Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite

Trostgründe und Aussichten derselben.
sich mir jenseits des Grabes öffnen, sind zu schön und
zu hoffnungsvoll, als daß ich nicht oft in dieselben hin-
einsehen sollte. Die Trostgründe, die sich |mir in
Absicht meines schwachen und siechen Körpers darbieten,
sind zu stark und zu rührend, als daß ich ihnen nicht
mit aller Aufmerksamkeit nachdenken sollte.

Bald, o Gott, bald wird dieser mein hinfälliger
und kränklicher Körper zur Ruhe kommen; bald wird
mich der Tod von demselben entfesseln; bald wird er
dahin zurückkehren, wovon er genommen ist. Dann
bin ich ganz und auf einmal von dem unangenehmen
Gefühle des Schmerzes und der Schwachheit befreyet.
Dann werde ich von allen drückenden und beschwerli-
chen Bürden entlastet, die ich itzt als ein sinnliches
und irrdisches Geschöpf tragen muß. O bis dahin
will ich mich mit Geduld und Standhaftigkeit waffnen.
Bis dahin will ich den rauhen, mit mannichfaltigen
Anstößen für mich besetzten Weg, den du mich noch
gehen heißt, mit frohem Muthe und mit christlicher
Heiterkeit verfolgen. Jch will in meinem Laufe nach
dem Ziele nicht ermüden und mir dieses so oft in seiner
Größe und Erhabenheit vergegenwärtigen, als ich Er-
munterung und Antrieb zum Dulden und Ausharren
nöthig habe.

Bald, o Gott, bald wird sich mein Geist, mein
unsterblicher, großer Dinge fähiger Geist zu einer
ausgebreitetern und freyern Thätigkeit erheben. Jtzt
drücket ihn oft mein irrdischer, reizbarer Körper, itzt
drücken ihn Sinnlichkeit und Sorgen zur Erde nieder.

Jtzt

Troſtgründe und Ausſichten derſelben.
ſich mir jenſeits des Grabes öffnen, ſind zu ſchön und
zu hoffnungsvoll, als daß ich nicht oft in dieſelben hin-
einſehen ſollte. Die Troſtgründe, die ſich |mir in
Abſicht meines ſchwachen und ſiechen Körpers darbieten,
ſind zu ſtark und zu rührend, als daß ich ihnen nicht
mit aller Aufmerkſamkeit nachdenken ſollte.

Bald, o Gott, bald wird dieſer mein hinfälliger
und kränklicher Körper zur Ruhe kommen; bald wird
mich der Tod von demſelben entfeſſeln; bald wird er
dahin zurückkehren, wovon er genommen iſt. Dann
bin ich ganz und auf einmal von dem unangenehmen
Gefühle des Schmerzes und der Schwachheit befreyet.
Dann werde ich von allen drückenden und beſchwerli-
chen Bürden entlaſtet, die ich itzt als ein ſinnliches
und irrdiſches Geſchöpf tragen muß. O bis dahin
will ich mich mit Geduld und Standhaftigkeit waffnen.
Bis dahin will ich den rauhen, mit mannichfaltigen
Anſtößen für mich beſetzten Weg, den du mich noch
gehen heißt, mit frohem Muthe und mit chriſtlicher
Heiterkeit verfolgen. Jch will in meinem Laufe nach
dem Ziele nicht ermüden und mir dieſes ſo oft in ſeiner
Größe und Erhabenheit vergegenwärtigen, als ich Er-
munterung und Antrieb zum Dulden und Ausharren
nöthig habe.

Bald, o Gott, bald wird ſich mein Geiſt, mein
unſterblicher, großer Dinge fähiger Geiſt zu einer
ausgebreitetern und freyern Thätigkeit erheben. Jtzt
drücket ihn oft mein irrdiſcher, reizbarer Körper, itzt
drücken ihn Sinnlichkeit und Sorgen zur Erde nieder.

Jtzt
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0373" n="361"/><fw place="top" type="header">Tro&#x017F;tgründe und Aus&#x017F;ichten der&#x017F;elben.</fw><lb/>
&#x017F;ich mir jen&#x017F;eits des Grabes öffnen, &#x017F;ind zu &#x017F;chön und<lb/>
zu hoffnungsvoll, als daß ich nicht oft in die&#x017F;elben hin-<lb/>
ein&#x017F;ehen &#x017F;ollte. Die Tro&#x017F;tgründe, die &#x017F;ich |mir in<lb/>
Ab&#x017F;icht meines &#x017F;chwachen und &#x017F;iechen Körpers darbieten,<lb/>
&#x017F;ind zu &#x017F;tark und zu rührend, als daß ich ihnen nicht<lb/>
mit aller Aufmerk&#x017F;amkeit nachdenken &#x017F;ollte.</p><lb/>
          <p>Bald, o Gott, bald wird die&#x017F;er mein hinfälliger<lb/>
und kränklicher Körper zur Ruhe kommen; bald wird<lb/>
mich der Tod von dem&#x017F;elben entfe&#x017F;&#x017F;eln; bald wird er<lb/>
dahin zurückkehren, wovon er genommen i&#x017F;t. Dann<lb/>
bin ich ganz und auf einmal von dem unangenehmen<lb/>
Gefühle des Schmerzes und der Schwachheit befreyet.<lb/>
Dann werde ich von allen drückenden und be&#x017F;chwerli-<lb/>
chen Bürden entla&#x017F;tet, die ich itzt als ein &#x017F;innliches<lb/>
und irrdi&#x017F;ches Ge&#x017F;chöpf tragen muß. O bis dahin<lb/>
will ich mich mit Geduld und Standhaftigkeit waffnen.<lb/>
Bis dahin will ich den rauhen, mit mannichfaltigen<lb/>
An&#x017F;tößen für mich be&#x017F;etzten Weg, den du mich noch<lb/>
gehen heißt, mit frohem Muthe und mit chri&#x017F;tlicher<lb/>
Heiterkeit verfolgen. Jch will in meinem Laufe nach<lb/>
dem Ziele nicht ermüden und mir die&#x017F;es &#x017F;o oft in &#x017F;einer<lb/>
Größe und Erhabenheit vergegenwärtigen, als ich Er-<lb/>
munterung und Antrieb zum Dulden und Ausharren<lb/>
nöthig habe.</p><lb/>
          <p>Bald, o Gott, bald wird &#x017F;ich mein Gei&#x017F;t, mein<lb/>
un&#x017F;terblicher, großer Dinge fähiger Gei&#x017F;t zu einer<lb/>
ausgebreitetern und freyern Thätigkeit erheben. Jtzt<lb/>
drücket ihn oft mein irrdi&#x017F;cher, reizbarer Körper, itzt<lb/>
drücken ihn Sinnlichkeit und Sorgen zur Erde nieder.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Jtzt</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[361/0373] Troſtgründe und Ausſichten derſelben. ſich mir jenſeits des Grabes öffnen, ſind zu ſchön und zu hoffnungsvoll, als daß ich nicht oft in dieſelben hin- einſehen ſollte. Die Troſtgründe, die ſich |mir in Abſicht meines ſchwachen und ſiechen Körpers darbieten, ſind zu ſtark und zu rührend, als daß ich ihnen nicht mit aller Aufmerkſamkeit nachdenken ſollte. Bald, o Gott, bald wird dieſer mein hinfälliger und kränklicher Körper zur Ruhe kommen; bald wird mich der Tod von demſelben entfeſſeln; bald wird er dahin zurückkehren, wovon er genommen iſt. Dann bin ich ganz und auf einmal von dem unangenehmen Gefühle des Schmerzes und der Schwachheit befreyet. Dann werde ich von allen drückenden und beſchwerli- chen Bürden entlaſtet, die ich itzt als ein ſinnliches und irrdiſches Geſchöpf tragen muß. O bis dahin will ich mich mit Geduld und Standhaftigkeit waffnen. Bis dahin will ich den rauhen, mit mannichfaltigen Anſtößen für mich beſetzten Weg, den du mich noch gehen heißt, mit frohem Muthe und mit chriſtlicher Heiterkeit verfolgen. Jch will in meinem Laufe nach dem Ziele nicht ermüden und mir dieſes ſo oft in ſeiner Größe und Erhabenheit vergegenwärtigen, als ich Er- munterung und Antrieb zum Dulden und Ausharren nöthig habe. Bald, o Gott, bald wird ſich mein Geiſt, mein unſterblicher, großer Dinge fähiger Geiſt zu einer ausgebreitetern und freyern Thätigkeit erheben. Jtzt drücket ihn oft mein irrdiſcher, reizbarer Körper, itzt drücken ihn Sinnlichkeit und Sorgen zur Erde nieder. Jtzt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/373
Zitationshilfe: Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/373>, abgerufen am 24.11.2024.