Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788.Die ältere Wittwe. den andern lieben, unterstützen und uns gegenseitigdas Leben versüßen sollen. Und welche Verhältnisse sind enger und fester in einander verschlungen als die Verhältnisse, in welchen Gatten gegen einander ste- hen! Welche Verbindung der Menschen unter einan- der ist inniger und angenehmer und eine Quelle grö- serer Freuden als die Verbindung des ehelichen und häuslichen Lebens! Welches Glück, welche Vergnü- gungen sind damit verbunden! Aber auch welcher Schmerz, wenn ein solches Band zerrissen und ein solches Verhältniß aufgehoben wird! Ja, o Gott, groß und empfindlich ist der Zwar
Die ältere Wittwe. den andern lieben, unterſtützen und uns gegenſeitigdas Leben verſüßen ſollen. Und welche Verhältniſſe ſind enger und feſter in einander verſchlungen als die Verhältniſſe, in welchen Gatten gegen einander ſte- hen! Welche Verbindung der Menſchen unter einan- der iſt inniger und angenehmer und eine Quelle grö- ſerer Freuden als die Verbindung des ehelichen und häuslichen Lebens! Welches Glück, welche Vergnü- gungen ſind damit verbunden! Aber auch welcher Schmerz, wenn ein ſolches Band zerriſſen und ein ſolches Verhältniß aufgehoben wird! Ja, o Gott, groß und empfindlich iſt der Zwar
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Die ältere Wittwe.
den andern lieben, unterſtützen und uns gegenſeitig
das Leben verſüßen ſollen. Und welche Verhältniſſe
ſind enger und feſter in einander verſchlungen als die
Verhältniſſe, in welchen Gatten gegen einander ſte-
hen! Welche Verbindung der Menſchen unter einan-
der iſt inniger und angenehmer und eine Quelle grö-
ſerer Freuden als die Verbindung des ehelichen und
häuslichen Lebens! Welches Glück, welche Vergnü-
gungen ſind damit verbunden! Aber auch welcher
Schmerz, wenn ein ſolches Band zerriſſen und ein
ſolches Verhältniß aufgehoben wird!
Ja, o Gott, groß und empfindlich iſt der
Schmerz, welchen ich in dieſer Rückſicht fühle; groß
und beklagenswürdig iſt der Verluſt, den ich erlitten
habe; mit kummervollen, noch nie gehabten Empfin-
dungen iſt der Tod meines Gatten für mich verbunden.
Unſere gegenſeitige, durch eine Reihe vieler Jahre
erprobte und treu befundene Liebe, unſer gemeinſchaft-
licher Genuß des Lebens und aller Veränderungen deſ-
ſelben, unſre gleichen Geſinnungen und Wünſche, die
uns immer zu einem einzigen Zwecke und auf gleiche
Weiſe handeln ließen, dieß alles erhöhet und verſtär-
ket itzt das traurige Gefühl deſſen, was ich verloren
habe. Aber der Gedanke an dich und die feſte Ueber-
zeugung von der Wohlthätigkeit aller deiner Schickun-
gen und Abſichten, die Rückſicht auf das Vergangene
und die Betrachtung der Nothwendigkeit deſſen, was
nun erfolgt iſt, dieß alles iſt Erquickung und Beru-
higung und Troſt für mich.
Zwar
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