Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Liebe.
recht an, weil sie meine kindischen Wünsche nicht be-
friedigen, weil sie den Lauf der Dinge in der Welt
meinetwegen nicht abändern und umkehren will.

Nein, o Gott, alle diese Fehler will ich ernst-
lich vermeiden. Ich will meinen gegenwärtigen
Stand als eine Vorbereitung und Geschicktmachung
zu dem künftigen, und meine itzigen Jahre nicht als
die Zeit des Genusses der Frucht der Liebe, sondern
als die noch verschlossene Blüthe derselben betrachten,
welche dazu bestimmt ist, einst unter der pflegenden
Hand der Tugend zur schönsten und lieblichsten Frucht
zu reifen. Ich will itzt als eine Vertraute der Weis-
heit und Unschuld den Keim der angenehmsten Hoff-
nung pflegen, und an der Hand dieser Begleiterinnen
dem Ziele entgegen gehen, an welchem mir Genuß und
Freude winken. Amen.



V.
Die Schaamhaftigkeit.


Gott, du hast meinem Geschlechte ein sehr starkes
und feines Gefühl von Ehre und Schande gege-
ben, und unsrer Natur die wohlthätige Empfindung
der Schaamhaftigkeit eingepflanzt. O möchte ich
den Werth und Nutzen dieses Geschenks recht kennen,

und

Die Liebe.
recht an, weil ſie meine kindiſchen Wünſche nicht be-
friedigen, weil ſie den Lauf der Dinge in der Welt
meinetwegen nicht abändern und umkehren will.

Nein, o Gott, alle dieſe Fehler will ich ernſt-
lich vermeiden. Ich will meinen gegenwärtigen
Stand als eine Vorbereitung und Geſchicktmachung
zu dem künftigen, und meine itzigen Jahre nicht als
die Zeit des Genuſſes der Frucht der Liebe, ſondern
als die noch verſchloſſene Blüthe derſelben betrachten,
welche dazu beſtimmt iſt, einſt unter der pflegenden
Hand der Tugend zur ſchönſten und lieblichſten Frucht
zu reifen. Ich will itzt als eine Vertraute der Weis-
heit und Unſchuld den Keim der angenehmſten Hoff-
nung pflegen, und an der Hand dieſer Begleiterinnen
dem Ziele entgegen gehen, an welchem mir Genuß und
Freude winken. Amen.



V.
Die Schaamhaftigkeit.


Gott, du haſt meinem Geſchlechte ein ſehr ſtarkes
und feines Gefühl von Ehre und Schande gege-
ben, und unſrer Natur die wohlthätige Empfindung
der Schaamhaftigkeit eingepflanzt. O möchte ich
den Werth und Nutzen dieſes Geſchenks recht kennen,

und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0121" n="109"/><fw place="top" type="header">Die Liebe.</fw><lb/>
recht an, weil &#x017F;ie meine kindi&#x017F;chen Wün&#x017F;che nicht be-<lb/>
friedigen, weil &#x017F;ie den Lauf der Dinge in der Welt<lb/>
meinetwegen nicht abändern und umkehren will.</p><lb/>
          <p>Nein, o Gott, alle die&#x017F;e Fehler will ich ern&#x017F;t-<lb/>
lich vermeiden. Ich will meinen gegenwärtigen<lb/>
Stand als eine Vorbereitung und Ge&#x017F;chicktmachung<lb/>
zu dem künftigen, und meine itzigen Jahre nicht als<lb/>
die Zeit des Genu&#x017F;&#x017F;es der Frucht der Liebe, &#x017F;ondern<lb/>
als die noch ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;ene Blüthe der&#x017F;elben betrachten,<lb/>
welche dazu be&#x017F;timmt i&#x017F;t, ein&#x017F;t unter der pflegenden<lb/>
Hand der Tugend zur &#x017F;chön&#x017F;ten und lieblich&#x017F;ten Frucht<lb/>
zu reifen. Ich will itzt als eine Vertraute der Weis-<lb/>
heit und Un&#x017F;chuld den Keim der angenehm&#x017F;ten Hoff-<lb/>
nung pflegen, und an der Hand die&#x017F;er Begleiterinnen<lb/>
dem Ziele entgegen gehen, an welchem mir Genuß und<lb/>
Freude winken. Amen.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#aq">V.</hi><lb/> <hi rendition="#g">Die Schaamhaftigkeit.</hi> </head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p><hi rendition="#in">G</hi>ott, du ha&#x017F;t meinem Ge&#x017F;chlechte ein &#x017F;ehr &#x017F;tarkes<lb/>
und feines Gefühl von Ehre und Schande gege-<lb/>
ben, und un&#x017F;rer Natur die wohlthätige Empfindung<lb/>
der Schaamhaftigkeit eingepflanzt. O möchte ich<lb/>
den Werth und Nutzen die&#x017F;es Ge&#x017F;chenks recht kennen,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[109/0121] Die Liebe. recht an, weil ſie meine kindiſchen Wünſche nicht be- friedigen, weil ſie den Lauf der Dinge in der Welt meinetwegen nicht abändern und umkehren will. Nein, o Gott, alle dieſe Fehler will ich ernſt- lich vermeiden. Ich will meinen gegenwärtigen Stand als eine Vorbereitung und Geſchicktmachung zu dem künftigen, und meine itzigen Jahre nicht als die Zeit des Genuſſes der Frucht der Liebe, ſondern als die noch verſchloſſene Blüthe derſelben betrachten, welche dazu beſtimmt iſt, einſt unter der pflegenden Hand der Tugend zur ſchönſten und lieblichſten Frucht zu reifen. Ich will itzt als eine Vertraute der Weis- heit und Unſchuld den Keim der angenehmſten Hoff- nung pflegen, und an der Hand dieſer Begleiterinnen dem Ziele entgegen gehen, an welchem mir Genuß und Freude winken. Amen. V. Die Schaamhaftigkeit. Gott, du haſt meinem Geſchlechte ein ſehr ſtarkes und feines Gefühl von Ehre und Schande gege- ben, und unſrer Natur die wohlthätige Empfindung der Schaamhaftigkeit eingepflanzt. O möchte ich den Werth und Nutzen dieſes Geſchenks recht kennen, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/121
Zitationshilfe: Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/121>, abgerufen am 24.11.2024.