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Vergilius Maro, Publius: Eigentlicher Abriß Eines verständigen/ tapfferen und frommen Fürsten/ Von dem fürtrefflichsten Poeten Virgilius. Cölln (Spree), 1668.

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Das Fünffte Buch.
Sie suchte viel herfür und hatte noch im hertzen/
Den sie noch nicht gestillt/ den alten groll und schmertzen.
Die Iris floge schnell auff ihrem bogen ab/
Der vieler farben schein mit schönem glantze gab.
Sie kommet plötzlich an und läßt sich keinem sehen/
Besichtiget den port und sieht viel völcker stehen
Und lauffen zu dem grab/ und wird hiernebst gewahr/
Das ihre schiffe stehn an port verlassen gar.
Es stunden noch allein von fern Trojanerinnen
Am ufer/ welche sich mit kläglichem beginnen
Gehuben umb den tod Anchisens/ weinten sehr/
Und sahen allesampt hin in das tieffe meer.
Sie schrien überlaut aus einem mund mit zagen:
Ach! sollen wir uns noch durch so viel meere tragen/
Die wir sind matt und müd? Ist dahin noch so weit?
Ihr wuntsch ist eine stadt/ da sie die liebe zeit
Verbringen ruhsamlich; Sie lassen sich das leben
Zur see verdrießlich seyn/ und mögen nicht mehr schweben
In tödlicher gefahr in ängsten und beschwer.
Die Iris hebt sich nun zu ihnen an das meer/
Und läßt sich mitten ein zu ihnen/ die beladen
Mit vielen kummer sind/ hat noch die kunst zu schaden
Vergessen nicht/ legt ab ihr Göttliches gesicht
Wie auch das lichte kleid/ daß man sie kenne nicht/
Uud nimmt an die gestalt/ die Beroe sonst hatte
Ein abgelebtes weib/ des Doryclis sein gatte/
Der weyland ohne stamm und kind mit tod abgieng;
Bey diesen weiberchen die Iris so anfing;
O ar-
Das Fuͤnffte Buch.
Sie ſuchte viel herfuͤr und hatte noch im hertzen/
Den ſie noch nicht geſtillt/ den alten groll und ſchmertzẽ.
Die Iris floge ſchnell auff ihrem bogen ab/
Der vieler farben ſchein mit ſchoͤnem glantze gab.
Sie kommet ploͤtzlich an und laͤßt ſich keinem ſehen/
Beſichtiget den port und ſieht viel voͤlcker ſtehen
Und lauffen zu dem grab/ und wird hiernebſt gewahr/
Das ihre ſchiffe ſtehn an port verlaſſen gar.
Es ſtunden noch allein von fern Trojanerinnen
Am ufer/ welche ſich mit klaͤglichem beginnen
Gehuben umb den tod Anchiſens/ weinten ſehr/
Und ſahen alleſampt hin in das tieffe meer.
Sie ſchrien uͤberlaut aus einem mund mit zagen:
Ach! ſollen wir uns noch durch ſo viel meere tragen/
Die wir ſind matt und muͤd? Iſt dahin noch ſo weit?
Ihr wuntſch iſt eine ſtadt/ da ſie die liebe zeit
Verbringen ruhſamlich; Sie laſſen ſich das leben
Zur ſee verdrießlich ſeyn/ und moͤgen nicht mehr ſchwebẽ
In toͤdlicher gefahr in aͤngſten und beſchwer.
Die Iris hebt ſich nun zu ihnen an das meer/
Und laͤßt ſich mitten ein zu ihnen/ die beladen
Mit vielen kummer ſind/ hat noch die kunſt zu ſchaden
Vergeſſen nicht/ legt ab ihr Goͤttliches geſicht
Wie auch das lichte kleid/ daß man ſie kenne nicht/
Uud nimmt an die geſtalt/ die Beroe ſonſt hatte
Ein abgelebtes weib/ des Doryclis ſein gatte/
Der weyland ohne ſtamm und kind mit tod abgieng;
Bey dieſen weiberchen die Iris ſo anfing;
O ar-
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[242/0264] Das Fuͤnffte Buch. Sie ſuchte viel herfuͤr und hatte noch im hertzen/ Den ſie noch nicht geſtillt/ den alten groll und ſchmertzẽ. Die Iris floge ſchnell auff ihrem bogen ab/ Der vieler farben ſchein mit ſchoͤnem glantze gab. Sie kommet ploͤtzlich an und laͤßt ſich keinem ſehen/ Beſichtiget den port und ſieht viel voͤlcker ſtehen Und lauffen zu dem grab/ und wird hiernebſt gewahr/ Das ihre ſchiffe ſtehn an port verlaſſen gar. Es ſtunden noch allein von fern Trojanerinnen Am ufer/ welche ſich mit klaͤglichem beginnen Gehuben umb den tod Anchiſens/ weinten ſehr/ Und ſahen alleſampt hin in das tieffe meer. Sie ſchrien uͤberlaut aus einem mund mit zagen: Ach! ſollen wir uns noch durch ſo viel meere tragen/ Die wir ſind matt und muͤd? Iſt dahin noch ſo weit? Ihr wuntſch iſt eine ſtadt/ da ſie die liebe zeit Verbringen ruhſamlich; Sie laſſen ſich das leben Zur ſee verdrießlich ſeyn/ und moͤgen nicht mehr ſchwebẽ In toͤdlicher gefahr in aͤngſten und beſchwer. Die Iris hebt ſich nun zu ihnen an das meer/ Und laͤßt ſich mitten ein zu ihnen/ die beladen Mit vielen kummer ſind/ hat noch die kunſt zu ſchaden Vergeſſen nicht/ legt ab ihr Goͤttliches geſicht Wie auch das lichte kleid/ daß man ſie kenne nicht/ Uud nimmt an die geſtalt/ die Beroe ſonſt hatte Ein abgelebtes weib/ des Doryclis ſein gatte/ Der weyland ohne ſtamm und kind mit tod abgieng; Bey dieſen weiberchen die Iris ſo anfing; O ar-

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Zitationshilfe: Vergilius Maro, Publius: Eigentlicher Abriß Eines verständigen/ tapfferen und frommen Fürsten/ Von dem fürtrefflichsten Poeten Virgilius. Cölln (Spree), 1668, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/maro_abriss_1668/264>, abgerufen am 24.11.2024.