Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vergilius Maro, Publius: Eigentlicher Abriß Eines verständigen/ tapfferen und frommen Fürsten/ Von dem fürtrefflichsten Poeten Virgilius. Cölln (Spree), 1668.

Bild:
<< vorherige Seite
Das Sechste Buch.
Zu lösen nehmen an umb ihren tod und leben.
Hingegen aber sah man Creta stehen eben
Und eigentlich gebildt/ erhabner als das meer/
Und wo der Minotaur/ der ochs/ ist kommen her/
Der mitten in dem kreyß des irregartens stunde/
Aus welchem keiner sich entwircken endlich kunte;
Allein der Daedalus/ ein mann von hoher kunst
Und meister dieses wercks bewogen durch die brunst
Der Ariadnen/ die sie Theseus hertzlich truge
Und sich mit liebenden gedancken immer schluge/
Zeigt ihr die griffe drauff/ wies müste seyn gethan/
Wenn sie wolt kehren frey von dieser irrebahn
Zu rücke wiederumb ohn fährligkeit und schaden;
Und gab ihr in die hand zu führen einen faden/
Durch dessen hülffe ging sie in die läng und quer
Krumm/ zwerch/ gerad und kam zurücke wieder her.
Du würdest/ Icarus/ auch eine stelle haben/
Dein vater würde dich auch haben eingegraben
Und abgebildet schön/ wenn nicht der grosse schmertz
Gantz eingenommen hätt das väterliche hertz.
Er unterstund sich zwier den unfall für zustellen/
Da Icarus sein sohn gestürtzet in die wellen
Des meers aus hoher lufft. zwier sunck ihm hin die hand/
Weil ihm die krafft verließ/ sein sinnen und verstand.
Sie hätten alles noch genauer wahrgenommen/
Wenn nicht Achat voran geschicket wäre kommen/
Wie auch Deiphobe Sibylla sonst genand/
Die als prophetin war und priesterin bekand/
Des
R 3
Das Sechſte Buch.
Zu loͤſen nehmen an umb ihren tod und leben.
Hingegen aber ſah man Creta ſtehen eben
Und eigentlich gebildt/ erhabner als das meer/
Und wo der Minotaur/ der ochs/ iſt kommen her/
Der mitten in dem kreyß des irregartens ſtunde/
Aus welchem keiner ſich entwircken endlich kunte;
Allein der Daedalus/ ein mann von hoher kunſt
Und meiſter dieſes wercks bewogen durch die brunſt
Der Ariadnen/ die ſie Theſeus hertzlich truge
Und ſich mit liebenden gedancken immer ſchluge/
Zeigt ihr die griffe drauff/ wies muͤſte ſeyn gethan/
Wenn ſie wolt kehren frey von dieſer irrebahn
Zu ruͤcke wiederumb ohn faͤhrligkeit und ſchaden;
Und gab ihr in die hand zu fuͤhren einen faden/
Durch deſſen huͤlffe ging ſie in die laͤng und quer
Krumm/ zwerch/ gerad und kam zuruͤcke wieder her.
Du wuͤrdeſt/ Icarus/ auch eine ſtelle haben/
Dein vater wuͤrde dich auch haben eingegraben
Und abgebildet ſchoͤn/ wenn nicht der groſſe ſchmertz
Gantz eingenommen haͤtt das vaͤterliche hertz.
Er unterſtund ſich zwier den unfall fuͤr zuſtellen/
Da Icarus ſein ſohn geſtuͤrtzet in die wellen
Des meers aus hoher lufft. zwier ſunck ihm hin die hand/
Weil ihm die krafft verließ/ ſein ſinnen und verſtand.
Sie haͤtten alles noch genauer wahrgenommen/
Wenn nicht Achat voran geſchicket waͤre kommen/
Wie auch Deiphobe Sibylla ſonſt genand/
Die als prophetin war und prieſterin bekand/
Des
R 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0283" n="261"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#fr">Das Sech&#x017F;te Buch.</hi> </fw><lb/>
          <l>Zu lo&#x0364;&#x017F;en nehmen an umb ihren tod und leben.</l><lb/>
          <l>Hingegen aber &#x017F;ah man Creta &#x017F;tehen eben</l><lb/>
          <l>Und eigentlich gebildt/ erhabner als das meer/</l><lb/>
          <l>Und wo der Minotaur/ der ochs/ i&#x017F;t kommen her/</l><lb/>
          <l>Der mitten in dem kreyß des irregartens &#x017F;tunde/</l><lb/>
          <l><hi rendition="#fr">A</hi>us welchem keiner &#x017F;ich entwircken endlich kunte<hi rendition="#i">;</hi></l><lb/>
          <l><hi rendition="#fr">A</hi>llein der Daedalus/ ein mann von hoher kun&#x017F;t</l><lb/>
          <l>Und mei&#x017F;ter die&#x017F;es wercks bewogen durch die brun&#x017F;t</l><lb/>
          <l>Der Ariadnen/ die &#x017F;ie The&#x017F;eus hertzlich truge</l><lb/>
          <l>Und &#x017F;ich mit liebenden gedancken immer &#x017F;chluge/</l><lb/>
          <l>Zeigt ihr die griffe drauff/ wies mu&#x0364;&#x017F;te &#x017F;eyn gethan/</l><lb/>
          <l>Wenn &#x017F;ie wolt kehren frey von die&#x017F;er irrebahn</l><lb/>
          <l>Zu ru&#x0364;cke wiederumb ohn fa&#x0364;hrligkeit und &#x017F;chaden;</l><lb/>
          <l>Und gab ihr in die hand zu fu&#x0364;hren einen faden/</l><lb/>
          <l>Durch de&#x017F;&#x017F;en hu&#x0364;lffe ging &#x017F;ie in die la&#x0364;ng und quer</l><lb/>
          <l>Krumm/ zwerch/ gerad und kam zuru&#x0364;cke wieder her.</l><lb/>
          <l>Du wu&#x0364;rde&#x017F;t/ Icarus/ auch eine &#x017F;telle haben/</l><lb/>
          <l>Dein vater wu&#x0364;rde dich auch haben eingegraben</l><lb/>
          <l>Und abgebildet &#x017F;cho&#x0364;n/ wenn nicht der gro&#x017F;&#x017F;e &#x017F;chmertz</l><lb/>
          <l>Gantz eingenommen ha&#x0364;tt das va&#x0364;terliche hertz.</l><lb/>
          <l>Er unter&#x017F;tund &#x017F;ich zwier den unfall fu&#x0364;r zu&#x017F;tellen/</l><lb/>
          <l><hi rendition="#fr">D</hi>a Icarus &#x017F;ein &#x017F;ohn ge&#x017F;tu&#x0364;rtzet in die wellen</l><lb/>
          <l>Des meers aus hoher lufft. zwier &#x017F;unck ihm hin die hand/</l><lb/>
          <l>Weil ihm die krafft verließ/ &#x017F;ein &#x017F;innen und ver&#x017F;tand.</l><lb/>
          <l>Sie ha&#x0364;tten alles noch genauer wahrgenommen/</l><lb/>
          <l>Wenn nicht Achat voran ge&#x017F;chicket wa&#x0364;re kommen/</l><lb/>
          <l>Wie auch Deiphobe Sibylla &#x017F;on&#x017F;t genand/</l><lb/>
          <l><hi rendition="#fr">D</hi>ie als prophetin war und prie&#x017F;terin bekand/</l><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">R 3</fw>
          <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">D</hi>es</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[261/0283] Das Sechſte Buch. Zu loͤſen nehmen an umb ihren tod und leben. Hingegen aber ſah man Creta ſtehen eben Und eigentlich gebildt/ erhabner als das meer/ Und wo der Minotaur/ der ochs/ iſt kommen her/ Der mitten in dem kreyß des irregartens ſtunde/ Aus welchem keiner ſich entwircken endlich kunte; Allein der Daedalus/ ein mann von hoher kunſt Und meiſter dieſes wercks bewogen durch die brunſt Der Ariadnen/ die ſie Theſeus hertzlich truge Und ſich mit liebenden gedancken immer ſchluge/ Zeigt ihr die griffe drauff/ wies muͤſte ſeyn gethan/ Wenn ſie wolt kehren frey von dieſer irrebahn Zu ruͤcke wiederumb ohn faͤhrligkeit und ſchaden; Und gab ihr in die hand zu fuͤhren einen faden/ Durch deſſen huͤlffe ging ſie in die laͤng und quer Krumm/ zwerch/ gerad und kam zuruͤcke wieder her. Du wuͤrdeſt/ Icarus/ auch eine ſtelle haben/ Dein vater wuͤrde dich auch haben eingegraben Und abgebildet ſchoͤn/ wenn nicht der groſſe ſchmertz Gantz eingenommen haͤtt das vaͤterliche hertz. Er unterſtund ſich zwier den unfall fuͤr zuſtellen/ Da Icarus ſein ſohn geſtuͤrtzet in die wellen Des meers aus hoher lufft. zwier ſunck ihm hin die hand/ Weil ihm die krafft verließ/ ſein ſinnen und verſtand. Sie haͤtten alles noch genauer wahrgenommen/ Wenn nicht Achat voran geſchicket waͤre kommen/ Wie auch Deiphobe Sibylla ſonſt genand/ Die als prophetin war und prieſterin bekand/ Des R 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/maro_abriss_1668
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/maro_abriss_1668/283
Zitationshilfe: Vergilius Maro, Publius: Eigentlicher Abriß Eines verständigen/ tapfferen und frommen Fürsten/ Von dem fürtrefflichsten Poeten Virgilius. Cölln (Spree), 1668, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/maro_abriss_1668/283>, abgerufen am 28.11.2024.