Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883.Die formelle Entwickelung der Mechanik. wenn nur dieser Druck gewichen wäre. Allerdingswar der Kampf der Forscher gegen die fremde äussere Gewalt kein unbedeutender. Der Kirche war auch in diesem Kampfe kein Mittel zu schlecht, welches zum Siege verhelfen konnte, und sie ist hierbei eigen- nütziger, rücksichtsloser und grausamer vorgegangen als irgendeine andere politische Partei. Einen nicht geringen Kampf hatten aber auch die Forscher mit ihren eigenen hergebrachten Ideen zu bestehen, nament- lich mit dem Vorurtheil, dass alles theologisch be- handelt werden müsse. Nur allmählich und langsam wurde dieses Vorurtheil überwunden. 2. Lassen wir die Thatsachen sprechen, und machen Napier, der Erfinder der Logarithmen, ein strenger Wenn wir auch kein besonderes Gewicht darauf legen, Die formelle Entwickelung der Mechanik. wenn nur dieser Druck gewichen wäre. Allerdingswar der Kampf der Forscher gegen die fremde äussere Gewalt kein unbedeutender. Der Kirche war auch in diesem Kampfe kein Mittel zu schlecht, welches zum Siege verhelfen konnte, und sie ist hierbei eigen- nütziger, rücksichtsloser und grausamer vorgegangen als irgendeine andere politische Partei. Einen nicht geringen Kampf hatten aber auch die Forscher mit ihren eigenen hergebrachten Ideen zu bestehen, nament- lich mit dem Vorurtheil, dass alles theologisch be- handelt werden müsse. Nur allmählich und langsam wurde dieses Vorurtheil überwunden. 2. Lassen wir die Thatsachen sprechen, und machen Napier, der Erfinder der Logarithmen, ein strenger Wenn wir auch kein besonderes Gewicht darauf legen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0433" n="421"/><fw place="top" type="header">Die formelle Entwickelung der Mechanik.</fw><lb/> wenn <hi rendition="#g">nur</hi> dieser Druck gewichen wäre. Allerdings<lb/> war der Kampf der Forscher gegen die fremde äussere<lb/> Gewalt kein unbedeutender. Der Kirche war auch<lb/> in diesem Kampfe kein Mittel zu schlecht, welches<lb/> zum Siege verhelfen konnte, und sie ist hierbei eigen-<lb/> nütziger, rücksichtsloser und grausamer vorgegangen<lb/> als irgendeine andere politische Partei. Einen nicht<lb/> geringen Kampf hatten aber auch die Forscher mit<lb/> ihren eigenen hergebrachten Ideen zu bestehen, nament-<lb/> lich mit dem Vorurtheil, dass alles theologisch be-<lb/> handelt werden müsse. Nur allmählich und langsam<lb/> wurde dieses Vorurtheil überwunden.</p><lb/> <p>2. Lassen wir die Thatsachen sprechen, und machen<lb/> wir zunächst einige persönliche Bekanntschaften!</p><lb/> <p>Napier, der Erfinder der Logarithmen, ein strenger<lb/> Puritaner, welcher im 16. Jahrhundert lebte, war neben-<lb/> bei ein eifriger Theologe. Er verlegte sich auf höchst<lb/> sonderbare Speculationen. Er schrieb eine Auslegung<lb/> der Apokalypse mit Propositionen und mathematischen<lb/> Beweisen. Proposition 26 behauptet z. B., dass der<lb/> Papst der Antichrist sei, Proposition 36 lehrt, dass die<lb/> Heuschrecken die Türken und Mohammedaner seien u. s. w.</p><lb/> <p>Wenn wir auch kein besonderes Gewicht darauf legen,<lb/> dass Blaise Pascal (17. Jahrhundert), einer der genialsten<lb/> Denker auf dem Gebiete der Mathematik und Physik,<lb/> höchst orthodox und ascetisch war, dass er trotz seines<lb/> milden Charakters zu Rouen einen Lehrer der Philo-<lb/> sophie aus voller Ueberzeugung als Ketzer denun-<lb/> cirte, dass die Heilung seiner Schwester durch Be-<lb/> rührung einer Reliquie einen tiefen Eindruck auf<lb/> ihn machte, und dass er dieselbe als ein Wunder an-<lb/> sah, wenn wir auch darauf kein Gewicht legen, weil<lb/> seine ganze zu religiöser Schwärmerei neigende Familie<lb/> in diesem Punkte sehr schwach war, so gibt es doch<lb/> noch andere Beispiele dieser Art genug. Die tiefe<lb/> Religiosität Pascal’s zeigt sich in seinem Entschlusse,<lb/> die Wissenschaften gänzlich aufzugeben, und nur dem<lb/> Christenthum zu leben. Wenn er Trost suche, pflegte<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [421/0433]
Die formelle Entwickelung der Mechanik.
wenn nur dieser Druck gewichen wäre. Allerdings
war der Kampf der Forscher gegen die fremde äussere
Gewalt kein unbedeutender. Der Kirche war auch
in diesem Kampfe kein Mittel zu schlecht, welches
zum Siege verhelfen konnte, und sie ist hierbei eigen-
nütziger, rücksichtsloser und grausamer vorgegangen
als irgendeine andere politische Partei. Einen nicht
geringen Kampf hatten aber auch die Forscher mit
ihren eigenen hergebrachten Ideen zu bestehen, nament-
lich mit dem Vorurtheil, dass alles theologisch be-
handelt werden müsse. Nur allmählich und langsam
wurde dieses Vorurtheil überwunden.
2. Lassen wir die Thatsachen sprechen, und machen
wir zunächst einige persönliche Bekanntschaften!
Napier, der Erfinder der Logarithmen, ein strenger
Puritaner, welcher im 16. Jahrhundert lebte, war neben-
bei ein eifriger Theologe. Er verlegte sich auf höchst
sonderbare Speculationen. Er schrieb eine Auslegung
der Apokalypse mit Propositionen und mathematischen
Beweisen. Proposition 26 behauptet z. B., dass der
Papst der Antichrist sei, Proposition 36 lehrt, dass die
Heuschrecken die Türken und Mohammedaner seien u. s. w.
Wenn wir auch kein besonderes Gewicht darauf legen,
dass Blaise Pascal (17. Jahrhundert), einer der genialsten
Denker auf dem Gebiete der Mathematik und Physik,
höchst orthodox und ascetisch war, dass er trotz seines
milden Charakters zu Rouen einen Lehrer der Philo-
sophie aus voller Ueberzeugung als Ketzer denun-
cirte, dass die Heilung seiner Schwester durch Be-
rührung einer Reliquie einen tiefen Eindruck auf
ihn machte, und dass er dieselbe als ein Wunder an-
sah, wenn wir auch darauf kein Gewicht legen, weil
seine ganze zu religiöser Schwärmerei neigende Familie
in diesem Punkte sehr schwach war, so gibt es doch
noch andere Beispiele dieser Art genug. Die tiefe
Religiosität Pascal’s zeigt sich in seinem Entschlusse,
die Wissenschaften gänzlich aufzugeben, und nur dem
Christenthum zu leben. Wenn er Trost suche, pflegte
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |