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Männling, Johann Christoph: Der Europæische Helicon, Oder Musen-Berg. Alten Stettin, 1704.

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Carmina perrumpunt animos oratio caelum,
Quid rerum hic ingens fortius orbis habet.

4. Daß die Poesie (2) wegen unsers Nechsten
nützlich/ ist cap. I. §. 3. erwiesen/ denn unter einer an-
dern Gestalt oder Person kan ich demselben seine ei-
gene Laster unter Augen stellen/ daß er die Applica-
tion
auff sich machen muß/ und das Böse zu meiden
Warnung und Anlaß annehmen. Darneben erfrisch
ich gleichsam dadurch seine schwache und betrübte
Geister/ daß er mitten im Trauren gleich wie mit
neuer Freude belebt wird; und weise seine Curiosität
daneben an/ meinem Gedichte nicht allein nachsin-
nen/ sondern auch das zu lernen was ihm vielleicht
bißher unbekandt ist gewesen.

5. Wie aber doch alles was wir thun/ gerne wün-
schen (3) auff unsern eignen Nutzen auch gerichtet
zu sehen/ so steht es auch mit dieser Kunst/ die schärfft
selbst unsern Verstand/ weiset das Judicium/ lehret
allerhand Sententien, Geschichte/ nachsinnliche Re-
den/ welche man mit gutem Verstande auch könne
ausser derselben anwenden; Daß daher Camerarius
bewogen worden/ diß von ihr zu schreiben: De Car-
minis exercitio existimandum est neminem posse
ullam eruditionis Laudem obtingere, neque in stu-
diis Humanitatis locum tueri ullum, qui non in hoc
genere diligenter & ipse sit versatus. Haec autem
illa Musica, estque Harmonia Artium & doctrina
Literarum pulcherrima, consensionem & suavissi-
mum concentum facit. Atque tum definitus ani-
morum se domum ostendit, cum hac vi suscitata &

his
Carmina perrumpunt animos oratio cælum,
Quid rerum hic ingens fortius orbis habet.

4. Daß die Poeſie (2) wegen unſers Nechſten
nuͤtzlich/ iſt cap. I. §. 3. erwieſen/ denn unter einer an-
dern Geſtalt oder Perſon kan ich demſelben ſeine ei-
gene Laſter unter Augen ſtellen/ daß er die Applica-
tion
auff ſich machen muß/ und das Boͤſe zu meiden
Warnung und Anlaß annehmen. Darneben erfriſch
ich gleichſam dadurch ſeine ſchwache und betruͤbte
Geiſter/ daß er mitten im Trauren gleich wie mit
neuer Freude belebt wird; und weiſe ſeine Curioſitaͤt
daneben an/ meinem Gedichte nicht allein nachſin-
nen/ ſondern auch das zu lernen was ihm vielleicht
bißher unbekandt iſt geweſen.

5. Wie aber doch alles was wir thun/ gerne wuͤn-
ſchen (3) auff unſern eignen Nutzen auch gerichtet
zu ſehen/ ſo ſteht es auch mit dieſer Kunſt/ die ſchaͤrfft
ſelbſt unſern Verſtand/ weiſet das Judicium/ lehret
allerhand Sententien, Geſchichte/ nachſinnliche Re-
den/ welche man mit gutem Verſtande auch koͤnne
auſſer derſelben anwenden; Daß daher Camerarius
bewogen worden/ diß von ihr zu ſchreiben: De Car-
minis exercitio exiſtimandum eſt neminem posſe
ullam eruditionis Laudem obtingere, neque in ſtu-
diis Humanitatis locum tueri ullum, qui non in hoc
genere diligenter & ipſe ſit verſatus. Hæc autem
illa Muſica, eſtque Harmonia Artium & doctrina
Literarum pulcherrima, conſenſionem & ſuaviſſi-
mum concentum facit. Atque tum definitus ani-
morum ſe domum oſtendit, cum hac vi ſuſcitata &

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[14/0026] Carmina perrumpunt animos oratio cælum, Quid rerum hic ingens fortius orbis habet. 4. Daß die Poeſie (2) wegen unſers Nechſten nuͤtzlich/ iſt cap. I. §. 3. erwieſen/ denn unter einer an- dern Geſtalt oder Perſon kan ich demſelben ſeine ei- gene Laſter unter Augen ſtellen/ daß er die Applica- tion auff ſich machen muß/ und das Boͤſe zu meiden Warnung und Anlaß annehmen. Darneben erfriſch ich gleichſam dadurch ſeine ſchwache und betruͤbte Geiſter/ daß er mitten im Trauren gleich wie mit neuer Freude belebt wird; und weiſe ſeine Curioſitaͤt daneben an/ meinem Gedichte nicht allein nachſin- nen/ ſondern auch das zu lernen was ihm vielleicht bißher unbekandt iſt geweſen. 5. Wie aber doch alles was wir thun/ gerne wuͤn- ſchen (3) auff unſern eignen Nutzen auch gerichtet zu ſehen/ ſo ſteht es auch mit dieſer Kunſt/ die ſchaͤrfft ſelbſt unſern Verſtand/ weiſet das Judicium/ lehret allerhand Sententien, Geſchichte/ nachſinnliche Re- den/ welche man mit gutem Verſtande auch koͤnne auſſer derſelben anwenden; Daß daher Camerarius bewogen worden/ diß von ihr zu ſchreiben: De Car- minis exercitio exiſtimandum eſt neminem posſe ullam eruditionis Laudem obtingere, neque in ſtu- diis Humanitatis locum tueri ullum, qui non in hoc genere diligenter & ipſe ſit verſatus. Hæc autem illa Muſica, eſtque Harmonia Artium & doctrina Literarum pulcherrima, conſenſionem & ſuaviſſi- mum concentum facit. Atque tum definitus ani- morum ſe domum oſtendit, cum hac vi ſuſcitata & his

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Zitationshilfe: Männling, Johann Christoph: Der Europæische Helicon, Oder Musen-Berg. Alten Stettin, 1704. , S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/maennling_helicon_1704/26>, abgerufen am 27.11.2024.