Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883.Beziehungen der Mechanik zu andern Wissensgebieten. des Specialwissens unter das Gesammtwissen liegt einebesondere Philosophie, die von jedem Specialforscher gefordert werden kann. Ihr Mangel äussert sich durch das Auftreten vermeintlicher Probleme, in deren Auf- stellung schon, einerlei ob man sie als lösbar betrachtet oder nicht, eine Verkehrtheit liegt. Ein solches Ueber- schätzen der Physik gegenüber der Physiologie, ein Verkennen des wahren Verhältnisses, spricht sich in der Frage aus, ob es möglich sei, die Empfindungen durch Bewegung der Atome zu erklären? Forschen wir nach den Umständen, die zu einer so Ein Körper ist eine verhältnissmässig beständige Es hiesse also wol das Einfachere und näher Liegende Beziehungen der Mechanik zu andern Wissensgebieten. des Specialwissens unter das Gesammtwissen liegt einebesondere Philosophie, die von jedem Specialforscher gefordert werden kann. Ihr Mangel äussert sich durch das Auftreten vermeintlicher Probleme, in deren Auf- stellung schon, einerlei ob man sie als lösbar betrachtet oder nicht, eine Verkehrtheit liegt. Ein solches Ueber- schätzen der Physik gegenüber der Physiologie, ein Verkennen des wahren Verhältnisses, spricht sich in der Frage aus, ob es möglich sei, die Empfindungen durch Bewegung der Atome zu erklären? Forschen wir nach den Umständen, die zu einer so Ein Körper ist eine verhältnissmässig beständige Es hiesse also wol das Einfachere und näher Liegende <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0489" n="477"/><fw place="top" type="header">Beziehungen der Mechanik zu andern Wissensgebieten.</fw><lb/> des Specialwissens unter das Gesammtwissen liegt eine<lb/> besondere Philosophie, die von jedem Specialforscher<lb/> gefordert werden kann. Ihr Mangel äussert sich durch<lb/> das Auftreten vermeintlicher Probleme, in deren Auf-<lb/> stellung schon, einerlei ob man sie als lösbar betrachtet<lb/> oder nicht, eine Verkehrtheit liegt. Ein solches Ueber-<lb/> schätzen der Physik gegenüber der Physiologie, ein<lb/> Verkennen des wahren Verhältnisses, spricht sich in der<lb/> Frage aus, ob es möglich sei, die Empfindungen durch<lb/> Bewegung der Atome zu <hi rendition="#g">erklären</hi>?</p><lb/> <p>Forschen wir nach den Umständen, die zu einer so<lb/> sonderbaren Frage drängen können. Zunächst bemer-<lb/> ken wir, dass allen Erfahrungen über räumliche und<lb/> zeitliche Verhältnisse ein grösseres <hi rendition="#g">Vertrauen</hi> entgegen-<lb/> gebracht wird, dass man ihnen einen objectiveren, <hi rendition="#g">rea-<lb/> leren</hi> Charakter zuschreibt, als Erfahrungen über Far-<lb/> ben, Töne, Wärmen u. s. w. Doch kann man bei ge-<lb/> nauerer Untersuchung sich nicht darüber täuschen, dass<lb/> Raum- und Zeitempfindungen ebenso <hi rendition="#g">Empfindungen</hi><lb/> sind wie Farben-, Ton-, Geruchsempfindungen, nur dass<lb/> wir in Uebersicht der erstern viel geübter und klarer<lb/> sind als in Bezug auf letztere. Raum und Zeit sind<lb/> wohlgeordnete Systeme von Empfindungsreihen. Die<lb/> Grössen in den Gleichungen der Mechanik sind nichts<lb/> als Ordnungszeichen der in der Vorstellung herauszu-<lb/> hebenden Glieder dieser Reihen. Die Gleichungen<lb/> drücken die Abhängigkeit dieser Ordnungszeichen von-<lb/> einander aus.</p><lb/> <p>Ein Körper ist eine verhältnissmässig beständige<lb/> Summe von Tast- und Lichtempfindungen, die an die-<lb/> selben Raum- und Zeitempfindungen geknüpft ist.<lb/> Mechanische Sätze, wie z. B. jener der Gegenbeschleu-<lb/> nigung zweier Massen, geben unmittelbar oder mittel-<lb/> bar den Zusammenhang von Tast-, Licht-, Raum- und<lb/> Zeitempfindungen. Sie erhalten <hi rendition="#g">nur</hi> (durch den oft<lb/> complicirten) Empfindungsinhalt einen <hi rendition="#g">verständlichen<lb/> Sinn</hi>.</p><lb/> <p>Es hiesse also wol das Einfachere und näher Liegende<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [477/0489]
Beziehungen der Mechanik zu andern Wissensgebieten.
des Specialwissens unter das Gesammtwissen liegt eine
besondere Philosophie, die von jedem Specialforscher
gefordert werden kann. Ihr Mangel äussert sich durch
das Auftreten vermeintlicher Probleme, in deren Auf-
stellung schon, einerlei ob man sie als lösbar betrachtet
oder nicht, eine Verkehrtheit liegt. Ein solches Ueber-
schätzen der Physik gegenüber der Physiologie, ein
Verkennen des wahren Verhältnisses, spricht sich in der
Frage aus, ob es möglich sei, die Empfindungen durch
Bewegung der Atome zu erklären?
Forschen wir nach den Umständen, die zu einer so
sonderbaren Frage drängen können. Zunächst bemer-
ken wir, dass allen Erfahrungen über räumliche und
zeitliche Verhältnisse ein grösseres Vertrauen entgegen-
gebracht wird, dass man ihnen einen objectiveren, rea-
leren Charakter zuschreibt, als Erfahrungen über Far-
ben, Töne, Wärmen u. s. w. Doch kann man bei ge-
nauerer Untersuchung sich nicht darüber täuschen, dass
Raum- und Zeitempfindungen ebenso Empfindungen
sind wie Farben-, Ton-, Geruchsempfindungen, nur dass
wir in Uebersicht der erstern viel geübter und klarer
sind als in Bezug auf letztere. Raum und Zeit sind
wohlgeordnete Systeme von Empfindungsreihen. Die
Grössen in den Gleichungen der Mechanik sind nichts
als Ordnungszeichen der in der Vorstellung herauszu-
hebenden Glieder dieser Reihen. Die Gleichungen
drücken die Abhängigkeit dieser Ordnungszeichen von-
einander aus.
Ein Körper ist eine verhältnissmässig beständige
Summe von Tast- und Lichtempfindungen, die an die-
selben Raum- und Zeitempfindungen geknüpft ist.
Mechanische Sätze, wie z. B. jener der Gegenbeschleu-
nigung zweier Massen, geben unmittelbar oder mittel-
bar den Zusammenhang von Tast-, Licht-, Raum- und
Zeitempfindungen. Sie erhalten nur (durch den oft
complicirten) Empfindungsinhalt einen verständlichen
Sinn.
Es hiesse also wol das Einfachere und näher Liegende
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