XIV. Der Einfluß der Mutter auf die Erziehung der Töchter.
Gott, wenn du uns Kinder anvertrauest, so for- derst du dieselben von unsern Händen, so müssen wir Aeltern dir, unserm gemeinschaftlichen Vater, von der Erziehung, die wir ihnen gegeben haben, Rechen- schaft ablegen. Vorzüglich aber ist uns Müttern die Bildung unsrer Töchter überlassen. Hier ist es, wo wir nach unsrer Lage das meiste thun, wo wir recht viel Gutes wirken und recht viel Böses stiften können. Ja, die Natur selbst und die Gesellschaft haben uns zu Erzieherinnen unsrer Töchter bestimmt; alles ver- einiget sich dazu, diese an uns zu ziehen und genau mit uns zu verbinden; und der Unterricht, den wir ihnen ertheilen, ist weit eindringender, weit überreden- der und lebhafter als der Unterricht jedes andern Leh- rers. O laß mich doch in dieser Absicht reiflich über meine Bestimmung und über die Pflichten nachden- ken, die ich als Mutter auf mir habe! Laß mich die Bildung meiner Töchter für keine leichte Sache halten und nicht leichtsinnig dabey zu Werke gehen!
Denn wie stark wirket nicht das Beyspiel, wel- ches ich als Mutter gebe, auf die Denkungsart und
auf
XIV. Der Einfluß der Mutter auf die Erziehung der Töchter.
Gott, wenn du uns Kinder anvertraueſt, ſo for- derſt du dieſelben von unſern Händen, ſo müſſen wir Aeltern dir, unſerm gemeinſchaftlichen Vater, von der Erziehung, die wir ihnen gegeben haben, Rechen- ſchaft ablegen. Vorzüglich aber iſt uns Müttern die Bildung unſrer Töchter überlaſſen. Hier iſt es, wo wir nach unſrer Lage das meiſte thun, wo wir recht viel Gutes wirken und recht viel Böſes ſtiften können. Ja, die Natur ſelbſt und die Geſellſchaft haben uns zu Erzieherinnen unſrer Töchter beſtimmt; alles ver- einiget ſich dazu, dieſe an uns zu ziehen und genau mit uns zu verbinden; und der Unterricht, den wir ihnen ertheilen, iſt weit eindringender, weit überreden- der und lebhafter als der Unterricht jedes andern Leh- rers. O laß mich doch in dieſer Abſicht reiflich über meine Beſtimmung und über die Pflichten nachden- ken, die ich als Mutter auf mir habe! Laß mich die Bildung meiner Töchter für keine leichte Sache halten und nicht leichtſinnig dabey zu Werke gehen!
Denn wie ſtark wirket nicht das Beyſpiel, wel- ches ich als Mutter gebe, auf die Denkungsart und
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XIV.
Der Einfluß der Mutter auf die Erziehung
der Töchter.
Gott, wenn du uns Kinder anvertraueſt, ſo for-
derſt du dieſelben von unſern Händen, ſo müſſen
wir Aeltern dir, unſerm gemeinſchaftlichen Vater, von
der Erziehung, die wir ihnen gegeben haben, Rechen-
ſchaft ablegen. Vorzüglich aber iſt uns Müttern die
Bildung unſrer Töchter überlaſſen. Hier iſt es, wo
wir nach unſrer Lage das meiſte thun, wo wir recht
viel Gutes wirken und recht viel Böſes ſtiften können.
Ja, die Natur ſelbſt und die Geſellſchaft haben uns
zu Erzieherinnen unſrer Töchter beſtimmt; alles ver-
einiget ſich dazu, dieſe an uns zu ziehen und genau
mit uns zu verbinden; und der Unterricht, den wir
ihnen ertheilen, iſt weit eindringender, weit überreden-
der und lebhafter als der Unterricht jedes andern Leh-
rers. O laß mich doch in dieſer Abſicht reiflich über
meine Beſtimmung und über die Pflichten nachden-
ken, die ich als Mutter auf mir habe! Laß mich die
Bildung meiner Töchter für keine leichte Sache halten
und nicht leichtſinnig dabey zu Werke gehen!
Denn wie ſtark wirket nicht das Beyſpiel, wel-
ches ich als Mutter gebe, auf die Denkungsart und
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Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
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Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/324>, abgerufen am 30.06.2024.
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