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Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788.

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Die mit Leibesfrucht gesegnete Gattin.
durch ein elendes und trauriges Leben hindurchschleppen
muß! Wie oft hat es die Mutter verschuldet, daß ein
durch ihre Nachlässigkeit an Geist und Körper ver-
wahrloster Mensch seinen Beruf auf der Erde nicht er-
füllen und seine ganze Bestimmung in diesem Leben
nicht erreichen kann!

Jtzt fordert mich meine Lage zu einer vor-
züglichen Tugend und zur völligsten Selbstbeherrschung
auf. Jtzt ist jede unordentliche, heftige Neigung, je-
de stürmische Leidenschaft, jede wilde, ungeleitete Be-
gierde nicht nur mir selbst, sondern auch meinem Kin-
de höchst gefährlich. Jtzt nimmt dieses an allen Ein-
drücken und Empfindungen, die ich bekomme, Theil.
Jtzt wirken Zorn, Furcht, Schrecken, Wollust, Uep-
pigkeit, itzt wirket alles, was ich lebhaft denke und
empfinde, nicht nur auf die körperliche Beschaffenheit
desselben, sondern auch auf seine Geistesanlagen und
Kräfte, auf seine Neigungen und Begierden, auf sei-
ne Fähigkeiten zur Tugend oder zum Laster. Jtzt le-
ge ich den ersten Grund zu der Denkungsart desselben
und damit zu seinem Glück oder zu seinem Unglück.
O wie oft wird das in der Folge einer fehlerhaften,
vernachlässigten Erziehung Schuld gegeben, was die
Schuld der Mutter und ihres Charakters ist! Wie
oft hat diese ihrem Kinde zugleich mit dem Daseyn
auch ihre Leidenschaften und Neigungen gegeben!

Ja, o Gott ich erkenne die Wichtigkeit aller
meiner Pflichten, die ich in meinen itzigen Umständen
auf mir habe. Es sind die Pflichten der Weisheit,
der Tugend, der Mäßigkeit, der Selbstbeherrschung,

des

Die mit Leibesfrucht geſegnete Gattin.
durch ein elendes und trauriges Leben hindurchſchleppen
muß! Wie oft hat es die Mutter verſchuldet, daß ein
durch ihre Nachläſſigkeit an Geiſt und Körper ver-
wahrloſter Menſch ſeinen Beruf auf der Erde nicht er-
füllen und ſeine ganze Beſtimmung in dieſem Leben
nicht erreichen kann!

Jtzt fordert mich meine Lage zu einer vor-
züglichen Tugend und zur völligſten Selbſtbeherrſchung
auf. Jtzt iſt jede unordentliche, heftige Neigung, je-
de ſtürmiſche Leidenſchaft, jede wilde, ungeleitete Be-
gierde nicht nur mir ſelbſt, ſondern auch meinem Kin-
de höchſt gefährlich. Jtzt nimmt dieſes an allen Ein-
drücken und Empfindungen, die ich bekomme, Theil.
Jtzt wirken Zorn, Furcht, Schrecken, Wolluſt, Uep-
pigkeit, itzt wirket alles, was ich lebhaft denke und
empfinde, nicht nur auf die körperliche Beſchaffenheit
deſſelben, ſondern auch auf ſeine Geiſtesanlagen und
Kräfte, auf ſeine Neigungen und Begierden, auf ſei-
ne Fähigkeiten zur Tugend oder zum Laſter. Jtzt le-
ge ich den erſten Grund zu der Denkungsart deſſelben
und damit zu ſeinem Glück oder zu ſeinem Unglück.
O wie oft wird das in der Folge einer fehlerhaften,
vernachläſſigten Erziehung Schuld gegeben, was die
Schuld der Mutter und ihres Charakters iſt! Wie
oft hat dieſe ihrem Kinde zugleich mit dem Daſeyn
auch ihre Leidenſchaften und Neigungen gegeben!

Ja, o Gott ich erkenne die Wichtigkeit aller
meiner Pflichten, die ich in meinen itzigen Umſtänden
auf mir habe. Es ſind die Pflichten der Weisheit,
der Tugend, der Mäßigkeit, der Selbſtbeherrſchung,

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[219/0231] Die mit Leibesfrucht geſegnete Gattin. durch ein elendes und trauriges Leben hindurchſchleppen muß! Wie oft hat es die Mutter verſchuldet, daß ein durch ihre Nachläſſigkeit an Geiſt und Körper ver- wahrloſter Menſch ſeinen Beruf auf der Erde nicht er- füllen und ſeine ganze Beſtimmung in dieſem Leben nicht erreichen kann! Jtzt fordert mich meine Lage zu einer vor- züglichen Tugend und zur völligſten Selbſtbeherrſchung auf. Jtzt iſt jede unordentliche, heftige Neigung, je- de ſtürmiſche Leidenſchaft, jede wilde, ungeleitete Be- gierde nicht nur mir ſelbſt, ſondern auch meinem Kin- de höchſt gefährlich. Jtzt nimmt dieſes an allen Ein- drücken und Empfindungen, die ich bekomme, Theil. Jtzt wirken Zorn, Furcht, Schrecken, Wolluſt, Uep- pigkeit, itzt wirket alles, was ich lebhaft denke und empfinde, nicht nur auf die körperliche Beſchaffenheit deſſelben, ſondern auch auf ſeine Geiſtesanlagen und Kräfte, auf ſeine Neigungen und Begierden, auf ſei- ne Fähigkeiten zur Tugend oder zum Laſter. Jtzt le- ge ich den erſten Grund zu der Denkungsart deſſelben und damit zu ſeinem Glück oder zu ſeinem Unglück. O wie oft wird das in der Folge einer fehlerhaften, vernachläſſigten Erziehung Schuld gegeben, was die Schuld der Mutter und ihres Charakters iſt! Wie oft hat dieſe ihrem Kinde zugleich mit dem Daſeyn auch ihre Leidenſchaften und Neigungen gegeben! Ja, o Gott ich erkenne die Wichtigkeit aller meiner Pflichten, die ich in meinen itzigen Umſtänden auf mir habe. Es ſind die Pflichten der Weisheit, der Tugend, der Mäßigkeit, der Selbſtbeherrſchung, des

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Zitationshilfe: Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/231>, abgerufen am 22.11.2024.