/ Und wolt ihn an zusehn erkennen würdig nicht; Sie bliebe/ was er nur mocht sagen/ unbeweget/ Nicht anders/ als wenn sich ein harter felß nicht reget Wenn er von wellen wird bestürmet grimmiglich/ Daß alles knallt und kracht. Zuletzt erhub sie sich. Mit grimm in finstern wald/ da sie in gleichen schmertzen Fand ihren vorgen mann Sicheus/ der vom hertzen Sie liebte brünstiglich. Eneas minder nicht Bestürtzt ob diesen fall in milde zähren bricht Und folgt ihr weinend nach bejammrend ihre plagen Ihr leid und ungelück mit bitterhafften klagen: Hernach geht er des wegs/ den er beschritten/ fort: Sie hatten itzt das feld erlanget und den ort/ Da T
Das Sechſte Buch. Allein die Goͤttliche gewalt hat mich gezwungen/Und mittelſt ihrer macht genoͤthigt und gedrungen Zu ziehn an dieſen ort/ der voller ſchlamm und wuſt Bey dicker finſternuͤß ligt ohne liecht und luſt. Ich habe deſſen auch mich nicht vermuthen koͤnnen/ Daß meine reiſe dir haͤtt der geſtalt zu ſinnen Und hertzen ſollen gehn/ daß du in ſolche noth Soltſt kommen/ und dir ſelbſt an thun den bittern tod. Halt fuß! fuͤr wen wilſt du dich ſo entziehn zuruͤcke? Mein zuſpruch ruͤhret her von goͤttlichem geſchicke. Mit ſolcher ſanfften red bezwung er ihr gemuͤth/ Die ihn ſah ſtoͤrriſch an und unverſoͤhnte wuͤt In ihren augen trug. Doch kunt er ſie gewinnen/ Daß ſie ließ mildiglich die feuchten zaͤhren rinnen; Sie ſchlug zur erde hin ihr leidig angeſicht/ Und wolt ihn an zuſehn erkennen wuͤrdig nicht; Sie bliebe/ was er nur mocht ſagen/ unbeweget/ Nicht anders/ als wenn ſich ein harter felß nicht reget Wenn er von wellen wird beſtuͤrmet grimmiglich/ Daß alles knallt und kracht. Zuletzt erhub ſie ſich. Mit grimm in finſtern wald/ da ſie in gleichen ſchmertzen Fand ihren vorgen mann Sicheus/ der vom hertzen Sie liebte bruͤnſtiglich. Eneas minder nicht Beſtuͤrtzt ob dieſen fall in milde zaͤhren bricht Und folgt ihr weinend nach bejammrend ihre plagen Ihr leid und ungeluͤck mit bitterhafften klagen: Hernach geht er des wegs/ den er beſchritten/ fort: Sie hatten itzt das feld erlanget und den ort/ Da T
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0311" n="289"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#fr">Das Sechſte Buch.</hi> </fw><lb/> <l>Allein die Goͤttliche gewalt hat mich gezwungen/</l><lb/> <l>Und mittelſt ihrer macht genoͤthigt und gedrungen</l><lb/> <l>Zu ziehn an dieſen ort/ der voller ſchlamm und wuſt</l><lb/> <l>Bey dicker finſternuͤß ligt ohne liecht und luſt.</l><lb/> <l>Ich habe deſſen auch mich nicht vermuthen koͤnnen/</l><lb/> <l>Daß meine reiſe dir haͤtt der geſtalt zu ſinnen</l><lb/> <l>Und hertzen ſollen gehn/ daß du in ſolche noth</l><lb/> <l>Soltſt kommen/ und dir ſelbſt an thun den bittern tod.</l><lb/> <l>Halt fuß<hi rendition="#i">!</hi> fuͤr wen wilſt du dich ſo entziehn zuruͤcke?</l><lb/> <l>Mein zuſpruch ruͤhret her von goͤttlichem geſchicke.</l><lb/> <l>Mit ſolcher ſanfften red bezwung er ihr gemuͤth/</l><lb/> <l>Die ihn ſah ſtoͤrriſch an und unverſoͤhnte wuͤt</l><lb/> <l>In ihren augen trug. Doch kunt er ſie gewinnen/</l><lb/> <l>Daß ſie ließ mildiglich die feuchten zaͤhren rinnen<hi rendition="#i">;</hi></l><lb/> <l>Sie ſchlug zur erde hin ihr leidig angeſicht/</l><lb/> <l>Und wolt ihn an zuſehn erkennen wuͤrdig nicht<hi rendition="#i">;</hi></l><lb/> <l>Sie bliebe/ was er nur mocht ſagen/ unbeweget/</l><lb/> <l>Nicht anders/ als wenn ſich ein harter felß nicht reget</l><lb/> <l>Wenn er von wellen wird beſtuͤrmet grimmiglich/</l><lb/> <l>Daß alles knallt und kracht. Zuletzt erhub ſie ſich.</l><lb/> <l>Mit grimm in finſtern wald/ da ſie in gleichen ſchmertzen</l><lb/> <l>Fand ihren vorgen mann Sicheus/ der vom hertzen</l><lb/> <l>Sie liebte bruͤnſtiglich. <hi rendition="#fr">E</hi>neas minder nicht</l><lb/> <l>Beſtuͤrtzt ob dieſen fall in milde zaͤhren bricht</l><lb/> <l>Und folgt ihr weinend nach bejammrend ihre plagen</l><lb/> <l>Ihr leid und ungeluͤck mit bitterhafften klagen:</l><lb/> <l>Hernach geht er des wegs/ den er beſchritten/ fort:</l><lb/> <l>Sie hatten itzt das feld erlanget und den ort/</l><lb/> <fw place="bottom" type="sig">T</fw> <fw place="bottom" type="catch">Da</fw><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [289/0311]
Das Sechſte Buch.
Allein die Goͤttliche gewalt hat mich gezwungen/
Und mittelſt ihrer macht genoͤthigt und gedrungen
Zu ziehn an dieſen ort/ der voller ſchlamm und wuſt
Bey dicker finſternuͤß ligt ohne liecht und luſt.
Ich habe deſſen auch mich nicht vermuthen koͤnnen/
Daß meine reiſe dir haͤtt der geſtalt zu ſinnen
Und hertzen ſollen gehn/ daß du in ſolche noth
Soltſt kommen/ und dir ſelbſt an thun den bittern tod.
Halt fuß! fuͤr wen wilſt du dich ſo entziehn zuruͤcke?
Mein zuſpruch ruͤhret her von goͤttlichem geſchicke.
Mit ſolcher ſanfften red bezwung er ihr gemuͤth/
Die ihn ſah ſtoͤrriſch an und unverſoͤhnte wuͤt
In ihren augen trug. Doch kunt er ſie gewinnen/
Daß ſie ließ mildiglich die feuchten zaͤhren rinnen;
Sie ſchlug zur erde hin ihr leidig angeſicht/
Und wolt ihn an zuſehn erkennen wuͤrdig nicht;
Sie bliebe/ was er nur mocht ſagen/ unbeweget/
Nicht anders/ als wenn ſich ein harter felß nicht reget
Wenn er von wellen wird beſtuͤrmet grimmiglich/
Daß alles knallt und kracht. Zuletzt erhub ſie ſich.
Mit grimm in finſtern wald/ da ſie in gleichen ſchmertzen
Fand ihren vorgen mann Sicheus/ der vom hertzen
Sie liebte bruͤnſtiglich. Eneas minder nicht
Beſtuͤrtzt ob dieſen fall in milde zaͤhren bricht
Und folgt ihr weinend nach bejammrend ihre plagen
Ihr leid und ungeluͤck mit bitterhafften klagen:
Hernach geht er des wegs/ den er beſchritten/ fort:
Sie hatten itzt das feld erlanget und den ort/
Da
T
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |