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Männling, Johann Christoph: Der Europæische Helicon, Oder Musen-Berg. Alten Stettin, 1704.

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Sind wir nun in unsrer Mutter-Sprache so glücklich
gewesen/ daß wir den Griechen und Lateinern alle ih-
re Arten haben ablernen können/ und ihnen nachah-
men/ warumb solten wir ihnen nicht auch hierinnen
nachfolgen/ wann wir nur die praxin erwehlen.

Reg. 2. Es ist aber ein Cento nichts anders/ als
eine gemeine Verß-Lese/ da ich anderer Arbeit in Gar-
ben binde/ und zu einem volkomnen Gedichte mache/
also/ daß ich bald aus diesem ein Distichon oder Stro-
phe/ bald aus jenen eine andere/ doch eben eines eintzi-
gen Authoris nehme/ nichts weder an Sylben noch
Verssen ändere/ sondern solche so ordentlich an einan-
der fuge/ als hätt ich sie selber gemacht/ und es damit
so weit bringe/ daß sie meinen Sensum exprimiren;
Daher keine andere Arbeit darinnen von nöthen ist/
als die Colligirung und in gute Ordnung versetzung/
und find ich/ daß der Herr von Bircken aus dem Opitz
solchen Cento gemacht/ so Herr Wangenseil in seiner
deutschen Reim-Kunst anführt/ und Ludwig in sei-
ner deutschen Poet. pag. 279.

Reg. 3. Zu einem Cento muß nicht mehr/ als
ein Author seine Arbeit und Versse lehnen/ da allemahl
die Stelle/ woher sie genommen/ am Rande gezeich-
net wird/ damit es nicht vor ein plagium gehalten
werde. Eben so wird auch der Titul von dem Autho-
re,
dessen Versse man sich bedienet/ gemacht/ e. g.
wann ich aus dem Horatio Verß nehme/ so heist es Ho-
ratio-Cento,
und eben so wird es auch im deutschen
heissen. Ein Exempel soll uns Hoffmanswaldau mit

sei-
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Sind wir nun in unſrer Mutter-Sprache ſo gluͤcklich
geweſen/ daß wir den Griechen und Lateinern alle ih-
re Arten haben ablernen koͤnnen/ und ihnen nachah-
men/ warumb ſolten wir ihnen nicht auch hierinnen
nachfolgen/ wann wir nur die praxin erwehlen.

Reg. 2. Es iſt aber ein Cento nichts anders/ als
eine gemeine Verß-Leſe/ da ich anderer Arbeit in Gar-
ben binde/ und zu einem volkomnen Gedichte mache/
alſo/ daß ich bald aus dieſem ein Diſtichon oder Stro-
phe/ bald aus jenen eine andere/ doch eben eines eintzi-
gen Authoris nehme/ nichts weder an Sylben noch
Verſſen aͤndere/ ſondern ſolche ſo ordentlich an einan-
der fuge/ als haͤtt ich ſie ſelber gemacht/ und es damit
ſo weit bringe/ daß ſie meinen Senſum exprimiren;
Daher keine andere Arbeit darinnen von noͤthen iſt/
als die Colligirung und in gute Ordnung verſetzung/
und find ich/ daß der Herꝛ von Bircken aus dem Opitz
ſolchen Cento gemacht/ ſo Herꝛ Wangenſeil in ſeiner
deutſchen Reim-Kunſt anfuͤhrt/ und Ludwig in ſei-
ner deutſchen Poet. pag. 279.

Reg. 3. Zu einem Cento muß nicht mehr/ als
ein Author ſeine Arbeit und Verſſe lehnen/ da allemahl
die Stelle/ woher ſie genommen/ am Rande gezeich-
net wird/ damit es nicht vor ein plagium gehalten
werde. Eben ſo wird auch der Titul von dem Autho-
re,
deſſen Verſſe man ſich bedienet/ gemacht/ e. g.
wann ich aus dem Horatio Verß nehme/ ſo heiſt es Ho-
ratio-Cento,
und eben ſo wird es auch im deutſchen
heiſſen. Ein Exempel ſoll uns Hoffmanswaldau mit

ſei-
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[169/0187] Sind wir nun in unſrer Mutter-Sprache ſo gluͤcklich geweſen/ daß wir den Griechen und Lateinern alle ih- re Arten haben ablernen koͤnnen/ und ihnen nachah- men/ warumb ſolten wir ihnen nicht auch hierinnen nachfolgen/ wann wir nur die praxin erwehlen. Reg. 2. Es iſt aber ein Cento nichts anders/ als eine gemeine Verß-Leſe/ da ich anderer Arbeit in Gar- ben binde/ und zu einem volkomnen Gedichte mache/ alſo/ daß ich bald aus dieſem ein Diſtichon oder Stro- phe/ bald aus jenen eine andere/ doch eben eines eintzi- gen Authoris nehme/ nichts weder an Sylben noch Verſſen aͤndere/ ſondern ſolche ſo ordentlich an einan- der fuge/ als haͤtt ich ſie ſelber gemacht/ und es damit ſo weit bringe/ daß ſie meinen Senſum exprimiren; Daher keine andere Arbeit darinnen von noͤthen iſt/ als die Colligirung und in gute Ordnung verſetzung/ und find ich/ daß der Herꝛ von Bircken aus dem Opitz ſolchen Cento gemacht/ ſo Herꝛ Wangenſeil in ſeiner deutſchen Reim-Kunſt anfuͤhrt/ und Ludwig in ſei- ner deutſchen Poet. pag. 279. Reg. 3. Zu einem Cento muß nicht mehr/ als ein Author ſeine Arbeit und Verſſe lehnen/ da allemahl die Stelle/ woher ſie genommen/ am Rande gezeich- net wird/ damit es nicht vor ein plagium gehalten werde. Eben ſo wird auch der Titul von dem Autho- re, deſſen Verſſe man ſich bedienet/ gemacht/ e. g. wann ich aus dem Horatio Verß nehme/ ſo heiſt es Ho- ratio-Cento, und eben ſo wird es auch im deutſchen heiſſen. Ein Exempel ſoll uns Hoffmanswaldau mit ſei- L 5

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Zitationshilfe: Männling, Johann Christoph: Der Europæische Helicon, Oder Musen-Berg. Alten Stettin, 1704. , S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/maennling_helicon_1704/187>, abgerufen am 21.11.2024.