Rades im Sinne des Uhrzeigers (bei tieferm Eintauchen der Batterie) bringt aber einen Zeigerausschlag in ent- gegengesetztem Sinne mit sich, und jede Verzögerung den umgekehrten Ausschlag.
Eine schöne und eigenthümliche Erscheinung tritt auf, wenn man am frei drehbaren Motor den Strom unterbricht. Rad und Motor setzen zunächst ihre Gegen- bewegung fort. Bald wird aber die Wirkung der Reibung merklich, es tritt nach und nach relative Ruhe der Motor- theile gegeneinander ein. Hierbei sieht man nun die Bewegung des Motorkörpers langsamer werden, einen Augenblick innehalten, und schliesslich, wenn die rela- tive Ruhe eingetreten ist, den Sinn der ursprünglichen Radbewegung annehmen, also gänzlich umkehren. Der ganze Motor rotirt dann so, wie anfänglich das Rad sich bewegte. Die Erklärung der Erscheinung liegt nahe. Der Motor ist kein vollkommen freies System, er wird durch die Axenreibung behindert. An einem vollkommen freien System müsste die Flächenraumsumme, sobald die Theile wieder in relative Ruhe treten, so- fort wieder = o sein. Hier wirkt aber noch die Axen- reibung als äussere Kraft. Die Reibung an der Rad- axe vermindert die Flächenraumsumme des Rades und Körpers in gleicher Weise. Die Reibung an der Kör- peraxe vermindert aber nur die Flächenraumsumme des Körpers. Das Rad behält also eine überschüssige Flächenraumsumme, welche bei relativer Ruhe der Theile an dem ganzen Motor sichtbar wird. Der ganze Vor- gang bei Unterbrechung des Stromes bietet ein Bild desjenigen, welcher nach Voraussetzuug der Astronomen am Monde eingetreten ist. Die von der Erde erregte Flutwelle hat durch Reibung die Rotationsgeschwindig- keit des Mondes derart verkleinert, dass der Mondtag zur Dauer eines Monats angewachsen ist. Das Schwung- rad stellt die durch die Flut bewegte Flüssigkeits- masse vor.
Ein anderes Beispiel für das Flächengesetz bieten die Reactionsräder dar. Wenn durch das Rädchen
Drittes Kapitel.
Rades im Sinne des Uhrzeigers (bei tieferm Eintauchen der Batterie) bringt aber einen Zeigerausschlag in ent- gegengesetztem Sinne mit sich, und jede Verzögerung den umgekehrten Ausschlag.
Eine schöne und eigenthümliche Erscheinung tritt auf, wenn man am frei drehbaren Motor den Strom unterbricht. Rad und Motor setzen zunächst ihre Gegen- bewegung fort. Bald wird aber die Wirkung der Reibung merklich, es tritt nach und nach relative Ruhe der Motor- theile gegeneinander ein. Hierbei sieht man nun die Bewegung des Motorkörpers langsamer werden, einen Augenblick innehalten, und schliesslich, wenn die rela- tive Ruhe eingetreten ist, den Sinn der ursprünglichen Radbewegung annehmen, also gänzlich umkehren. Der ganze Motor rotirt dann so, wie anfänglich das Rad sich bewegte. Die Erklärung der Erscheinung liegt nahe. Der Motor ist kein vollkommen freies System, er wird durch die Axenreibung behindert. An einem vollkommen freien System müsste die Flächenraumsumme, sobald die Theile wieder in relative Ruhe treten, so- fort wieder = o sein. Hier wirkt aber noch die Axen- reibung als äussere Kraft. Die Reibung an der Rad- axe vermindert die Flächenraumsumme des Rades und Körpers in gleicher Weise. Die Reibung an der Kör- peraxe vermindert aber nur die Flächenraumsumme des Körpers. Das Rad behält also eine überschüssige Flächenraumsumme, welche bei relativer Ruhe der Theile an dem ganzen Motor sichtbar wird. Der ganze Vor- gang bei Unterbrechung des Stromes bietet ein Bild desjenigen, welcher nach Voraussetzuug der Astronomen am Monde eingetreten ist. Die von der Erde erregte Flutwelle hat durch Reibung die Rotationsgeschwindig- keit des Mondes derart verkleinert, dass der Mondtag zur Dauer eines Monats angewachsen ist. Das Schwung- rad stellt die durch die Flut bewegte Flüssigkeits- masse vor.
Ein anderes Beispiel für das Flächengesetz bieten die Reactionsräder dar. Wenn durch das Rädchen
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Drittes Kapitel.
Rades im Sinne des Uhrzeigers (bei tieferm Eintauchen
der Batterie) bringt aber einen Zeigerausschlag in ent-
gegengesetztem Sinne mit sich, und jede Verzögerung
den umgekehrten Ausschlag.
Eine schöne und eigenthümliche Erscheinung tritt
auf, wenn man am frei drehbaren Motor den Strom
unterbricht. Rad und Motor setzen zunächst ihre Gegen-
bewegung fort. Bald wird aber die Wirkung der Reibung
merklich, es tritt nach und nach relative Ruhe der Motor-
theile gegeneinander ein. Hierbei sieht man nun die
Bewegung des Motorkörpers langsamer werden, einen
Augenblick innehalten, und schliesslich, wenn die rela-
tive Ruhe eingetreten ist, den Sinn der ursprünglichen
Radbewegung annehmen, also gänzlich umkehren. Der
ganze Motor rotirt dann so, wie anfänglich das Rad
sich bewegte. Die Erklärung der Erscheinung liegt
nahe. Der Motor ist kein vollkommen freies System,
er wird durch die Axenreibung behindert. An einem
vollkommen freien System müsste die Flächenraumsumme,
sobald die Theile wieder in relative Ruhe treten, so-
fort wieder = o sein. Hier wirkt aber noch die Axen-
reibung als äussere Kraft. Die Reibung an der Rad-
axe vermindert die Flächenraumsumme des Rades und
Körpers in gleicher Weise. Die Reibung an der Kör-
peraxe vermindert aber nur die Flächenraumsumme des
Körpers. Das Rad behält also eine überschüssige
Flächenraumsumme, welche bei relativer Ruhe der Theile
an dem ganzen Motor sichtbar wird. Der ganze Vor-
gang bei Unterbrechung des Stromes bietet ein Bild
desjenigen, welcher nach Voraussetzuug der Astronomen
am Monde eingetreten ist. Die von der Erde erregte
Flutwelle hat durch Reibung die Rotationsgeschwindig-
keit des Mondes derart verkleinert, dass der Mondtag
zur Dauer eines Monats angewachsen ist. Das Schwung-
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Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883/288>, abgerufen am 27.11.2024.
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