verrichtet, je genauer diese seinen Fähigkeiten und Neigungen entsprechen, je mehr er dadurch seine Kräfte und Vorzüge stärket und erhöhet, je mehr er auf diesem Wege sich selbst vervollkommnet, desto mehr Gutes stiftet er an seiner Stelle, desto nützlicher ist er seinen Brüdern, desto gewisser erreicht er die großen Absichten, zu welchen du ihn in dem gegenwär- tigen Leben bestimmest.
Und dazu bestimmest du den Menschen, wozu du demselben hinreichende Fähigkeiten und Kräfte und Neigung giebst. Diese Fähigkeiten und Kräfte des Kindes auszuspähen und zu prüfen und diese Neigung zu einem gewissen Berufe zu erforschen, dieß ist das Geschäffte und die Pflicht der Aeltern; und dieß, o Gott, müsse auch mein Geschäffte und meine Pflicht seyn. Jch muß mich, wenn ich diese Prüfung mit Beystimmung verständiger Personen unternommen habe, aus Liebe zu meinem Kinde über manche Vor- urtheile des Standes und der Ehre wegsetzen, wenn ich dasselbe seinen Anlagen und Wünschen nach zu einem Berufe bestimmt sehe, der gewöhnlicher Weise nicht mit hohen Ehrenstellen und großem Ruhme, nicht mit Macht und Ansehen verbunden ist. Jch muß mein ganzes mütterliches Ansehen dazu verwen- den, daß meinem Kinde keine Lebensart aufgedrungen wird, wozu es weder Kräfte noch Neigung hat und bey welcher es schlechterdings mehr oder weniger un- glücklich werden muß. Jch selbst darf mich zwar vernünftiget Gründe, aber nie solcher Mittel zur
Ueber-
Bey der Wahl der Lebensart
verrichtet, je genauer dieſe ſeinen Fähigkeiten und Neigungen entſprechen, je mehr er dadurch ſeine Kräfte und Vorzüge ſtärket und erhöhet, je mehr er auf dieſem Wege ſich ſelbſt vervollkommnet, deſto mehr Gutes ſtiftet er an ſeiner Stelle, deſto nützlicher iſt er ſeinen Brüdern, deſto gewiſſer erreicht er die großen Abſichten, zu welchen du ihn in dem gegenwär- tigen Leben beſtimmeſt.
Und dazu beſtimmeſt du den Menſchen, wozu du demſelben hinreichende Fähigkeiten und Kräfte und Neigung giebſt. Dieſe Fähigkeiten und Kräfte des Kindes auszuſpähen und zu prüfen und dieſe Neigung zu einem gewiſſen Berufe zu erforſchen, dieß iſt das Geſchäffte und die Pflicht der Aeltern; und dieß, o Gott, müſſe auch mein Geſchäffte und meine Pflicht ſeyn. Jch muß mich, wenn ich dieſe Prüfung mit Beyſtimmung verſtändiger Perſonen unternommen habe, aus Liebe zu meinem Kinde über manche Vor- urtheile des Standes und der Ehre wegſetzen, wenn ich daſſelbe ſeinen Anlagen und Wünſchen nach zu einem Berufe beſtimmt ſehe, der gewöhnlicher Weiſe nicht mit hohen Ehrenſtellen und großem Ruhme, nicht mit Macht und Anſehen verbunden iſt. Jch muß mein ganzes mütterliches Anſehen dazu verwen- den, daß meinem Kinde keine Lebensart aufgedrungen wird, wozu es weder Kräfte noch Neigung hat und bey welcher es ſchlechterdings mehr oder weniger un- glücklich werden muß. Jch ſelbſt darf mich zwar vernünftiget Gründe, aber nie ſolcher Mittel zur
Ueber-
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Bey der Wahl der Lebensart
verrichtet, je genauer dieſe ſeinen Fähigkeiten und
Neigungen entſprechen, je mehr er dadurch ſeine
Kräfte und Vorzüge ſtärket und erhöhet, je mehr er
auf dieſem Wege ſich ſelbſt vervollkommnet, deſto
mehr Gutes ſtiftet er an ſeiner Stelle, deſto nützlicher
iſt er ſeinen Brüdern, deſto gewiſſer erreicht er die
großen Abſichten, zu welchen du ihn in dem gegenwär-
tigen Leben beſtimmeſt.
Und dazu beſtimmeſt du den Menſchen, wozu
du demſelben hinreichende Fähigkeiten und Kräfte und
Neigung giebſt. Dieſe Fähigkeiten und Kräfte des
Kindes auszuſpähen und zu prüfen und dieſe Neigung
zu einem gewiſſen Berufe zu erforſchen, dieß iſt das
Geſchäffte und die Pflicht der Aeltern; und dieß, o
Gott, müſſe auch mein Geſchäffte und meine Pflicht
ſeyn. Jch muß mich, wenn ich dieſe Prüfung mit
Beyſtimmung verſtändiger Perſonen unternommen
habe, aus Liebe zu meinem Kinde über manche Vor-
urtheile des Standes und der Ehre wegſetzen, wenn
ich daſſelbe ſeinen Anlagen und Wünſchen nach zu
einem Berufe beſtimmt ſehe, der gewöhnlicher Weiſe
nicht mit hohen Ehrenſtellen und großem Ruhme,
nicht mit Macht und Anſehen verbunden iſt. Jch
muß mein ganzes mütterliches Anſehen dazu verwen-
den, daß meinem Kinde keine Lebensart aufgedrungen
wird, wozu es weder Kräfte noch Neigung hat und
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Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
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Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/292>, abgerufen am 16.02.2025.
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