Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883.Drittes Kapitel. werden. Wir erkennen es auch als eine Vollkommen-heit in Gott, dass er nicht blos an sich selbst unver- änderlich ist, sondern dass er auch auf die möglichst feste und unveränderliche Weise wirkt, sodass mit Aus- nahme der Veränderungen, welche die klare Erfahrung oder die göttliche Offenbarung ergibt, und welche nach unserer Einsicht oder unserm Glauben ohne eine Ver- änderung in dem Schöpfer geschehen, wir keine weitern in seinen Werken annehmen dürfen, damit nicht daraus auf eine Unbeständigkeit in ihm selbst geschlossen werde. Deshalb ist es durchaus vernunftgemäss, anzunehmen, dass Gott, sowie er bei der Erschaffung der Materie ihren Theilen verschiedene Bewegungen zugetheilt hat, und wie er diese ganze Materie in derselben Art und in demselben Verhältniss, indem er sie geschaffen, er- hält, er auch immer dieselbe Menge von Bewegung in ihr erhält." Das Verdienst, nach einem allgemeinern und aus- Drittes Kapitel. werden. Wir erkennen es auch als eine Vollkommen-heit in Gott, dass er nicht blos an sich selbst unver- änderlich ist, sondern dass er auch auf die möglichst feste und unveränderliche Weise wirkt, sodass mit Aus- nahme der Veränderungen, welche die klare Erfahrung oder die göttliche Offenbarung ergibt, und welche nach unserer Einsicht oder unserm Glauben ohne eine Ver- änderung in dem Schöpfer geschehen, wir keine weitern in seinen Werken annehmen dürfen, damit nicht daraus auf eine Unbeständigkeit in ihm selbst geschlossen werde. Deshalb ist es durchaus vernunftgemäss, anzunehmen, dass Gott, sowie er bei der Erschaffung der Materie ihren Theilen verschiedene Bewegungen zugetheilt hat, und wie er diese ganze Materie in derselben Art und in demselben Verhältniss, indem er sie geschaffen, er- hält, er auch immer dieselbe Menge von Bewegung in ihr erhält.‟ Das Verdienst, nach einem allgemeinern und aus- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0268" n="256"/><fw place="top" type="header">Drittes Kapitel.</fw><lb/> werden. Wir erkennen es auch als eine Vollkommen-<lb/> heit in Gott, dass er nicht blos an sich selbst unver-<lb/> änderlich ist, sondern dass er auch auf die möglichst<lb/> feste und unveränderliche Weise wirkt, sodass mit Aus-<lb/> nahme der Veränderungen, welche die klare Erfahrung<lb/> oder die göttliche Offenbarung ergibt, und welche nach<lb/> unserer Einsicht oder unserm Glauben ohne eine Ver-<lb/> änderung in dem Schöpfer geschehen, wir keine weitern<lb/> in seinen Werken annehmen dürfen, damit nicht daraus<lb/> auf eine Unbeständigkeit in ihm selbst geschlossen werde.<lb/> Deshalb ist es durchaus vernunftgemäss, anzunehmen,<lb/> dass Gott, sowie er bei der Erschaffung der Materie<lb/> ihren Theilen verschiedene Bewegungen zugetheilt hat,<lb/> und wie er diese ganze Materie in derselben Art und<lb/> in demselben Verhältniss, indem er sie geschaffen, er-<lb/> hält, er auch immer <hi rendition="#g">dieselbe Menge von Bewegung<lb/> in ihr erhält</hi>.‟</p><lb/> <p>Das Verdienst, nach einem <hi rendition="#g">allgemeinern</hi> und aus-<lb/> giebigern Gesichtspunkt in der Mechanik <hi rendition="#g">zuerst ge-<lb/> sucht zu haben</hi>, kann Descartes nicht abgesprochen<lb/> werden. Es ist dies die eigenthümliche Leistung des<lb/><hi rendition="#g">Philosophen</hi>, welche stets fruchtbar und anregend auf<lb/> die Naturwissenschaft wirkt. Descartes leidet aber auch<lb/> an allen gewöhnlichen Fehlern des Philosophen. Er<lb/> vertraut ohne Umstände seinem eigenen Einfall. Er<lb/> kümmert sich nicht um eine Prüfung desselben durch<lb/> die Erfahrung. Es genügt ihm im Gegentheil ein<lb/> Minimum von Erfahrung für ein Maximum von Fol-<lb/> gerungen. Hierzu kommt noch das Verschwommene<lb/> seiner Begriffe. Einen klaren Massenbegriff hat Des-<lb/> cartes nicht. Es liegt eine gewisse Freiheit darin, wenn<lb/> man sagt, Descartes habe <hi rendition="#g"><hi rendition="#i">mv</hi></hi> als Bewegungsgrösse de-<lb/> finirt, wenngleich die naturwissenschaftlichen Nachfolger<lb/> Descartes’, welche das Bedürfniss nach bestimmtem Be-<lb/> griffen fühlten, diese Auffassung annahmen. Der grösste<lb/> Fehler des Descartes aber, der seine Naturforschung<lb/> verdirbt, ist der, dass ihm Sätze von vornherein als<lb/> selbstverständlich und einleuchtend erscheinen, über<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [256/0268]
Drittes Kapitel.
werden. Wir erkennen es auch als eine Vollkommen-
heit in Gott, dass er nicht blos an sich selbst unver-
änderlich ist, sondern dass er auch auf die möglichst
feste und unveränderliche Weise wirkt, sodass mit Aus-
nahme der Veränderungen, welche die klare Erfahrung
oder die göttliche Offenbarung ergibt, und welche nach
unserer Einsicht oder unserm Glauben ohne eine Ver-
änderung in dem Schöpfer geschehen, wir keine weitern
in seinen Werken annehmen dürfen, damit nicht daraus
auf eine Unbeständigkeit in ihm selbst geschlossen werde.
Deshalb ist es durchaus vernunftgemäss, anzunehmen,
dass Gott, sowie er bei der Erschaffung der Materie
ihren Theilen verschiedene Bewegungen zugetheilt hat,
und wie er diese ganze Materie in derselben Art und
in demselben Verhältniss, indem er sie geschaffen, er-
hält, er auch immer dieselbe Menge von Bewegung
in ihr erhält.‟
Das Verdienst, nach einem allgemeinern und aus-
giebigern Gesichtspunkt in der Mechanik zuerst ge-
sucht zu haben, kann Descartes nicht abgesprochen
werden. Es ist dies die eigenthümliche Leistung des
Philosophen, welche stets fruchtbar und anregend auf
die Naturwissenschaft wirkt. Descartes leidet aber auch
an allen gewöhnlichen Fehlern des Philosophen. Er
vertraut ohne Umstände seinem eigenen Einfall. Er
kümmert sich nicht um eine Prüfung desselben durch
die Erfahrung. Es genügt ihm im Gegentheil ein
Minimum von Erfahrung für ein Maximum von Fol-
gerungen. Hierzu kommt noch das Verschwommene
seiner Begriffe. Einen klaren Massenbegriff hat Des-
cartes nicht. Es liegt eine gewisse Freiheit darin, wenn
man sagt, Descartes habe mv als Bewegungsgrösse de-
finirt, wenngleich die naturwissenschaftlichen Nachfolger
Descartes’, welche das Bedürfniss nach bestimmtem Be-
griffen fühlten, diese Auffassung annahmen. Der grösste
Fehler des Descartes aber, der seine Naturforschung
verdirbt, ist der, dass ihm Sätze von vornherein als
selbstverständlich und einleuchtend erscheinen, über
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