Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788.Die kinderlose Gattin. Oder vermag ich denn die Schicksale der Men- Doch wie vermag ich deine verborgenen Absich- bestimmt O 4
Die kinderloſe Gattin. Oder vermag ich denn die Schickſale der Men- Doch wie vermag ich deine verborgenen Abſich- beſtimmt O 4
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Die kinderloſe Gattin.
Oder vermag ich denn die Schickſale der Men-
ſchen im Voraus zu überſehen und zu beſtimmen?
Kenne ich den Gang der menſchlichen Begebenheiten
ſo genau, als ich ihn kennen müßte, wenn ich mich
durch Kinder für beglückter halten ſollte? Könnte
nicht ihr Daſeyn, ihr Charakter, ihre Lage Pein und
Qual für mich werden? Wäre es unmöglich, daß
ſie als meine Kinder gerade in ſolche Verhältniſſe und
Verbindungen mit der Welt geſetzt würden, die ihnen
nachtheilig ſeyn und ihr Unglück bewirken müßten?
Wäre es unmöglich, daß ſie nach dem unabänderlichen
Laufe und der Einrichtung der Dinge in verdorbene Ge-
ſellſchaften, unter leichtſinnige, laſterhafte Menſchen,
in die Hände des Verführers geriethen? Wäre es
unmöglich, daß ſie als meine Kinder den Saamen
der Kränklichkeit und eines hinfälligen ſiechen Körpers
von mir erbten und ſich traurig durch ein freudenloſes
Leben hinſchleppen müßten? Könnte dann ihr Da-
ſeyn Glück für ſie ſelbſt und für mich Vergnügen ſeyn?
Doch wie vermag ich deine verborgenen Abſich-
ten zu enträthſeln und deinen Plan zu durchſchauen?
Genug, daß ich dich als den Allweiſen und Allgüti-
gen kenne; daß ich davon verſichert bin, wie al-
les, was du thuſt und willſt, heilſam iſt! Genug,
daß der Gedanke in mir herrſchet und lebet: ich wür-
de, könnte nicht ſo zufrieden und glücklich ſeyn, als
ich wirklich bin, wenn ich Mutter geworden wäre!
Jch fühle die Wahrheit dieſes Gedankens, wenn ich
mir auch gleich die Gründe davon nicht deutlich und
beſtimmt
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