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Männling, Johann Christoph: Der Europæische Helicon, Oder Musen-Berg. Alten Stettin, 1704.

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cibis, sed veluti condimentis, id est, non ad satieta-
tem, sed ad gratiam. Gratiam autem amittit quic-
quid immodicum est aut intempestivum. Est au-
tem acri judicio opus, accommodata rei sint Epithe-
ta,
schreibt Scaliger. l. 6. c. 4. de re poet.

Reg. 1. Bey-Wörter geben vornemlich ab/ die
Adjectiva und Substantiva, welche die Gestalt der
Adjectivorum annehmen/ e. g. der stille Schlaff/
der Schlaff der Traumbringer/ der Eisen-harte
Schmertz; Da dann zu mercken/ daß das Nomen
verbale
Bringer/ zuletzt muß gesetzt werden/ in et-
lich wenigen steht es Fornen/ als Treiber/ Auf-
treiber/ Stören-Fried. Singe-Schule.

Reg. 2. Die schönsten Epitheta werden aus den
Griechen und Lateinern gesogen/ und wer solche am
füglichsten kan angewehren/ der ist der Klügste; Da-
her Stesichorus vor den anmuthigsten Poeten ist ge-
halten worden/ weil er die Bey-Worte hat ordent-
lich anwenden können/ und ist in diesem Fall/ Hoff-
manswaldau/ Caspari, Neukirch, und Gryphius
glücklich. Poetica est quaedam musicae species, &
sicut Musicis in cantu, ita Poetis in Carmine elabo-
randum atque enitendum est, ut omni sono per-
mulceant. Sab.

Reg. 3. Die Bey-Wörter werden offt gantz
widrigen Sachen zugelegt/ e. g. der weiche Fels/ der
schöne Tod. Also wird offt dasjenige was den Per-
sonen zukommt/ andern Sachen zugeschrieben/ e. g.
Die stoltzen Wellen/ das wilde Ufer/ etc. Oder auch

den
D 4

cibis, ſed veluti condimentis, id eſt, non ad ſatieta-
tem, ſed ad gratiam. Gratiam autem amittit quic-
quid immodicum eſt aut intempeſtivum. Eſt au-
tem acri judicio opus, accommodata rei ſint Epithe-
ta,
ſchreibt Scaliger. l. 6. c. 4. de re poet.

Reg. 1. Bey-Woͤrter geben vornemlich ab/ die
Adjectiva und Subſtantiva, welche die Geſtalt der
Adjectivorum annehmen/ e. g. der ſtille Schlaff/
der Schlaff der Traumbringer/ der Eiſen-harte
Schmertz; Da dann zu mercken/ daß das Nomen
verbale
Bringer/ zuletzt muß geſetzt werden/ in et-
lich wenigen ſteht es Fornen/ als Treiber/ Auf-
treiber/ Stoͤren-Fried. Singe-Schule.

Reg. 2. Die ſchoͤnſten Epitheta werden aus den
Griechen und Lateinern geſogen/ und wer ſolche am
fuͤglichſten kan angewehren/ der iſt der Kluͤgſte; Da-
her Steſichorus vor den anmuthigſten Poeten iſt ge-
halten worden/ weil er die Bey-Worte hat ordent-
lich anwenden koͤnnen/ und iſt in dieſem Fall/ Hoff-
manswaldau/ Caſpari, Neukirch, und Gryphius
gluͤcklich. Poetica eſt quædam muſicæ ſpecies, &
ſicut Muſicis in cantu, ita Poetis in Carmine elabo-
randum atque enitendum eſt, ut omni ſono per-
mulceant. Sab.

Reg. 3. Die Bey-Woͤrter werden offt gantz
widrigen Sachen zugelegt/ e. g. der weiche Fels/ der
ſchoͤne Tod. Alſo wird offt dasjenige was den Per-
ſonen zukommt/ andern Sachen zugeſchrieben/ e. g.
Die ſtoltzen Wellen/ das wilde Ufer/ etc. Oder auch

den
D 4
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[55/0067] cibis, ſed veluti condimentis, id eſt, non ad ſatieta- tem, ſed ad gratiam. Gratiam autem amittit quic- quid immodicum eſt aut intempeſtivum. Eſt au- tem acri judicio opus, accommodata rei ſint Epithe- ta, ſchreibt Scaliger. l. 6. c. 4. de re poet. Reg. 1. Bey-Woͤrter geben vornemlich ab/ die Adjectiva und Subſtantiva, welche die Geſtalt der Adjectivorum annehmen/ e. g. der ſtille Schlaff/ der Schlaff der Traumbringer/ der Eiſen-harte Schmertz; Da dann zu mercken/ daß das Nomen verbale Bringer/ zuletzt muß geſetzt werden/ in et- lich wenigen ſteht es Fornen/ als Treiber/ Auf- treiber/ Stoͤren-Fried. Singe-Schule. Reg. 2. Die ſchoͤnſten Epitheta werden aus den Griechen und Lateinern geſogen/ und wer ſolche am fuͤglichſten kan angewehren/ der iſt der Kluͤgſte; Da- her Steſichorus vor den anmuthigſten Poeten iſt ge- halten worden/ weil er die Bey-Worte hat ordent- lich anwenden koͤnnen/ und iſt in dieſem Fall/ Hoff- manswaldau/ Caſpari, Neukirch, und Gryphius gluͤcklich. Poetica eſt quædam muſicæ ſpecies, & ſicut Muſicis in cantu, ita Poetis in Carmine elabo- randum atque enitendum eſt, ut omni ſono per- mulceant. Sab. Reg. 3. Die Bey-Woͤrter werden offt gantz widrigen Sachen zugelegt/ e. g. der weiche Fels/ der ſchoͤne Tod. Alſo wird offt dasjenige was den Per- ſonen zukommt/ andern Sachen zugeſchrieben/ e. g. Die ſtoltzen Wellen/ das wilde Ufer/ etc. Oder auch den D 4

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Zitationshilfe: Männling, Johann Christoph: Der Europæische Helicon, Oder Musen-Berg. Alten Stettin, 1704. , S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/maennling_helicon_1704/67>, abgerufen am 23.11.2024.