Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788.Bey einer zahlreichen Möchten wir uns aber auch bey Zeiten zur Zu- sie
Bey einer zahlreichen Möchten wir uns aber auch bey Zeiten zur Zu- ſie
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0322" n="310"/> <fw place="top" type="header">Bey einer zahlreichen</fw><lb/> <p>Möchten wir uns aber auch bey Zeiten zur Zu-<lb/> friedenheit und Mäßigkeit gewöhnen! Möchten wir<lb/> die große Kunſt lernen, uns bey Wenigem genügen<lb/> zu laſſen! Jch darf mir nicht mit der Erwartung<lb/> ſchmeicheln, daß alle meine Kinder einſt gleich große<lb/> Glücksgüter, gleich große Reichthümer oder Ehren-<lb/> ſtellen erhalten werden. Jch darf nicht hoffen, ſie<lb/> einſt alle mächtig und geehrt zu ſehen. Dieß iſt nach<lb/> deiner Einrichtung in der Welt unmöglich, weil es<lb/> ungleich mehr Arme und ſolche, die ſich in mittel-<lb/> mäßigen Umſtänden befinden, als Reiche giebt, weil<lb/> der größere Theil der Menſchen nicht befehlen, ſondern<lb/> gehorchen muß. Aber die Glückſeligkeit des Men-<lb/> ſchen iſt auch nicht an Stand und Macht und Ehre<lb/> und Reichthum gebunden. Der tugendhafte, der<lb/> gutgeſinnte Menſch, der ſeine Pflichten kennet und<lb/> beobachtet, der an ſeiner Stelle Gutes ſtiftet, der dich<lb/> und ſeine Brüder liebet, der ſeiner Vernunft gemäs<lb/> handelt, der ſich an die Lehren und Verheiſſungen der<lb/> beſten, vollkommenſten Religion hält, der iſt nie<lb/> elend, nie mit ſeinem Zuſtande misvergnügt, weil er<lb/> ſtets Freude in demſelben findet und nach keinem hö-<lb/> hern und glänzendern ſtrebet. — O wie ſehr würde<lb/> ſich die Menge der Unzufriedenen auf Erden vermin-<lb/> dern, wenn ſie ſtets das gegenwärtige Gute mit dank-<lb/> barem Herzen genöſſen und nicht immer mit ihren ſor-<lb/> genvollen Wünſchen und Entwürfen in Abſicht des<lb/> Zukünftigen beſchäfftiget wären! Wie gewiß würden<lb/> einſt meine Kinder ein glückliches Leben führen, wenn<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ſie</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [310/0322]
Bey einer zahlreichen
Möchten wir uns aber auch bey Zeiten zur Zu-
friedenheit und Mäßigkeit gewöhnen! Möchten wir
die große Kunſt lernen, uns bey Wenigem genügen
zu laſſen! Jch darf mir nicht mit der Erwartung
ſchmeicheln, daß alle meine Kinder einſt gleich große
Glücksgüter, gleich große Reichthümer oder Ehren-
ſtellen erhalten werden. Jch darf nicht hoffen, ſie
einſt alle mächtig und geehrt zu ſehen. Dieß iſt nach
deiner Einrichtung in der Welt unmöglich, weil es
ungleich mehr Arme und ſolche, die ſich in mittel-
mäßigen Umſtänden befinden, als Reiche giebt, weil
der größere Theil der Menſchen nicht befehlen, ſondern
gehorchen muß. Aber die Glückſeligkeit des Men-
ſchen iſt auch nicht an Stand und Macht und Ehre
und Reichthum gebunden. Der tugendhafte, der
gutgeſinnte Menſch, der ſeine Pflichten kennet und
beobachtet, der an ſeiner Stelle Gutes ſtiftet, der dich
und ſeine Brüder liebet, der ſeiner Vernunft gemäs
handelt, der ſich an die Lehren und Verheiſſungen der
beſten, vollkommenſten Religion hält, der iſt nie
elend, nie mit ſeinem Zuſtande misvergnügt, weil er
ſtets Freude in demſelben findet und nach keinem hö-
hern und glänzendern ſtrebet. — O wie ſehr würde
ſich die Menge der Unzufriedenen auf Erden vermin-
dern, wenn ſie ſtets das gegenwärtige Gute mit dank-
barem Herzen genöſſen und nicht immer mit ihren ſor-
genvollen Wünſchen und Entwürfen in Abſicht des
Zukünftigen beſchäfftiget wären! Wie gewiß würden
einſt meine Kinder ein glückliches Leben führen, wenn
ſie
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