Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883.Drittes Kapitel. Zusammensetzung der Bewegungen und "Impulse". BeiBildung dieser Vorstellungen schlägt er einen ähnlichen Weg ein wie später Roberval. Er spricht von theil- weise gleichen und entgegengesetzten, von voll ent- gegengesetzten Bewegungen, gibt Parallelogrammcon- structionen u. s. w., kann aber, obgleich er von einer beschleunigten Fallbewegung spricht, über den Kraft- begriff und demnach auch die Kraftzusammensetzung nicht zur vollen Klarheit gelangen. Trotzdem findet er den Galilei'schen Kreissehnensatz, einige Sätze über die Pendelbewegung, kennt die Centrifugalkraft u. s. w. Obgleich Galilei's Discorsen ein Jahr zuvor erschienen waren, so kann man bei den damaligen durch den Dreissigjährigen Krieg herbeigeführten Verhältnissen in Mitteleuropa doch nicht annehmen, dass Marci dieselben gekannt habe. Nicht nur würden dadurch die vielen Unrichtigkeiten in Marci's Buch ganz unverständlich, sondern es wäre dann erst aufzuklären, wie so Marci noch 1648 in einer Fortsetzung seiner Schrift hat in die Lage kommen können, den Kreissehnensatz gegen den Jesuiten Balthasar Conradus vertheidigen zu müssen. Eher könnte an unvollständige mündliche Mittheilun- gen über Galilei's Untersuchungen gedacht werden. Nehmen wir hinzu, dass Marci auch der Newton'schen Entdeckung der Zusammensetzung des Lichtes sehr nahe war, so erkennen wir in ihm einen Mann von be- deutenden Anlagen. Seine Schriften sind ein würdiges und noch wenig beachtetes Object für Geschichtsforscher auf dem Gebiete der Physik. Trug Galilei auch als der klarste und der kräftigste Geist die Palme davon, so sehen wir doch aus derartigen Schriften, dass er mit seinem Denken und seiner Denkweise durchaus nicht so isolirt dastand, als man oft zu glauben geneigt ist. 2. Galilei selbst hat mehrere Versuche gemacht, die Drittes Kapitel. Zusammensetzung der Bewegungen und „Impulse‟. BeiBildung dieser Vorstellungen schlägt er einen ähnlichen Weg ein wie später Roberval. Er spricht von theil- weise gleichen und entgegengesetzten, von voll ent- gegengesetzten Bewegungen, gibt Parallelogrammcon- structionen u. s. w., kann aber, obgleich er von einer beschleunigten Fallbewegung spricht, über den Kraft- begriff und demnach auch die Kraftzusammensetzung nicht zur vollen Klarheit gelangen. Trotzdem findet er den Galilei’schen Kreissehnensatz, einige Sätze über die Pendelbewegung, kennt die Centrifugalkraft u. s. w. Obgleich Galilei’s Discorsen ein Jahr zuvor erschienen waren, so kann man bei den damaligen durch den Dreissigjährigen Krieg herbeigeführten Verhältnissen in Mitteleuropa doch nicht annehmen, dass Marci dieselben gekannt habe. Nicht nur würden dadurch die vielen Unrichtigkeiten in Marci’s Buch ganz unverständlich, sondern es wäre dann erst aufzuklären, wie so Marci noch 1648 in einer Fortsetzung seiner Schrift hat in die Lage kommen können, den Kreissehnensatz gegen den Jesuiten Balthasar Conradus vertheidigen zu müssen. Eher könnte an unvollständige mündliche Mittheilun- gen über Galilei’s Untersuchungen gedacht werden. Nehmen wir hinzu, dass Marci auch der Newton’schen Entdeckung der Zusammensetzung des Lichtes sehr nahe war, so erkennen wir in ihm einen Mann von be- deutenden Anlagen. Seine Schriften sind ein würdiges und noch wenig beachtetes Object für Geschichtsforscher auf dem Gebiete der Physik. Trug Galilei auch als der klarste und der kräftigste Geist die Palme davon, so sehen wir doch aus derartigen Schriften, dass er mit seinem Denken und seiner Denkweise durchaus nicht so isolirt dastand, als man oft zu glauben geneigt ist. 2. Galilei selbst hat mehrere Versuche gemacht, die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0296" n="284"/><fw place="top" type="header">Drittes Kapitel.</fw><lb/> Zusammensetzung der Bewegungen und „Impulse‟. Bei<lb/> Bildung dieser Vorstellungen schlägt er einen ähnlichen<lb/> Weg ein wie später Roberval. Er spricht von <hi rendition="#g">theil-<lb/> weise</hi> gleichen und entgegengesetzten, von <hi rendition="#g">voll</hi> ent-<lb/> gegengesetzten Bewegungen, gibt Parallelogrammcon-<lb/> structionen u. s. w., kann aber, obgleich er von einer<lb/> beschleunigten Fallbewegung spricht, über den Kraft-<lb/> begriff und demnach auch die Kraftzusammensetzung<lb/> nicht zur vollen Klarheit gelangen. Trotzdem findet er<lb/> den Galilei’schen Kreissehnensatz, einige Sätze über die<lb/> Pendelbewegung, kennt die Centrifugalkraft u. s. w.<lb/> Obgleich Galilei’s Discorsen ein Jahr zuvor erschienen<lb/> waren, so kann man bei den damaligen durch den<lb/> Dreissigjährigen Krieg herbeigeführten Verhältnissen in<lb/> Mitteleuropa doch nicht annehmen, dass Marci dieselben<lb/> gekannt habe. Nicht nur würden dadurch die vielen<lb/> Unrichtigkeiten in Marci’s Buch ganz unverständlich,<lb/> sondern es wäre dann erst aufzuklären, wie so Marci<lb/> noch 1648 in einer Fortsetzung seiner Schrift hat in<lb/> die Lage kommen können, den Kreissehnensatz gegen<lb/> den Jesuiten Balthasar Conradus vertheidigen zu müssen.<lb/> Eher könnte an unvollständige <hi rendition="#g">mündliche</hi> Mittheilun-<lb/> gen über Galilei’s Untersuchungen gedacht werden.<lb/> Nehmen wir hinzu, dass Marci auch der Newton’schen<lb/> Entdeckung der Zusammensetzung des Lichtes sehr<lb/> nahe war, so erkennen wir in ihm einen Mann von be-<lb/> deutenden Anlagen. Seine Schriften sind ein würdiges<lb/> und noch wenig beachtetes Object für Geschichtsforscher<lb/> auf dem Gebiete der Physik. Trug Galilei auch als<lb/> der klarste und der kräftigste Geist die Palme davon,<lb/> so sehen wir doch aus derartigen Schriften, dass er mit<lb/> seinem Denken und seiner Denkweise durchaus nicht<lb/> so isolirt dastand, als man oft zu glauben geneigt ist.</p><lb/> <p>2. Galilei selbst hat mehrere Versuche gemacht, die<lb/> Gesetze des Stosses zu ermitteln, ohne dass ihm dies<lb/> ganz gelungen wäre. Er beschäftigt sich namentlich<lb/> mit der Kraft eines bewegten Körpers oder mit der<lb/> „Kraft des Stosses‟, wie er sich ausdrückt, und sucht<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [284/0296]
Drittes Kapitel.
Zusammensetzung der Bewegungen und „Impulse‟. Bei
Bildung dieser Vorstellungen schlägt er einen ähnlichen
Weg ein wie später Roberval. Er spricht von theil-
weise gleichen und entgegengesetzten, von voll ent-
gegengesetzten Bewegungen, gibt Parallelogrammcon-
structionen u. s. w., kann aber, obgleich er von einer
beschleunigten Fallbewegung spricht, über den Kraft-
begriff und demnach auch die Kraftzusammensetzung
nicht zur vollen Klarheit gelangen. Trotzdem findet er
den Galilei’schen Kreissehnensatz, einige Sätze über die
Pendelbewegung, kennt die Centrifugalkraft u. s. w.
Obgleich Galilei’s Discorsen ein Jahr zuvor erschienen
waren, so kann man bei den damaligen durch den
Dreissigjährigen Krieg herbeigeführten Verhältnissen in
Mitteleuropa doch nicht annehmen, dass Marci dieselben
gekannt habe. Nicht nur würden dadurch die vielen
Unrichtigkeiten in Marci’s Buch ganz unverständlich,
sondern es wäre dann erst aufzuklären, wie so Marci
noch 1648 in einer Fortsetzung seiner Schrift hat in
die Lage kommen können, den Kreissehnensatz gegen
den Jesuiten Balthasar Conradus vertheidigen zu müssen.
Eher könnte an unvollständige mündliche Mittheilun-
gen über Galilei’s Untersuchungen gedacht werden.
Nehmen wir hinzu, dass Marci auch der Newton’schen
Entdeckung der Zusammensetzung des Lichtes sehr
nahe war, so erkennen wir in ihm einen Mann von be-
deutenden Anlagen. Seine Schriften sind ein würdiges
und noch wenig beachtetes Object für Geschichtsforscher
auf dem Gebiete der Physik. Trug Galilei auch als
der klarste und der kräftigste Geist die Palme davon,
so sehen wir doch aus derartigen Schriften, dass er mit
seinem Denken und seiner Denkweise durchaus nicht
so isolirt dastand, als man oft zu glauben geneigt ist.
2. Galilei selbst hat mehrere Versuche gemacht, die
Gesetze des Stosses zu ermitteln, ohne dass ihm dies
ganz gelungen wäre. Er beschäftigt sich namentlich
mit der Kraft eines bewegten Körpers oder mit der
„Kraft des Stosses‟, wie er sich ausdrückt, und sucht
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |