chen den Menschen zum Menschen, und lassen ihn das seyn und finden, was er ohne sie nie werden und be- sitzen kann.
Auch mir, o Gott, hast du dieses Glück ver- liehen; auch mir hast du Verstand und Vernunft ge- schenkt. In ihnen besitze ich das beste Mittel, mir alle die Kentnisse und Einsichten zu erwerben, die ich in diesem Leben nöthig habe. Sie machen mich des Unterrichts und der Belehrung von andern fähig. Ja, es ist nicht genug, daß ich blos einen vernünftigen Geist habe, dem gewisse Kräfte und Anlagen eigen sind. Es ist nicht genug, daß ich von Natur mit der Fähigkeit zu denken, zu urtheilen, zu vergleichen, zu schließen ausgerüstet bin. Alles dieses ist nicht die Sache selbst, nicht der Endzweck, sondern nur das Mittel zu demselben. Dieses Mittel muß ich nun gehörig gebrauchen lernen, jene Kräfte und Anlagen meiner Seele müssen erst geübt und angewendet, mei- ne Fähigkeiten müssen erst entwickelt und ausgebildet werden, ehe ich wirklich verständig und vernünftig seyn kann.
Und dieses Glück, o Gott, lässet du mich in dem Unterrichte finden, der mir itzt zu Theil wird. Er ist die unaussprechlichste Wohlthat für mich, welche ich dir und meinen Aeltern und Lehrern zu verdanken ha- be. Ohne denselben würden mir alle meine Verstan- deskräfte nichts nutzen; sie würden ungeübt und unge- braucht bleiben und sich bald ganz bey mir verlieren. Ohne diesen Unterricht würden mir meine Vernunftfä- higkeiten wenig helfen; denn diese Fähigkeiten sind
noch
Ermunterung zur Lernbegierde.
chen den Menſchen zum Menſchen, und laſſen ihn das ſeyn und finden, was er ohne ſie nie werden und be- ſitzen kann.
Auch mir, o Gott, haſt du dieſes Glück ver- liehen; auch mir haſt du Verſtand und Vernunft ge- ſchenkt. In ihnen beſitze ich das beſte Mittel, mir alle die Kentniſſe und Einſichten zu erwerben, die ich in dieſem Leben nöthig habe. Sie machen mich des Unterrichts und der Belehrung von andern fähig. Ja, es iſt nicht genug, daß ich blos einen vernünftigen Geiſt habe, dem gewiſſe Kräfte und Anlagen eigen ſind. Es iſt nicht genug, daß ich von Natur mit der Fähigkeit zu denken, zu urtheilen, zu vergleichen, zu ſchließen ausgerüſtet bin. Alles dieſes iſt nicht die Sache ſelbſt, nicht der Endzweck, ſondern nur das Mittel zu demſelben. Dieſes Mittel muß ich nun gehörig gebrauchen lernen, jene Kräfte und Anlagen meiner Seele müſſen erſt geübt und angewendet, mei- ne Fähigkeiten müſſen erſt entwickelt und ausgebildet werden, ehe ich wirklich verſtändig und vernünftig ſeyn kann.
Und dieſes Glück, o Gott, läſſet du mich in dem Unterrichte finden, der mir itzt zu Theil wird. Er iſt die unausſprechlichſte Wohlthat für mich, welche ich dir und meinen Aeltern und Lehrern zu verdanken ha- be. Ohne denſelben würden mir alle meine Verſtan- deskräfte nichts nutzen; ſie würden ungeübt und unge- braucht bleiben und ſich bald ganz bey mir verlieren. Ohne dieſen Unterricht würden mir meine Vernunftfä- higkeiten wenig helfen; denn dieſe Fähigkeiten ſind
noch
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Ermunterung zur Lernbegierde.
chen den Menſchen zum Menſchen, und laſſen ihn das
ſeyn und finden, was er ohne ſie nie werden und be-
ſitzen kann.
Auch mir, o Gott, haſt du dieſes Glück ver-
liehen; auch mir haſt du Verſtand und Vernunft ge-
ſchenkt. In ihnen beſitze ich das beſte Mittel, mir
alle die Kentniſſe und Einſichten zu erwerben, die ich
in dieſem Leben nöthig habe. Sie machen mich des
Unterrichts und der Belehrung von andern fähig. Ja,
es iſt nicht genug, daß ich blos einen vernünftigen
Geiſt habe, dem gewiſſe Kräfte und Anlagen eigen
ſind. Es iſt nicht genug, daß ich von Natur mit
der Fähigkeit zu denken, zu urtheilen, zu vergleichen,
zu ſchließen ausgerüſtet bin. Alles dieſes iſt nicht die
Sache ſelbſt, nicht der Endzweck, ſondern nur das
Mittel zu demſelben. Dieſes Mittel muß ich nun
gehörig gebrauchen lernen, jene Kräfte und Anlagen
meiner Seele müſſen erſt geübt und angewendet, mei-
ne Fähigkeiten müſſen erſt entwickelt und ausgebildet
werden, ehe ich wirklich verſtändig und vernünftig
ſeyn kann.
Und dieſes Glück, o Gott, läſſet du mich in dem
Unterrichte finden, der mir itzt zu Theil wird. Er
iſt die unausſprechlichſte Wohlthat für mich, welche ich
dir und meinen Aeltern und Lehrern zu verdanken ha-
be. Ohne denſelben würden mir alle meine Verſtan-
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Ohne dieſen Unterricht würden mir meine Vernunftfä-
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Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
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Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/26>, abgerufen am 16.02.2025.
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