Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Männling, Johann Christoph: Der Europæische Helicon, Oder Musen-Berg. Alten Stettin, 1704.

Bild:
<< vorherige Seite

Darunter gleichsam Dietericus dieses schreibet:

pin-
gere, fingereque pro nutu quodvis licebat.

Dem Mahler und Poet ist immer zugelassen
Sich mancher Kühnheit nach im Bilden anzumas-
sen.

Und schreibt Horatius weiter gar schön nach seiner
Art davon:

Ut Pictura, poesis est, quae si propius stes,
Te capiet magis, & quaedam si longius obstes.
Haec amat obscurum, volet haec sub luce videri
Judicis argutum quae non formidat acumen:
Haec placuit semel, haec decies repetita placebit.

Conf. Langii florileg. p. 569. b. Von Homero hat man
gedichtet/ es fielen aus seinem Munde die schönsten
Blumen und Gewürtze/ welche so wol die Philosophi
als auch Juristen/ Aertzte/ Mahler/ Poeten und an-
dere in ihre Körbe samleten. Mayfart. l. c. p. 617. Es
kan aber diese Erzehlung dergleichen Erklärung ge-
ben: Daß an der Dicht-Kunst haupt-viel gelegen sey/
so/ daß alle Disciplinen daraus ihre Erudition müs-
sen saugen/ als die Musen ihr Labsal aus den Casti-
lischen Bronnen/ und die Bienen ihren Honig von
Hybla. Maro in AEtna beschreibet die Poetische Frey-
heit gar artlich also:

Mentiti vates stygias undasque canesque
Norunt Bella Deum, norunt abscondita nobis
Conjugia & falsa quoties sub imagine peccent
Taurus in Europen, in Laedam candidus ales,
Juppiter in Danaae praetiosus fluxerit imber
Debita Carminibus Libertas ista.

Conf.
A 2

Darunter gleichſam Dietericus dieſes ſchreibet:

pin-
gere, fingereque pro nutu quodvis licebat.

Dem Mahler und Poet iſt immer zugelaſſen
Sich mancher Kuͤhnheit nach im Bilden anzumaſ-
ſen.

Und ſchreibt Horatius weiter gar ſchoͤn nach ſeiner
Art davon:

Ut Pictura, poeſis eſt, quæ ſi propius ſtes,
Te capiet magis, & quædam ſi longius obſtes.
Hæc amat obſcurum, volet hæc ſub luce videri
Judicis argutum quæ non formidat acumen:
Hæc placuit ſemel, hæc decies repetita placebit.

Conf. Langii florileg. p. 569. b. Von Homero hat man
gedichtet/ es fielen aus ſeinem Munde die ſchoͤnſten
Blumen und Gewuͤrtze/ welche ſo wol die Philoſophi
als auch Juriſten/ Aertzte/ Mahler/ Poeten und an-
dere in ihre Koͤrbe ſamleten. Mayfart. l. c. p. 617. Es
kan aber dieſe Erzehlung dergleichen Erklaͤrung ge-
ben: Daß an der Dicht-Kunſt haupt-viel gelegen ſey/
ſo/ daß alle Diſciplinen daraus ihre Erudition muͤſ-
ſen ſaugen/ als die Muſen ihr Labſal aus den Caſti-
liſchen Bronnen/ und die Bienen ihren Honig von
Hybla. Maro in Ætna beſchreibet die Poetiſche Frey-
heit gar artlich alſo:

Mentiti vates ſtygias undasque canesque
Norunt Bella Deum, norunt abſcondita nobis
Conjugia & falſa quoties ſub imagine peccent
Taurus in Europen, in Lædam candidus ales,
Juppiter in Danaæ prætioſus fluxerit imber
Debita Carminibus Libertas iſta.

Conf.
A 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0015" n="3"/>
          <p>Darunter gleich&#x017F;am <hi rendition="#aq">Dietericus</hi> die&#x017F;es &#x017F;chreibet:</p>
          <cit>
            <quote> <hi rendition="#aq">pin-<lb/>
gere, fingereque pro nutu quodvis licebat.</hi> </quote>
            <bibl/>
          </cit><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Dem Mahler und Poet i&#x017F;t immer zugela&#x017F;&#x017F;en</l><lb/>
            <l>Sich mancher Ku&#x0364;hnheit nach im Bilden anzuma&#x017F;-</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">&#x017F;en.</hi> </l>
          </lg><lb/>
          <p>Und &#x017F;chreibt <hi rendition="#aq">Horatius</hi> weiter gar &#x017F;cho&#x0364;n nach &#x017F;einer<lb/>
Art davon:</p><lb/>
          <cit>
            <quote> <hi rendition="#aq">Ut Pictura, poe&#x017F;is e&#x017F;t, quæ &#x017F;i propius &#x017F;tes,<lb/>
Te capiet magis, &amp; quædam &#x017F;i longius ob&#x017F;tes.<lb/>
Hæc amat ob&#x017F;curum, volet hæc &#x017F;ub luce videri<lb/>
Judicis argutum quæ non formidat acumen:<lb/>
Hæc placuit &#x017F;emel, hæc decies repetita placebit.</hi> </quote>
            <bibl/>
          </cit><lb/>
          <p><hi rendition="#aq">Conf. Langii florileg. p. 569. b.</hi> Von <hi rendition="#aq">Homero</hi> hat man<lb/>
gedichtet/ es fielen aus &#x017F;einem Munde die &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten<lb/>
Blumen und Gewu&#x0364;rtze/ welche &#x017F;o wol die Philo&#x017F;ophi<lb/>
als auch Juri&#x017F;ten/ Aertzte/ Mahler/ Poeten und an-<lb/>
dere in ihre Ko&#x0364;rbe &#x017F;amleten. <hi rendition="#aq">Mayfart. l. c. p.</hi> 617. Es<lb/>
kan aber die&#x017F;e Erzehlung dergleichen Erkla&#x0364;rung ge-<lb/>
ben: Daß an der Dicht-Kun&#x017F;t haupt-viel gelegen &#x017F;ey/<lb/>
&#x017F;o/ daß alle <hi rendition="#aq">Di&#x017F;ciplinen</hi> daraus ihre <hi rendition="#aq">Erudition</hi> mu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en &#x017F;augen/ als die Mu&#x017F;en ihr Lab&#x017F;al aus den Ca&#x017F;ti-<lb/>
li&#x017F;chen Bronnen/ und die Bienen ihren Honig von<lb/><hi rendition="#aq">Hybla. Maro</hi> in <hi rendition="#aq">Ætna</hi> be&#x017F;chreibet die Poeti&#x017F;che Frey-<lb/>
heit gar artlich al&#x017F;o:</p><lb/>
          <cit>
            <quote> <hi rendition="#aq">Mentiti vates &#x017F;tygias undasque canesque<lb/>
Norunt Bella Deum, norunt ab&#x017F;condita nobis<lb/>
Conjugia &amp; fal&#x017F;a quoties &#x017F;ub imagine peccent<lb/>
Taurus in Europen, in Lædam candidus ales,<lb/>
Juppiter in Danaæ prætio&#x017F;us fluxerit imber<lb/>
Debita Carminibus Libertas i&#x017F;ta.</hi> </quote>
            <bibl/>
          </cit><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">A 2</fw>
          <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#aq">Conf.</hi> </fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[3/0015] Darunter gleichſam Dietericus dieſes ſchreibet: pin- gere, fingereque pro nutu quodvis licebat. Dem Mahler und Poet iſt immer zugelaſſen Sich mancher Kuͤhnheit nach im Bilden anzumaſ- ſen. Und ſchreibt Horatius weiter gar ſchoͤn nach ſeiner Art davon: Ut Pictura, poeſis eſt, quæ ſi propius ſtes, Te capiet magis, & quædam ſi longius obſtes. Hæc amat obſcurum, volet hæc ſub luce videri Judicis argutum quæ non formidat acumen: Hæc placuit ſemel, hæc decies repetita placebit. Conf. Langii florileg. p. 569. b. Von Homero hat man gedichtet/ es fielen aus ſeinem Munde die ſchoͤnſten Blumen und Gewuͤrtze/ welche ſo wol die Philoſophi als auch Juriſten/ Aertzte/ Mahler/ Poeten und an- dere in ihre Koͤrbe ſamleten. Mayfart. l. c. p. 617. Es kan aber dieſe Erzehlung dergleichen Erklaͤrung ge- ben: Daß an der Dicht-Kunſt haupt-viel gelegen ſey/ ſo/ daß alle Diſciplinen daraus ihre Erudition muͤſ- ſen ſaugen/ als die Muſen ihr Labſal aus den Caſti- liſchen Bronnen/ und die Bienen ihren Honig von Hybla. Maro in Ætna beſchreibet die Poetiſche Frey- heit gar artlich alſo: Mentiti vates ſtygias undasque canesque Norunt Bella Deum, norunt abſcondita nobis Conjugia & falſa quoties ſub imagine peccent Taurus in Europen, in Lædam candidus ales, Juppiter in Danaæ prætioſus fluxerit imber Debita Carminibus Libertas iſta. Conf. A 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Bei der Ausgabe von 1704 handelt es sich, um die … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/maennling_helicon_1704
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/maennling_helicon_1704/15
Zitationshilfe: Männling, Johann Christoph: Der Europæische Helicon, Oder Musen-Berg. Alten Stettin, 1704. , S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/maennling_helicon_1704/15>, abgerufen am 21.11.2024.