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Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788.

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Das kränkelnde und schwächliche Mädchen.

Ferne sey es von mir, den Wink zu verkennen,
welchen du mir durch das Gefühl meiner körperlichen
Schwäche und Hinfälligkeit geben willst; den Wink,
daß ich vielleicht früher als andere meine irrdische Lauf-
bahn vollenden werde. -- Dein guter und heiliger
Wille geschehe, o Gott. Mag auch die Zeit meines
Aufenthalts auf dieser Erde nur kurz seyn, mag ich
nur noch wenige Jahre zu zählen haben; auch
auf diesen Fall will ich mich vorbereiten. Ich
will so denken und handeln, so für meinen Ver-
stand und für mein Herz sorgen, daß ich täg-
lich vernünftiger und tugendhafter und der Beschäffti-
gungen und Freuden jenes höhern Lebens immer fähi-
ger werde. Ich will frühzeitig alles Gute lieben,
mir einen festen, entschiedenen Geschmack am Recht-
und Wohlthun erwerben, und dann versichert seyn,
daß es mir bey solchen Gesinnungen und Empfindun-
gen nie an Freude und Glückseligkeit fehlen kann und
wird. Gebietest du bald über mich, so war es dann
offenbar dein Wille, daß ich nicht lange, sondern
gut leben sollte. Verlängerst du meine Jahre, so
will ich dir auch dafür danken, und jeden neuen Tag
zu deinem Lobe und zu meiner Vervollkommnung an-
wenden. Amen.



XIII.
Das kränkelnde und ſchwächliche Mädchen.

Ferne ſey es von mir, den Wink zu verkennen,
welchen du mir durch das Gefühl meiner körperlichen
Schwäche und Hinfälligkeit geben willſt; den Wink,
daß ich vielleicht früher als andere meine irrdiſche Lauf-
bahn vollenden werde. — Dein guter und heiliger
Wille geſchehe, o Gott. Mag auch die Zeit meines
Aufenthalts auf dieſer Erde nur kurz ſeyn, mag ich
nur noch wenige Jahre zu zählen haben; auch
auf dieſen Fall will ich mich vorbereiten. Ich
will ſo denken und handeln, ſo für meinen Ver-
ſtand und für mein Herz ſorgen, daß ich täg-
lich vernünftiger und tugendhafter und der Beſchäffti-
gungen und Freuden jenes höhern Lebens immer fähi-
ger werde. Ich will frühzeitig alles Gute lieben,
mir einen feſten, entſchiedenen Geſchmack am Recht-
und Wohlthun erwerben, und dann verſichert ſeyn,
daß es mir bey ſolchen Geſinnungen und Empfindun-
gen nie an Freude und Glückſeligkeit fehlen kann und
wird. Gebieteſt du bald über mich, ſo war es dann
offenbar dein Wille, daß ich nicht lange, ſondern
gut leben ſollte. Verlängerſt du meine Jahre, ſo
will ich dir auch dafür danken, und jeden neuen Tag
zu deinem Lobe und zu meiner Vervollkommnung an-
wenden. Amen.



XIII.
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[64/0076] Das kränkelnde und ſchwächliche Mädchen. Ferne ſey es von mir, den Wink zu verkennen, welchen du mir durch das Gefühl meiner körperlichen Schwäche und Hinfälligkeit geben willſt; den Wink, daß ich vielleicht früher als andere meine irrdiſche Lauf- bahn vollenden werde. — Dein guter und heiliger Wille geſchehe, o Gott. Mag auch die Zeit meines Aufenthalts auf dieſer Erde nur kurz ſeyn, mag ich nur noch wenige Jahre zu zählen haben; auch auf dieſen Fall will ich mich vorbereiten. Ich will ſo denken und handeln, ſo für meinen Ver- ſtand und für mein Herz ſorgen, daß ich täg- lich vernünftiger und tugendhafter und der Beſchäffti- gungen und Freuden jenes höhern Lebens immer fähi- ger werde. Ich will frühzeitig alles Gute lieben, mir einen feſten, entſchiedenen Geſchmack am Recht- und Wohlthun erwerben, und dann verſichert ſeyn, daß es mir bey ſolchen Geſinnungen und Empfindun- gen nie an Freude und Glückſeligkeit fehlen kann und wird. Gebieteſt du bald über mich, ſo war es dann offenbar dein Wille, daß ich nicht lange, ſondern gut leben ſollte. Verlängerſt du meine Jahre, ſo will ich dir auch dafür danken, und jeden neuen Tag zu deinem Lobe und zu meiner Vervollkommnung an- wenden. Amen. XIII.

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Zitationshilfe: Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/76>, abgerufen am 26.11.2024.