Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788.Die reiche Hausfrau. also eine Ungerechtigkeit, die ich an meinen ärmernMitmenschen verübe, ein Raub und ein Betrug, deren ich mich gegen die Dürftigen schuldig mache, eine Untreue, die ich gegen dich selbst begehe, der du mir diese Güter nicht zu solchen, sondern zu ganz andern Absichten verliehen hast. Kann und soll mir mein Reichthum so edle, Entwür-
Die reiche Hausfrau. alſo eine Ungerechtigkeit, die ich an meinen ärmernMitmenſchen verübe, ein Raub und ein Betrug, deren ich mich gegen die Dürftigen ſchuldig mache, eine Untreue, die ich gegen dich ſelbſt begehe, der du mir dieſe Güter nicht zu ſolchen, ſondern zu ganz andern Abſichten verliehen haſt. Kann und ſoll mir mein Reichthum ſo edle, Entwür-
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Die reiche Hausfrau.
alſo eine Ungerechtigkeit, die ich an meinen ärmern
Mitmenſchen verübe, ein Raub und ein Betrug,
deren ich mich gegen die Dürftigen ſchuldig mache, eine
Untreue, die ich gegen dich ſelbſt begehe, der du mir
dieſe Güter nicht zu ſolchen, ſondern zu ganz andern
Abſichten verliehen haſt.
Kann und ſoll mir mein Reichthum ſo edle,
menſchenfreundliche Geſinnungen einflößen und mich
zu ſo gemeinnützigen und wohlthätigen Handlungen er-
muntern, kann und ſoll er meine Denkungsart ver-
edeln, mein Herz erweitern und meine Menſchenliebe
entflammen, ſo darf er mich auf keine Weiſe ſtolz und
eitel machen. Die Eitelkeit verenget das Herz, ver-
ſchlimmert die Denkungsart und iſt ſtets mit Selbſt-
ſucht, mit Neid, mit Eigennutz verbunden. Sie
kann unmöglich mit der ächten, aufgeklärten Men-
ſchenliebe und wahren Wohlthätigkeit beſtehen. Je
mehrere Mittel, die Forderungen der Eitelkeit zu be-
friedigen, mir alſo mein Reichthum anbietet, deſto
ernſtlicher und frühzeitiger muß ich mich dagegen waff-
nen. Laſſe ich mich aber von dieſem Laſter beherrſchen,
dann, ja dann hat der Reichthum keinen Werth für
mich; dann beſchäfftige ich mich blos mit mir ſelbſt;
dann verſchwende ich das an Pracht und Putz und Ueppig-
keit, wodurch ich das Elend meiner Mitmenſchen ver-
mindern ſollte; dann wird das Mitleiden, die
Theilnehmung und die wahre, wohlthätige Empfind-
ſamkeit vom Leichtſinne und von der Modeſucht ver-
drängt; dann ſind Kopf und Herz mit ganz andern
Entwür-
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