Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788.Die kranke Mutter. nicht an Ein einziges Mittel gebunden. Dir stehetalles, dir stehet selbst das zur Beförderung deiner Endzwecke zu Gebote, wodurch wir schwache, kurz- sichtige Menschen dieselben zernichtet glauben. Was ich meinen Kindern war und für dieselben that, das werden andere Menschen für sie seyn und thun, wenn ich es nicht mehr im Stande bin. Deine Vatergüte wird ihnen die Thränen abtrocknen, die sie über mein Grab weinen. Deine Aufsicht und Fürsorge wird ih- nen den Verlust ersetzen, den sie durch meinen Tod leiden. Du wirst die Lage und die Verhältnisse, wor- in sie sich dann befinden, zur Quelle des Glücks und des Segens für sie machen. Du wirst sie so oder anders, auf allgemein betretenen oder einsamen, auf gebahnten oder ungebahnten Wegen der Bestimmung zuführen, wozu du sie schufest. Du wirst sie auch ohne mich Glück und Freude in der Welt finden und sie nie ohne Freunde und Führer lassen. Ja, gütig- ster, huldreichster Vater, ist es dein Wille, daß ich mich von meinen geliebten Kindern trennen soll, so übergebe ich dieselben deinen Händen. Du, der Lieb- haber und Beglücker der Menschen, wirst über sie wachen und ihr Freund und Versorger seyn. Und wenn sie dir und deinen Geboten folgen und sich von dir leiten lassen, wie könnte es ihnen da je an Trost und Freude und wahrer Glückseligkeit fehlen! Wenn sie dich Vater nennen und mit reinem, schuldlosem Herzen zu dir hinaufsehen können, wie wenig werden sie da mich, wie wenig die Hülfe eines schwachen, ohn- mächtigen Menschen vermissen, da du ihnen alles bist und
Die kranke Mutter. nicht an Ein einziges Mittel gebunden. Dir ſtehetalles, dir ſtehet ſelbſt das zur Beförderung deiner Endzwecke zu Gebote, wodurch wir ſchwache, kurz- ſichtige Menſchen dieſelben zernichtet glauben. Was ich meinen Kindern war und für dieſelben that, das werden andere Menſchen für ſie ſeyn und thun, wenn ich es nicht mehr im Stande bin. Deine Vatergüte wird ihnen die Thränen abtrocknen, die ſie über mein Grab weinen. Deine Aufſicht und Fürſorge wird ih- nen den Verluſt erſetzen, den ſie durch meinen Tod leiden. Du wirſt die Lage und die Verhältniſſe, wor- in ſie ſich dann befinden, zur Quelle des Glücks und des Segens für ſie machen. Du wirſt ſie ſo oder anders, auf allgemein betretenen oder einſamen, auf gebahnten oder ungebahnten Wegen der Beſtimmung zuführen, wozu du ſie ſchufeſt. Du wirſt ſie auch ohne mich Glück und Freude in der Welt finden und ſie nie ohne Freunde und Führer laſſen. Ja, gütig- ſter, huldreichſter Vater, iſt es dein Wille, daß ich mich von meinen geliebten Kindern trennen ſoll, ſo übergebe ich dieſelben deinen Händen. Du, der Lieb- haber und Beglücker der Menſchen, wirſt über ſie wachen und ihr Freund und Verſorger ſeyn. Und wenn ſie dir und deinen Geboten folgen und ſich von dir leiten laſſen, wie könnte es ihnen da je an Troſt und Freude und wahrer Glückſeligkeit fehlen! Wenn ſie dich Vater nennen und mit reinem, ſchuldloſem Herzen zu dir hinaufſehen können, wie wenig werden ſie da mich, wie wenig die Hülfe eines ſchwachen, ohn- mächtigen Menſchen vermiſſen, da du ihnen alles biſt und
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0267" n="255"/><fw place="top" type="header">Die kranke Mutter.</fw><lb/> nicht an Ein einziges Mittel gebunden. Dir ſtehet<lb/> alles, dir ſtehet ſelbſt das zur Beförderung deiner<lb/> Endzwecke zu Gebote, wodurch wir ſchwache, kurz-<lb/> ſichtige Menſchen dieſelben zernichtet glauben. Was<lb/> ich meinen Kindern war und für dieſelben that, das<lb/> werden andere Menſchen für ſie ſeyn und thun, wenn<lb/> ich es nicht mehr im Stande bin. Deine Vatergüte<lb/> wird ihnen die Thränen abtrocknen, die ſie über mein<lb/> Grab weinen. Deine Aufſicht und Fürſorge wird ih-<lb/> nen den Verluſt erſetzen, den ſie durch meinen Tod<lb/> leiden. Du wirſt die Lage und die Verhältniſſe, wor-<lb/> in ſie ſich dann befinden, zur Quelle des Glücks und<lb/> des Segens für ſie machen. Du wirſt ſie ſo oder<lb/> anders, auf allgemein betretenen oder einſamen, auf<lb/> gebahnten oder ungebahnten Wegen der Beſtimmung<lb/> zuführen, wozu du ſie ſchufeſt. Du wirſt ſie auch<lb/> ohne mich Glück und Freude in der Welt finden und<lb/> ſie nie ohne Freunde und Führer laſſen. Ja, gütig-<lb/> ſter, huldreichſter Vater, iſt es dein Wille, daß ich<lb/> mich von meinen geliebten Kindern trennen ſoll, ſo<lb/> übergebe ich dieſelben deinen Händen. Du, der Lieb-<lb/> haber und Beglücker der Menſchen, wirſt über ſie<lb/> wachen und ihr Freund und Verſorger ſeyn. Und<lb/> wenn ſie dir und deinen Geboten folgen und ſich von<lb/> dir leiten laſſen, wie könnte es ihnen da je an Troſt<lb/> und Freude und wahrer Glückſeligkeit fehlen! Wenn<lb/> ſie dich Vater nennen und mit reinem, ſchuldloſem<lb/> Herzen zu dir hinaufſehen können, wie wenig werden<lb/> ſie da mich, wie wenig die Hülfe eines ſchwachen, ohn-<lb/> mächtigen Menſchen vermiſſen, da du ihnen alles biſt<lb/> <fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [255/0267]
Die kranke Mutter.
nicht an Ein einziges Mittel gebunden. Dir ſtehet
alles, dir ſtehet ſelbſt das zur Beförderung deiner
Endzwecke zu Gebote, wodurch wir ſchwache, kurz-
ſichtige Menſchen dieſelben zernichtet glauben. Was
ich meinen Kindern war und für dieſelben that, das
werden andere Menſchen für ſie ſeyn und thun, wenn
ich es nicht mehr im Stande bin. Deine Vatergüte
wird ihnen die Thränen abtrocknen, die ſie über mein
Grab weinen. Deine Aufſicht und Fürſorge wird ih-
nen den Verluſt erſetzen, den ſie durch meinen Tod
leiden. Du wirſt die Lage und die Verhältniſſe, wor-
in ſie ſich dann befinden, zur Quelle des Glücks und
des Segens für ſie machen. Du wirſt ſie ſo oder
anders, auf allgemein betretenen oder einſamen, auf
gebahnten oder ungebahnten Wegen der Beſtimmung
zuführen, wozu du ſie ſchufeſt. Du wirſt ſie auch
ohne mich Glück und Freude in der Welt finden und
ſie nie ohne Freunde und Führer laſſen. Ja, gütig-
ſter, huldreichſter Vater, iſt es dein Wille, daß ich
mich von meinen geliebten Kindern trennen ſoll, ſo
übergebe ich dieſelben deinen Händen. Du, der Lieb-
haber und Beglücker der Menſchen, wirſt über ſie
wachen und ihr Freund und Verſorger ſeyn. Und
wenn ſie dir und deinen Geboten folgen und ſich von
dir leiten laſſen, wie könnte es ihnen da je an Troſt
und Freude und wahrer Glückſeligkeit fehlen! Wenn
ſie dich Vater nennen und mit reinem, ſchuldloſem
Herzen zu dir hinaufſehen können, wie wenig werden
ſie da mich, wie wenig die Hülfe eines ſchwachen, ohn-
mächtigen Menſchen vermiſſen, da du ihnen alles biſt
und
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern:
Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |