Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883.Viertes Kapitel. uns erinnern, nur gewonnen werden, indem abwechselnddas Einzelne und das Ganze der Naturvorgänge be- trachtet wurde. Man kann bei der Nachbildung der mechanischen Naturvorgänge in Gedanken von den Eigenschaften der einzelnen Massen (von den Elementar- gesetzen) ausgehen, und das Bild des Vorganges zu- sammensetzen. Man kann sich aber auch an die Eigen- schaften des ganzen Systems (an die Integralgesetze) halten. Da aber die Eigenschaften einer Masse immer Beziehungen zu andern Massen enthalten, z. B. in der Geschwindigkeit und Beschleunigung schon eine Be- ziehung auf die Zeit, also auf die ganze Welt liegt, so erkennt man, dass es reine Elementargesetze eigent- lich gar nicht gibt. Es wäre also inconsequent, wenn man den doch unentbehrlichen Blick auf das Ganze, auf allgemeinere Eigenschaften, als weniger sicher aus- schliessen wollte. Wir werden nur, je allgemeiner ein neuer Satz, und je grösser dessen Tragweite ist, mit Rücksicht auf die Möglichkeit des Irrthums, desto bessere Proben für denselben verlangen. Die Vorstellung von dem Wirken eines Willens und Viertes Kapitel. uns erinnern, nur gewonnen werden, indem abwechselnddas Einzelne und das Ganze der Naturvorgänge be- trachtet wurde. Man kann bei der Nachbildung der mechanischen Naturvorgänge in Gedanken von den Eigenschaften der einzelnen Massen (von den Elementar- gesetzen) ausgehen, und das Bild des Vorganges zu- sammensetzen. Man kann sich aber auch an die Eigen- schaften des ganzen Systems (an die Integralgesetze) halten. Da aber die Eigenschaften einer Masse immer Beziehungen zu andern Massen enthalten, z. B. in der Geschwindigkeit und Beschleunigung schon eine Be- ziehung auf die Zeit, also auf die ganze Welt liegt, so erkennt man, dass es reine Elementargesetze eigent- lich gar nicht gibt. Es wäre also inconsequent, wenn man den doch unentbehrlichen Blick auf das Ganze, auf allgemeinere Eigenschaften, als weniger sicher aus- schliessen wollte. Wir werden nur, je allgemeiner ein neuer Satz, und je grösser dessen Tragweite ist, mit Rücksicht auf die Möglichkeit des Irrthums, desto bessere Proben für denselben verlangen. Die Vorstellung von dem Wirken eines Willens und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0446" n="434"/><fw place="top" type="header">Viertes Kapitel.</fw><lb/> uns erinnern, nur gewonnen werden, indem abwechselnd<lb/> das Einzelne und das Ganze der Naturvorgänge be-<lb/> trachtet wurde. Man kann bei der Nachbildung der<lb/> mechanischen Naturvorgänge in Gedanken von den<lb/> Eigenschaften der einzelnen Massen (von den Elementar-<lb/> gesetzen) ausgehen, und das Bild des Vorganges zu-<lb/> sammensetzen. Man kann sich aber auch an die Eigen-<lb/> schaften des ganzen Systems (an die Integralgesetze)<lb/> halten. Da aber die Eigenschaften einer Masse immer<lb/> Beziehungen zu andern Massen enthalten, z. B. in der<lb/> Geschwindigkeit und Beschleunigung schon eine Be-<lb/> ziehung auf die Zeit, also auf die ganze Welt liegt,<lb/> so erkennt man, dass es <hi rendition="#g">reine</hi> Elementargesetze eigent-<lb/> lich gar nicht gibt. Es wäre also inconsequent, wenn<lb/> man den doch unentbehrlichen Blick auf das Ganze,<lb/> auf allgemeinere Eigenschaften, als weniger sicher aus-<lb/> schliessen wollte. Wir werden nur, je allgemeiner ein<lb/> neuer Satz, und je grösser dessen Tragweite ist, mit<lb/> Rücksicht auf die Möglichkeit des Irrthums, desto<lb/><hi rendition="#g">bessere Proben</hi> für denselben verlangen.</p><lb/> <p>Die Vorstellung von dem Wirken eines Willens und<lb/> einer Intelligenz in der Natur ist keineswegs durch<lb/> den christlichen Monotheismus allein erzeugt. Dieselbe<lb/> ist vielmehr dem Heidenthum und dem Fetischismus<lb/> vollkommen geläufig. Das Heidenthum sucht den<lb/> Willen und die Intelligenz nur im Einzelnen, während<lb/> der Monotheismus den Ausdruck derselben im Ganzen<lb/> vermuthet. Einen reinen Monotheismus gibt es übrigens<lb/> thatsächlich nicht. Der jüdische Monotheismus der<lb/> Bibel ist von dem Glauben an Dämonen, Zauberer und<lb/> Hexen durchaus nicht frei, der christliche Monotheis-<lb/> mus des Mittelalters ist an solchen heidnischen Vor-<lb/> stellungen noch viel reicher. Von dem bestialischen<lb/> Sport, den Kirche und Staat mit dem Hexenfoltern und<lb/> Hexenverbrennen getrieben haben, und der wol<lb/> grösstentheils nicht durch Gewinnsucht, sondern eben<lb/> durch die erwähnten Vorstellungen bedingt war, wollen<lb/> wir schweigen. Tylor hat in seiner lehrreichen Schrift<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [434/0446]
Viertes Kapitel.
uns erinnern, nur gewonnen werden, indem abwechselnd
das Einzelne und das Ganze der Naturvorgänge be-
trachtet wurde. Man kann bei der Nachbildung der
mechanischen Naturvorgänge in Gedanken von den
Eigenschaften der einzelnen Massen (von den Elementar-
gesetzen) ausgehen, und das Bild des Vorganges zu-
sammensetzen. Man kann sich aber auch an die Eigen-
schaften des ganzen Systems (an die Integralgesetze)
halten. Da aber die Eigenschaften einer Masse immer
Beziehungen zu andern Massen enthalten, z. B. in der
Geschwindigkeit und Beschleunigung schon eine Be-
ziehung auf die Zeit, also auf die ganze Welt liegt,
so erkennt man, dass es reine Elementargesetze eigent-
lich gar nicht gibt. Es wäre also inconsequent, wenn
man den doch unentbehrlichen Blick auf das Ganze,
auf allgemeinere Eigenschaften, als weniger sicher aus-
schliessen wollte. Wir werden nur, je allgemeiner ein
neuer Satz, und je grösser dessen Tragweite ist, mit
Rücksicht auf die Möglichkeit des Irrthums, desto
bessere Proben für denselben verlangen.
Die Vorstellung von dem Wirken eines Willens und
einer Intelligenz in der Natur ist keineswegs durch
den christlichen Monotheismus allein erzeugt. Dieselbe
ist vielmehr dem Heidenthum und dem Fetischismus
vollkommen geläufig. Das Heidenthum sucht den
Willen und die Intelligenz nur im Einzelnen, während
der Monotheismus den Ausdruck derselben im Ganzen
vermuthet. Einen reinen Monotheismus gibt es übrigens
thatsächlich nicht. Der jüdische Monotheismus der
Bibel ist von dem Glauben an Dämonen, Zauberer und
Hexen durchaus nicht frei, der christliche Monotheis-
mus des Mittelalters ist an solchen heidnischen Vor-
stellungen noch viel reicher. Von dem bestialischen
Sport, den Kirche und Staat mit dem Hexenfoltern und
Hexenverbrennen getrieben haben, und der wol
grösstentheils nicht durch Gewinnsucht, sondern eben
durch die erwähnten Vorstellungen bedingt war, wollen
wir schweigen. Tylor hat in seiner lehrreichen Schrift
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