Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite

Entschluß, wahrhaft fromm zu seyn.
als den Vater so unzählicher, höherer und niederer
Geschöpfe denken kann: desto ehrerbietiger will ich
schon itzt deine Vorsehung anbeten und verehren. Ich
will mir es schon in der Jugend zur Pflicht machen,
alle meine kleinen Begebenheiten, Schicksale und Ver-
änderungen, die ich erfahre, auf dich zurück zu füh-
ren, sie als deine Anordnung zu betrachten, und mich
in deiner Weisheit und Güte zu beruhigen, wenn
nicht alle meine Wünsche und Hofnungen erfüllt wer-
den können. Ich will mich schämen, unter so vielen
vergnügten Geschöpfen auf der Erde unzufrieden zu
seyn. Ich will es voritzt, bis ich es künftig selbst
einsehe, ältern und verständigern Personen glauben,
daß alles, was du willst und thust und zulässest, gut
und nützlich ist, daß alles Unglück, alle Uebel, die
mich und andere betreffen, kein wahres Unglück, kei-
ne wahren Uebel sind, daß unter deiner Aufsicht und
Leitung lauter Gutes befördert wird, daß auch
Schmerz und Krankheit und Verlust und Mangel und
alle Leiden dazu dienen, die Menschen, deine vernünf-
tigen Geschöpfe, weiser, tugendhafter, vollkommner,
glückseliger zu machen.

Höre ich es aus dem Munde deines Sohnes
Jesu, daß ich meinen Nächsten wie mich selbst lieben
soll, daß der, welcher seinen Bruder, den er siehet
und mit welchem er umgehet, nicht liebet, auch dich,
den Unsichtbaren, nicht lieben kann: o so will ich
mein Herz einer allgemeinen und uneingeschränkten
Menschenliebe öffnen; so will ich gegen alle, als ge-
gen meine Brüder und Schwestern, Zuneigung und

Wohl-

Entſchluß, wahrhaft fromm zu ſeyn.
als den Vater ſo unzählicher, höherer und niederer
Geſchöpfe denken kann: deſto ehrerbietiger will ich
ſchon itzt deine Vorſehung anbeten und verehren. Ich
will mir es ſchon in der Jugend zur Pflicht machen,
alle meine kleinen Begebenheiten, Schickſale und Ver-
änderungen, die ich erfahre, auf dich zurück zu füh-
ren, ſie als deine Anordnung zu betrachten, und mich
in deiner Weisheit und Güte zu beruhigen, wenn
nicht alle meine Wünſche und Hofnungen erfüllt wer-
den können. Ich will mich ſchämen, unter ſo vielen
vergnügten Geſchöpfen auf der Erde unzufrieden zu
ſeyn. Ich will es voritzt, bis ich es künftig ſelbſt
einſehe, ältern und verſtändigern Perſonen glauben,
daß alles, was du willſt und thuſt und zuläſſeſt, gut
und nützlich iſt, daß alles Unglück, alle Uebel, die
mich und andere betreffen, kein wahres Unglück, kei-
ne wahren Uebel ſind, daß unter deiner Aufſicht und
Leitung lauter Gutes befördert wird, daß auch
Schmerz und Krankheit und Verluſt und Mangel und
alle Leiden dazu dienen, die Menſchen, deine vernünf-
tigen Geſchöpfe, weiſer, tugendhafter, vollkommner,
glückſeliger zu machen.

Höre ich es aus dem Munde deines Sohnes
Jeſu, daß ich meinen Nächſten wie mich ſelbſt lieben
ſoll, daß der, welcher ſeinen Bruder, den er ſiehet
und mit welchem er umgehet, nicht liebet, auch dich,
den Unſichtbaren, nicht lieben kann: o ſo will ich
mein Herz einer allgemeinen und uneingeſchränkten
Menſchenliebe öffnen; ſo will ich gegen alle, als ge-
gen meine Brüder und Schweſtern, Zuneigung und

Wohl-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <p><pb facs="#f0038" n="26"/><fw place="top" type="header">Ent&#x017F;chluß, wahrhaft fromm zu &#x017F;eyn.</fw><lb/>
als den Vater &#x017F;o unzählicher, höherer und niederer<lb/>
Ge&#x017F;chöpfe denken kann: de&#x017F;to ehrerbietiger will ich<lb/>
&#x017F;chon itzt deine Vor&#x017F;ehung anbeten und verehren. Ich<lb/>
will mir es &#x017F;chon in der Jugend zur Pflicht machen,<lb/>
alle meine kleinen Begebenheiten, Schick&#x017F;ale und Ver-<lb/>
änderungen, die ich erfahre, auf dich zurück zu füh-<lb/>
ren, &#x017F;ie als deine Anordnung zu betrachten, und mich<lb/>
in deiner Weisheit und Güte zu beruhigen, wenn<lb/>
nicht alle meine Wün&#x017F;che und Hofnungen erfüllt wer-<lb/>
den können. Ich will mich &#x017F;chämen, unter &#x017F;o vielen<lb/>
vergnügten Ge&#x017F;chöpfen auf der Erde unzufrieden zu<lb/>
&#x017F;eyn. Ich will es voritzt, bis ich es künftig &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
ein&#x017F;ehe, ältern und ver&#x017F;tändigern Per&#x017F;onen glauben,<lb/>
daß alles, was du will&#x017F;t und thu&#x017F;t und zulä&#x017F;&#x017F;e&#x017F;t, gut<lb/>
und nützlich i&#x017F;t, daß alles Unglück, alle Uebel, die<lb/>
mich und andere betreffen, kein wahres Unglück, kei-<lb/>
ne wahren Uebel &#x017F;ind, daß unter deiner Auf&#x017F;icht und<lb/>
Leitung lauter Gutes befördert wird, daß auch<lb/>
Schmerz und Krankheit und Verlu&#x017F;t und Mangel und<lb/>
alle Leiden dazu dienen, die Men&#x017F;chen, deine vernünf-<lb/>
tigen Ge&#x017F;chöpfe, wei&#x017F;er, tugendhafter, vollkommner,<lb/>
glück&#x017F;eliger zu machen.</p><lb/>
        <p>Höre ich es aus dem Munde deines Sohnes<lb/>
Je&#x017F;u, daß ich meinen Näch&#x017F;ten wie mich &#x017F;elb&#x017F;t lieben<lb/>
&#x017F;oll, daß der, welcher &#x017F;einen Bruder, den er &#x017F;iehet<lb/>
und mit welchem er umgehet, nicht liebet, auch dich,<lb/>
den Un&#x017F;ichtbaren, nicht lieben kann: o &#x017F;o will ich<lb/>
mein Herz einer allgemeinen und uneinge&#x017F;chränkten<lb/>
Men&#x017F;chenliebe öffnen; &#x017F;o will ich gegen alle, als ge-<lb/>
gen meine Brüder und Schwe&#x017F;tern, Zuneigung und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Wohl-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[26/0038] Entſchluß, wahrhaft fromm zu ſeyn. als den Vater ſo unzählicher, höherer und niederer Geſchöpfe denken kann: deſto ehrerbietiger will ich ſchon itzt deine Vorſehung anbeten und verehren. Ich will mir es ſchon in der Jugend zur Pflicht machen, alle meine kleinen Begebenheiten, Schickſale und Ver- änderungen, die ich erfahre, auf dich zurück zu füh- ren, ſie als deine Anordnung zu betrachten, und mich in deiner Weisheit und Güte zu beruhigen, wenn nicht alle meine Wünſche und Hofnungen erfüllt wer- den können. Ich will mich ſchämen, unter ſo vielen vergnügten Geſchöpfen auf der Erde unzufrieden zu ſeyn. Ich will es voritzt, bis ich es künftig ſelbſt einſehe, ältern und verſtändigern Perſonen glauben, daß alles, was du willſt und thuſt und zuläſſeſt, gut und nützlich iſt, daß alles Unglück, alle Uebel, die mich und andere betreffen, kein wahres Unglück, kei- ne wahren Uebel ſind, daß unter deiner Aufſicht und Leitung lauter Gutes befördert wird, daß auch Schmerz und Krankheit und Verluſt und Mangel und alle Leiden dazu dienen, die Menſchen, deine vernünf- tigen Geſchöpfe, weiſer, tugendhafter, vollkommner, glückſeliger zu machen. Höre ich es aus dem Munde deines Sohnes Jeſu, daß ich meinen Nächſten wie mich ſelbſt lieben ſoll, daß der, welcher ſeinen Bruder, den er ſiehet und mit welchem er umgehet, nicht liebet, auch dich, den Unſichtbaren, nicht lieben kann: o ſo will ich mein Herz einer allgemeinen und uneingeſchränkten Menſchenliebe öffnen; ſo will ich gegen alle, als ge- gen meine Brüder und Schweſtern, Zuneigung und Wohl-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/38
Zitationshilfe: Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/38>, abgerufen am 24.11.2024.