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Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883.

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Viertes Kapitel.
Blättchen der Federfahne wiederholt ähnliche Verhält-
nisse im Kleinen. Es würde bedeutende technische
Kenntnisse erfordern, eine solche Feder in ihrer Zweck-
mässigkeit auch nur nachzubilden, geschweige denn sie
zu erfinden. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass
nicht die blosse Bewunderung, sondern die Erforschung
die Aufgabe der Wissenschaft ist. Es ist bekannt, in
welcher Weise Darwin nach seiner Theorie der An-
passung diese Fragen zu lösen sucht. Dass die Dar-
win'sche Auflösung eine vollständige sei, kann billig
bezweifelt werden; Darwin selbst bezweifelt es. Alle
äussern Umstände vermöchten nichts, wenn nicht etwas
da wäre, was sich anpassen will. Darüber aber kann
kein Zweifel sein, dass die Darwin'sche Theorie der erste
ernste Versuch ist, an die Stelle der blossen Bewun-
derung der organischen Natur die Erforschung zu setzen.

Des Pappus Ideen über die Bienenzellen werden noch
im 18. Jahrhundert lebhaft discutirt. Wood erzählt in
seiner 1867 erschienenen Schrift: "Ueber die Nester
der Thiere", folgende Geschichte: "Maraldi war die
grosse Regelmässigkeit der Bienenzellen aufgefallen.
Er maass die Winkel der rautenförmigen Grenzflächen
und fand dieselben 109° 28' und 70° 32'. Reaumur in
der Ueberzeugung, dass diese Winkel mit der Oekono-
mie der Zelle zusammenhängen müssten, bat den Mathe-
matiker König, jene Form eines sechsseitigen durch drei
Rauten geschlossenen Gefässes zu berechnen, bei welcher
der grösste Inhalt mit der kleinsten Oberfläche zu-
sammentrifft. Reaumur erhielt die Antwort, dass die
Winkel der Rauten 109° 26' und 70° 34' betragen
müssten. Der Unterschied betrug also zwei Minuten.
Maclaurin, von dieser Uebereinstimmung nicht befriedigt,
wiederholte die Messung von Maraldi, fand sie richtig,
und bemerkte bei Wiederholung der Rechnung einen
Fehler in der von König verwendeten Logarithmentafel.
Nicht die Bienen also, sondern der Mathematiker hatte
gefehlt, und die Bienen hatten zur Aufdeckung des
Fehlers verholfen! "Wem es bekannt ist, wie man Krystalle

Viertes Kapitel.
Blättchen der Federfahne wiederholt ähnliche Verhält-
nisse im Kleinen. Es würde bedeutende technische
Kenntnisse erfordern, eine solche Feder in ihrer Zweck-
mässigkeit auch nur nachzubilden, geschweige denn sie
zu erfinden. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass
nicht die blosse Bewunderung, sondern die Erforschung
die Aufgabe der Wissenschaft ist. Es ist bekannt, in
welcher Weise Darwin nach seiner Theorie der An-
passung diese Fragen zu lösen sucht. Dass die Dar-
win’sche Auflösung eine vollständige sei, kann billig
bezweifelt werden; Darwin selbst bezweifelt es. Alle
äussern Umstände vermöchten nichts, wenn nicht etwas
da wäre, was sich anpassen will. Darüber aber kann
kein Zweifel sein, dass die Darwin’sche Theorie der erste
ernste Versuch ist, an die Stelle der blossen Bewun-
derung der organischen Natur die Erforschung zu setzen.

Des Pappus Ideen über die Bienenzellen werden noch
im 18. Jahrhundert lebhaft discutirt. Wood erzählt in
seiner 1867 erschienenen Schrift: „Ueber die Nester
der Thiere‟, folgende Geschichte: „Maraldi war die
grosse Regelmässigkeit der Bienenzellen aufgefallen.
Er maass die Winkel der rautenförmigen Grenzflächen
und fand dieselben 109° 28′ und 70° 32′. Réaumur in
der Ueberzeugung, dass diese Winkel mit der Oekono-
mie der Zelle zusammenhängen müssten, bat den Mathe-
matiker König, jene Form eines sechsseitigen durch drei
Rauten geschlossenen Gefässes zu berechnen, bei welcher
der grösste Inhalt mit der kleinsten Oberfläche zu-
sammentrifft. Réaumur erhielt die Antwort, dass die
Winkel der Rauten 109° 26′ und 70° 34′ betragen
müssten. Der Unterschied betrug also zwei Minuten.
Maclaurin, von dieser Uebereinstimmung nicht befriedigt,
wiederholte die Messung von Maraldi, fand sie richtig,
und bemerkte bei Wiederholung der Rechnung einen
Fehler in der von König verwendeten Logarithmentafel.
Nicht die Bienen also, sondern der Mathematiker hatte
gefehlt, und die Bienen hatten zur Aufdeckung des
Fehlers verholfen! „Wem es bekannt ist, wie man Krystalle

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[426/0438] Viertes Kapitel. Blättchen der Federfahne wiederholt ähnliche Verhält- nisse im Kleinen. Es würde bedeutende technische Kenntnisse erfordern, eine solche Feder in ihrer Zweck- mässigkeit auch nur nachzubilden, geschweige denn sie zu erfinden. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass nicht die blosse Bewunderung, sondern die Erforschung die Aufgabe der Wissenschaft ist. Es ist bekannt, in welcher Weise Darwin nach seiner Theorie der An- passung diese Fragen zu lösen sucht. Dass die Dar- win’sche Auflösung eine vollständige sei, kann billig bezweifelt werden; Darwin selbst bezweifelt es. Alle äussern Umstände vermöchten nichts, wenn nicht etwas da wäre, was sich anpassen will. Darüber aber kann kein Zweifel sein, dass die Darwin’sche Theorie der erste ernste Versuch ist, an die Stelle der blossen Bewun- derung der organischen Natur die Erforschung zu setzen. Des Pappus Ideen über die Bienenzellen werden noch im 18. Jahrhundert lebhaft discutirt. Wood erzählt in seiner 1867 erschienenen Schrift: „Ueber die Nester der Thiere‟, folgende Geschichte: „Maraldi war die grosse Regelmässigkeit der Bienenzellen aufgefallen. Er maass die Winkel der rautenförmigen Grenzflächen und fand dieselben 109° 28′ und 70° 32′. Réaumur in der Ueberzeugung, dass diese Winkel mit der Oekono- mie der Zelle zusammenhängen müssten, bat den Mathe- matiker König, jene Form eines sechsseitigen durch drei Rauten geschlossenen Gefässes zu berechnen, bei welcher der grösste Inhalt mit der kleinsten Oberfläche zu- sammentrifft. Réaumur erhielt die Antwort, dass die Winkel der Rauten 109° 26′ und 70° 34′ betragen müssten. Der Unterschied betrug also zwei Minuten. Maclaurin, von dieser Uebereinstimmung nicht befriedigt, wiederholte die Messung von Maraldi, fand sie richtig, und bemerkte bei Wiederholung der Rechnung einen Fehler in der von König verwendeten Logarithmentafel. Nicht die Bienen also, sondern der Mathematiker hatte gefehlt, und die Bienen hatten zur Aufdeckung des Fehlers verholfen! „Wem es bekannt ist, wie man Krystalle

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Zitationshilfe: Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883, S. 426. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883/438>, abgerufen am 23.11.2024.