zum Grunde dienet, eins durch das andere erzeuget und befördert wird. Dieß ist deiner weisen Einrich- tung gemäs; dieß schickt sich am besten für uns sinn- liche Menschen; denn eben deßwegen hast du diese Ver- mischung vom Guten und Bösen, von Vollkommenheit und Unvollkommenheit auf der Erde veranstaltet, weil wir solche und keine andern Geschöpfe sind, sol- che und keine andern Bedürfnisse haben, auf solchen und keinen andern Wegen unsrer Vollkommenheit und Glückseligkeit entgegen gehen sollen.
Ich darf mir also in dem Stande, worein ich getreten bin, nicht einen beständigen Genuß der Freude und nicht ein immer gleich großes Glück versprechen. Diese Hoffnung würde mich oft täuschen und mehr oder weniger elend machen. Ich muß es mir viel- mehr schon itzt als möglich, ja als nothwendig und unvermeidlich vorstellen, daß ich manches unangeneh- me in meiner häuslichen Lage erfahren, manche Hin- dernisse auf meinem Wege antreffen und manches Lei- den und manche Widerwärtigkeit zu erdulden haben werde. Dieß ist der allgemeine Lauf der menschlichen Begebenheiten; dieß ist ganz besonders in meinem Stande unvermeidlich, wo die Schicksale mehrerer Personen so innig mit einander verbunden sind und einen so unverkennbaren gegenseitigen Einfluß auf ein- ander haben. Zwar kann und darf ich alles Gute von dir erwarten, o Gott; zwar bin ich gewiß versichert, daß du es uns nie an wahrem Glücke fehlen lassen wirst, wenn wir weise und tugendhaft sind: aber ich weiß es auch aus Erfahrung und das Christenthum stimmt
damit
Ausſicht auf künftige Freuden und Leiden.
zum Grunde dienet, eins durch das andere erzeuget und befördert wird. Dieß iſt deiner weiſen Einrich- tung gemäs; dieß ſchickt ſich am beſten für uns ſinn- liche Menſchen; denn eben deßwegen haſt du dieſe Ver- miſchung vom Guten und Böſen, von Vollkommenheit und Unvollkommenheit auf der Erde veranſtaltet, weil wir ſolche und keine andern Geſchöpfe ſind, ſol- che und keine andern Bedürfniſſe haben, auf ſolchen und keinen andern Wegen unſrer Vollkommenheit und Glückſeligkeit entgegen gehen ſollen.
Ich darf mir alſo in dem Stande, worein ich getreten bin, nicht einen beſtändigen Genuß der Freude und nicht ein immer gleich großes Glück verſprechen. Dieſe Hoffnung würde mich oft täuſchen und mehr oder weniger elend machen. Ich muß es mir viel- mehr ſchon itzt als möglich, ja als nothwendig und unvermeidlich vorſtellen, daß ich manches unangeneh- me in meiner häuslichen Lage erfahren, manche Hin- derniſſe auf meinem Wege antreffen und manches Lei- den und manche Widerwärtigkeit zu erdulden haben werde. Dieß iſt der allgemeine Lauf der menſchlichen Begebenheiten; dieß iſt ganz beſonders in meinem Stande unvermeidlich, wo die Schickſale mehrerer Perſonen ſo innig mit einander verbunden ſind und einen ſo unverkennbaren gegenſeitigen Einfluß auf ein- ander haben. Zwar kann und darf ich alles Gute von dir erwarten, o Gott; zwar bin ich gewiß verſichert, daß du es uns nie an wahrem Glücke fehlen laſſen wirſt, wenn wir weiſe und tugendhaft ſind: aber ich weiß es auch aus Erfahrung und das Chriſtenthum ſtimmt
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Ausſicht auf künftige Freuden und Leiden.
zum Grunde dienet, eins durch das andere erzeuget
und befördert wird. Dieß iſt deiner weiſen Einrich-
tung gemäs; dieß ſchickt ſich am beſten für uns ſinn-
liche Menſchen; denn eben deßwegen haſt du dieſe Ver-
miſchung vom Guten und Böſen, von Vollkommenheit
und Unvollkommenheit auf der Erde veranſtaltet,
weil wir ſolche und keine andern Geſchöpfe ſind, ſol-
che und keine andern Bedürfniſſe haben, auf ſolchen
und keinen andern Wegen unſrer Vollkommenheit und
Glückſeligkeit entgegen gehen ſollen.
Ich darf mir alſo in dem Stande, worein ich
getreten bin, nicht einen beſtändigen Genuß der Freude
und nicht ein immer gleich großes Glück verſprechen.
Dieſe Hoffnung würde mich oft täuſchen und mehr
oder weniger elend machen. Ich muß es mir viel-
mehr ſchon itzt als möglich, ja als nothwendig und
unvermeidlich vorſtellen, daß ich manches unangeneh-
me in meiner häuslichen Lage erfahren, manche Hin-
derniſſe auf meinem Wege antreffen und manches Lei-
den und manche Widerwärtigkeit zu erdulden haben
werde. Dieß iſt der allgemeine Lauf der menſchlichen
Begebenheiten; dieß iſt ganz beſonders in meinem
Stande unvermeidlich, wo die Schickſale mehrerer
Perſonen ſo innig mit einander verbunden ſind und
einen ſo unverkennbaren gegenſeitigen Einfluß auf ein-
ander haben. Zwar kann und darf ich alles Gute von dir
erwarten, o Gott; zwar bin ich gewiß verſichert, daß
du es uns nie an wahrem Glücke fehlen laſſen wirſt,
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Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/183>, abgerufen am 28.06.2024.
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