Gott, gütigster, barmherzigster Vater, o wie ist mein Herz deines Lobes und Preises voll! Was empfinde ich alles, das ich nicht auszudrücken vermag! Welche innige, lebhafte Freude durchströ- met und beseliget mich bey dem Anblicke meines Kin- des! Ja, nun ist alle Furcht und alle Traurigkeit vorüber. Nun ersetzet mir der wonnevolle Mutter- name alles reichlich, was ich zuvor gelitten und er- duldet habe. Nun sind alle Beschwerden und alle Bekümmernisse verschwunden, alle trübe, schreckvolle Aussichten aufgehellet worden. Jtzt fange ich gleich- sam aufs neue zu leben an; die schönsten, erfreulich- sten Hoffnungen in Absicht der Zukunft öffnen sich mir und erheben und erweitern mein Herz durch die an- genehmsten, süssesten Vorgefühle meiner mütterlichen Glückseligkeit.
Jch versetze mich im Geiste in die künftigen Zeiten und stelle mir vor, wie das schwache, hülflose Kind, welches itzt noch alles Selbstbewußtseyns be- raubt ist, seiner Bestimmung immer näher und nä- her kommt. Jch freue mich auf die Tage, wo es
anfan-
I Empfindungen und Ausſichten einer Mutter.
Gott, gütigſter, barmherzigſter Vater, o wie iſt mein Herz deines Lobes und Preiſes voll! Was empfinde ich alles, das ich nicht auszudrücken vermag! Welche innige, lebhafte Freude durchſtrö- met und beſeliget mich bey dem Anblicke meines Kin- des! Ja, nun iſt alle Furcht und alle Traurigkeit vorüber. Nun erſetzet mir der wonnevolle Mutter- name alles reichlich, was ich zuvor gelitten und er- duldet habe. Nun ſind alle Beſchwerden und alle Bekümmerniſſe verſchwunden, alle trübe, ſchreckvolle Ausſichten aufgehellet worden. Jtzt fange ich gleich- ſam aufs neue zu leben an; die ſchönſten, erfreulich- ſten Hoffnungen in Abſicht der Zukunft öffnen ſich mir und erheben und erweitern mein Herz durch die an- genehmſten, ſüſſeſten Vorgefühle meiner mütterlichen Glückſeligkeit.
Jch verſetze mich im Geiſte in die künftigen Zeiten und ſtelle mir vor, wie das ſchwache, hülfloſe Kind, welches itzt noch alles Selbſtbewußtſeyns be- raubt iſt, ſeiner Beſtimmung immer näher und nä- her kommt. Jch freue mich auf die Tage, wo es
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I
Empfindungen und Ausſichten
einer Mutter.
Gott, gütigſter, barmherzigſter Vater, o wie iſt
mein Herz deines Lobes und Preiſes voll!
Was empfinde ich alles, das ich nicht auszudrücken
vermag! Welche innige, lebhafte Freude durchſtrö-
met und beſeliget mich bey dem Anblicke meines Kin-
des! Ja, nun iſt alle Furcht und alle Traurigkeit
vorüber. Nun erſetzet mir der wonnevolle Mutter-
name alles reichlich, was ich zuvor gelitten und er-
duldet habe. Nun ſind alle Beſchwerden und alle
Bekümmerniſſe verſchwunden, alle trübe, ſchreckvolle
Ausſichten aufgehellet worden. Jtzt fange ich gleich-
ſam aufs neue zu leben an; die ſchönſten, erfreulich-
ſten Hoffnungen in Abſicht der Zukunft öffnen ſich mir
und erheben und erweitern mein Herz durch die an-
genehmſten, ſüſſeſten Vorgefühle meiner mütterlichen
Glückſeligkeit.
Jch verſetze mich im Geiſte in die künftigen
Zeiten und ſtelle mir vor, wie das ſchwache, hülfloſe
Kind, welches itzt noch alles Selbſtbewußtſeyns be-
raubt iſt, ſeiner Beſtimmung immer näher und nä-
her kommt. Jch freue mich auf die Tage, wo es
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Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
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Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. [235]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/247>, abgerufen am 28.06.2024.
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