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Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788.

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eines Kindes.
einzigen Stand gebunden. Nie müssen wir unsre
Kinder aus dem Grunde zu einer Lebensart bereden,
weil man bey derselben große Ehrenstellen zu erstei-
gen fähig ist. Ehrenstellen sind ja nicht die Ehre
selbst, nicht das, was den Menschen ehrwürdig ma-
chet. Nicht der Beruf an sich, sondern die Art und
Weise, wie man seinen Beruf führet, nicht Würden
und Aemter, sondern die Geschicklichkeit und Treue,
womit man dieselben verwaltet, nicht jenes, sondern
dieses verschaffet dem Menschen wahre Ehre und die
wünschenswerthe Achtung der Vernünftigen und Gu-
ten. Nie müssen wir unsern Kindern blos aus der
Ursache eine Lebensart anpreisen, weil viele unsrer
Verwandten und Freunde eben diese Lebensart führen.
Jeder Mensch hat ja sein eigenes Maaß von Kräf-
ten, seine eigenen Neigungen und Wünsche. Was
den Einen erfreuet, dabey bleibt der Andere ungerührt
und gleichgültig. Was dem Einen Zufriedenheit
und Glück gewähret, das läßt den Andern unbefriedi-
get. Was dem Einen leicht und angenehm wird,
weil es seinen Kräften und Fähigkeiten angemessen ist,
das fällt dem Andern schwer, das ermüdet ihn, weil
es seine Kräfte und Fähigkeiten übersteigt oder diesel-
ben zu wenig beschäfftiget. Nie müssen wir unsre
Kinder aus dem Grunde zu einem gewissen Stande
erziehen, weil man wenig Kenntnisse zu demselben mit-
bringen darf und wenig Geschäffte darin zu verrichten
hat. Der Mensch ist ja zur Arbeitsamkeit, zur Thä-
tigkeit, zum Gebrauche und zur Uebung seiner Kräfte
und Anlagen bestimmt. Je mehrere Geschäffte er

ver-
S 4

eines Kindes.
einzigen Stand gebunden. Nie müſſen wir unſre
Kinder aus dem Grunde zu einer Lebensart bereden,
weil man bey derſelben große Ehrenſtellen zu erſtei-
gen fähig iſt. Ehrenſtellen ſind ja nicht die Ehre
ſelbſt, nicht das, was den Menſchen ehrwürdig ma-
chet. Nicht der Beruf an ſich, ſondern die Art und
Weiſe, wie man ſeinen Beruf führet, nicht Würden
und Aemter, ſondern die Geſchicklichkeit und Treue,
womit man dieſelben verwaltet, nicht jenes, ſondern
dieſes verſchaffet dem Menſchen wahre Ehre und die
wünſchenswerthe Achtung der Vernünftigen und Gu-
ten. Nie müſſen wir unſern Kindern blos aus der
Urſache eine Lebensart anpreiſen, weil viele unſrer
Verwandten und Freunde eben dieſe Lebensart führen.
Jeder Menſch hat ja ſein eigenes Maaß von Kräf-
ten, ſeine eigenen Neigungen und Wünſche. Was
den Einen erfreuet, dabey bleibt der Andere ungerührt
und gleichgültig. Was dem Einen Zufriedenheit
und Glück gewähret, das läßt den Andern unbefriedi-
get. Was dem Einen leicht und angenehm wird,
weil es ſeinen Kräften und Fähigkeiten angemeſſen iſt,
das fällt dem Andern ſchwer, das ermüdet ihn, weil
es ſeine Kräfte und Fähigkeiten überſteigt oder dieſel-
ben zu wenig beſchäfftiget. Nie müſſen wir unſre
Kinder aus dem Grunde zu einem gewiſſen Stande
erziehen, weil man wenig Kenntniſſe zu demſelben mit-
bringen darf und wenig Geſchäffte darin zu verrichten
hat. Der Menſch iſt ja zur Arbeitſamkeit, zur Thä-
tigkeit, zum Gebrauche und zur Uebung ſeiner Kräfte
und Anlagen beſtimmt. Je mehrere Geſchäffte er

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[279/0291] eines Kindes. einzigen Stand gebunden. Nie müſſen wir unſre Kinder aus dem Grunde zu einer Lebensart bereden, weil man bey derſelben große Ehrenſtellen zu erſtei- gen fähig iſt. Ehrenſtellen ſind ja nicht die Ehre ſelbſt, nicht das, was den Menſchen ehrwürdig ma- chet. Nicht der Beruf an ſich, ſondern die Art und Weiſe, wie man ſeinen Beruf führet, nicht Würden und Aemter, ſondern die Geſchicklichkeit und Treue, womit man dieſelben verwaltet, nicht jenes, ſondern dieſes verſchaffet dem Menſchen wahre Ehre und die wünſchenswerthe Achtung der Vernünftigen und Gu- ten. Nie müſſen wir unſern Kindern blos aus der Urſache eine Lebensart anpreiſen, weil viele unſrer Verwandten und Freunde eben dieſe Lebensart führen. Jeder Menſch hat ja ſein eigenes Maaß von Kräf- ten, ſeine eigenen Neigungen und Wünſche. Was den Einen erfreuet, dabey bleibt der Andere ungerührt und gleichgültig. Was dem Einen Zufriedenheit und Glück gewähret, das läßt den Andern unbefriedi- get. Was dem Einen leicht und angenehm wird, weil es ſeinen Kräften und Fähigkeiten angemeſſen iſt, das fällt dem Andern ſchwer, das ermüdet ihn, weil es ſeine Kräfte und Fähigkeiten überſteigt oder dieſel- ben zu wenig beſchäfftiget. Nie müſſen wir unſre Kinder aus dem Grunde zu einem gewiſſen Stande erziehen, weil man wenig Kenntniſſe zu demſelben mit- bringen darf und wenig Geſchäffte darin zu verrichten hat. Der Menſch iſt ja zur Arbeitſamkeit, zur Thä- tigkeit, zum Gebrauche und zur Uebung ſeiner Kräfte und Anlagen beſtimmt. Je mehrere Geſchäffte er ver- S 4

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Zitationshilfe: Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/291>, abgerufen am 22.11.2024.