Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mangoldt, Hans von: Die Lehre vom Unternehmergewinn. Leipzig, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

Fortschritt der Landwirthschaft trete meist erst hervor, wenn die-
selbe zur Unternehmung geworden sei, so können wir hier den
Satz umkehren und sagen, sie werde meist erst zur Unternehmung,
wenn ihr die Mittel zum Fortschritt geboten seien. Ein gewisses
Productionsgebiet wird freilich den Eigengeschäften immer blei-
ben. Es beruht dieß theils in der Individualität und Dring-
lichkeit gewisser Bedürfnisse, theils in der Füglichkeit, auch die
unvermeidliche Mußezeit mancher Capitalien und Arbeitskräfte
im Eigenbetriebe nutzbar zu machen, theils in ethischen Verhält-
nissen, welche es wünschenswerth machen, einer Gemeinschaft des
Lebens, wie z. B. der Familie, auch die Grundlage eines gemein-
schaftlichen Wirthschaftsorganismus nicht zu entziehen. Und ebenso
ist es nur natürlich, daß die meisten Unternehmungen zugleich
für den eignen Bedarf der Unternehmer selbst an den Producten,
die sie liefern, Eigengeschäfte sind. Im Allgemeinen aber wird
sich, während sich der gesammte Productionskreis eines Volkes
mehr und mehr erweitert, derjenige der Eigen- und der über-
nehmenden Production relativ und absolut mehr und mehr ver-
ringern, und zwar wird der Verlauf dabei in der Regel folgen-
der sein. Im Anfang wird nahezu ausschließlich die Eigenpro-
duction herrschen; allmälig findet man es vortheilhafter, zur Her-
stellung gewisser Producte Andere zu veranlassen, welche dieselbe
übernehmen; die regelmäßige Uebernahme gewisser Productionen
wird nach und nach ein Gegenstand besonderer Vorbereitung und
abgesonderten Berufs, es entstehen unvollkommene Unterneh-
mungen; endlich gestalten sich aus diesen, Dank sei es nament-
lich der Hülfe einer gesteigerten Capitalansammlung und ei-
nes ausgebildeteren Creditwesens, vollkommene Untenehmungen.
Insbesondere der letztere Uebergang charakterisirt eine entwickelte
Volkswirthschaft. Auf den höchsten Entwickelungsstufen zeigt sich
wohl auch ein Auseinanderfallen von Unternehmung und Pro-

Fortſchritt der Landwirthſchaft trete meiſt erſt hervor, wenn die-
ſelbe zur Unternehmung geworden ſei, ſo koͤnnen wir hier den
Satz umkehren und ſagen, ſie werde meiſt erſt zur Unternehmung,
wenn ihr die Mittel zum Fortſchritt geboten ſeien. Ein gewiſſes
Productionsgebiet wird freilich den Eigengeſchaͤften immer blei-
ben. Es beruht dieß theils in der Individualitaͤt und Dring-
lichkeit gewiſſer Beduͤrfniſſe, theils in der Fuͤglichkeit, auch die
unvermeidliche Mußezeit mancher Capitalien und Arbeitskraͤfte
im Eigenbetriebe nutzbar zu machen, theils in ethiſchen Verhaͤlt-
niſſen, welche es wuͤnſchenswerth machen, einer Gemeinſchaft des
Lebens, wie z. B. der Familie, auch die Grundlage eines gemein-
ſchaftlichen Wirthſchaftsorganismus nicht zu entziehen. Und ebenſo
iſt es nur natuͤrlich, daß die meiſten Unternehmungen zugleich
fuͤr den eignen Bedarf der Unternehmer ſelbſt an den Producten,
die ſie liefern, Eigengeſchaͤfte ſind. Im Allgemeinen aber wird
ſich, waͤhrend ſich der geſammte Productionskreis eines Volkes
mehr und mehr erweitert, derjenige der Eigen- und der uͤber-
nehmenden Production relativ und abſolut mehr und mehr ver-
ringern, und zwar wird der Verlauf dabei in der Regel folgen-
der ſein. Im Anfang wird nahezu ausſchließlich die Eigenpro-
duction herrſchen; allmaͤlig findet man es vortheilhafter, zur Her-
ſtellung gewiſſer Producte Andere zu veranlaſſen, welche dieſelbe
uͤbernehmen; die regelmaͤßige Uebernahme gewiſſer Productionen
wird nach und nach ein Gegenſtand beſonderer Vorbereitung und
abgeſonderten Berufs, es entſtehen unvollkommene Unterneh-
mungen; endlich geſtalten ſich aus dieſen, Dank ſei es nament-
lich der Huͤlfe einer geſteigerten Capitalanſammlung und ei-
nes ausgebildeteren Creditweſens, vollkommene Untenehmungen.
Insbeſondere der letztere Uebergang charakteriſirt eine entwickelte
Volkswirthſchaft. Auf den hoͤchſten Entwickelungsſtufen zeigt ſich
wohl auch ein Auseinanderfallen von Unternehmung und Pro-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0082" n="70"/>
Fort&#x017F;chritt der Landwirth&#x017F;chaft trete mei&#x017F;t er&#x017F;t hervor, wenn die-<lb/>
&#x017F;elbe zur Unternehmung geworden &#x017F;ei, &#x017F;o ko&#x0364;nnen wir hier den<lb/>
Satz umkehren und &#x017F;agen, &#x017F;ie werde mei&#x017F;t er&#x017F;t zur Unternehmung,<lb/>
wenn ihr die Mittel zum Fort&#x017F;chritt geboten &#x017F;eien. Ein gewi&#x017F;&#x017F;es<lb/>
Productionsgebiet wird freilich den Eigenge&#x017F;cha&#x0364;ften immer blei-<lb/>
ben. Es beruht dieß theils in der Individualita&#x0364;t und Dring-<lb/>
lichkeit gewi&#x017F;&#x017F;er Bedu&#x0364;rfni&#x017F;&#x017F;e, theils in der Fu&#x0364;glichkeit, auch die<lb/>
unvermeidliche Mußezeit mancher Capitalien und Arbeitskra&#x0364;fte<lb/>
im Eigenbetriebe nutzbar zu machen, theils in ethi&#x017F;chen Verha&#x0364;lt-<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;en, welche es wu&#x0364;n&#x017F;chenswerth machen, einer Gemein&#x017F;chaft des<lb/>
Lebens, wie z. B. der Familie, auch die Grundlage eines gemein-<lb/>
&#x017F;chaftlichen Wirth&#x017F;chaftsorganismus nicht zu entziehen. Und eben&#x017F;o<lb/>
i&#x017F;t es nur natu&#x0364;rlich, daß die mei&#x017F;ten Unternehmungen zugleich<lb/>
fu&#x0364;r den eignen Bedarf der Unternehmer &#x017F;elb&#x017F;t an den Producten,<lb/>
die &#x017F;ie liefern, Eigenge&#x017F;cha&#x0364;fte &#x017F;ind. Im Allgemeinen aber wird<lb/>
&#x017F;ich, wa&#x0364;hrend &#x017F;ich der ge&#x017F;ammte Productionskreis eines Volkes<lb/>
mehr und mehr erweitert, derjenige der Eigen- und der u&#x0364;ber-<lb/>
nehmenden Production relativ und ab&#x017F;olut mehr und mehr ver-<lb/>
ringern, und zwar wird der Verlauf dabei in der Regel folgen-<lb/>
der &#x017F;ein. Im Anfang wird nahezu aus&#x017F;chließlich die Eigenpro-<lb/>
duction herr&#x017F;chen; allma&#x0364;lig findet man es vortheilhafter, zur Her-<lb/>
&#x017F;tellung gewi&#x017F;&#x017F;er Producte Andere zu veranla&#x017F;&#x017F;en, welche die&#x017F;elbe<lb/>
u&#x0364;bernehmen; die regelma&#x0364;ßige Uebernahme gewi&#x017F;&#x017F;er Productionen<lb/>
wird nach und nach ein Gegen&#x017F;tand be&#x017F;onderer Vorbereitung und<lb/>
abge&#x017F;onderten Berufs, es ent&#x017F;tehen unvollkommene Unterneh-<lb/>
mungen; endlich ge&#x017F;talten &#x017F;ich aus die&#x017F;en, Dank &#x017F;ei es nament-<lb/>
lich der Hu&#x0364;lfe einer ge&#x017F;teigerten Capitalan&#x017F;ammlung und ei-<lb/>
nes ausgebildeteren Creditwe&#x017F;ens, vollkommene Untenehmungen.<lb/>
Insbe&#x017F;ondere der letztere Uebergang charakteri&#x017F;irt eine entwickelte<lb/>
Volkswirth&#x017F;chaft. Auf den ho&#x0364;ch&#x017F;ten Entwickelungs&#x017F;tufen zeigt &#x017F;ich<lb/>
wohl auch ein Auseinanderfallen von Unternehmung und Pro-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[70/0082] Fortſchritt der Landwirthſchaft trete meiſt erſt hervor, wenn die- ſelbe zur Unternehmung geworden ſei, ſo koͤnnen wir hier den Satz umkehren und ſagen, ſie werde meiſt erſt zur Unternehmung, wenn ihr die Mittel zum Fortſchritt geboten ſeien. Ein gewiſſes Productionsgebiet wird freilich den Eigengeſchaͤften immer blei- ben. Es beruht dieß theils in der Individualitaͤt und Dring- lichkeit gewiſſer Beduͤrfniſſe, theils in der Fuͤglichkeit, auch die unvermeidliche Mußezeit mancher Capitalien und Arbeitskraͤfte im Eigenbetriebe nutzbar zu machen, theils in ethiſchen Verhaͤlt- niſſen, welche es wuͤnſchenswerth machen, einer Gemeinſchaft des Lebens, wie z. B. der Familie, auch die Grundlage eines gemein- ſchaftlichen Wirthſchaftsorganismus nicht zu entziehen. Und ebenſo iſt es nur natuͤrlich, daß die meiſten Unternehmungen zugleich fuͤr den eignen Bedarf der Unternehmer ſelbſt an den Producten, die ſie liefern, Eigengeſchaͤfte ſind. Im Allgemeinen aber wird ſich, waͤhrend ſich der geſammte Productionskreis eines Volkes mehr und mehr erweitert, derjenige der Eigen- und der uͤber- nehmenden Production relativ und abſolut mehr und mehr ver- ringern, und zwar wird der Verlauf dabei in der Regel folgen- der ſein. Im Anfang wird nahezu ausſchließlich die Eigenpro- duction herrſchen; allmaͤlig findet man es vortheilhafter, zur Her- ſtellung gewiſſer Producte Andere zu veranlaſſen, welche dieſelbe uͤbernehmen; die regelmaͤßige Uebernahme gewiſſer Productionen wird nach und nach ein Gegenſtand beſonderer Vorbereitung und abgeſonderten Berufs, es entſtehen unvollkommene Unterneh- mungen; endlich geſtalten ſich aus dieſen, Dank ſei es nament- lich der Huͤlfe einer geſteigerten Capitalanſammlung und ei- nes ausgebildeteren Creditweſens, vollkommene Untenehmungen. Insbeſondere der letztere Uebergang charakteriſirt eine entwickelte Volkswirthſchaft. Auf den hoͤchſten Entwickelungsſtufen zeigt ſich wohl auch ein Auseinanderfallen von Unternehmung und Pro-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mangoldt_unternehmergewinn_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mangoldt_unternehmergewinn_1855/82
Zitationshilfe: Mangoldt, Hans von: Die Lehre vom Unternehmergewinn. Leipzig, 1855, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mangoldt_unternehmergewinn_1855/82>, abgerufen am 27.11.2024.