Zweites Kapitel. Entwickelung der Principien d. Dynamik.
Die historische Untersuchung fördert nicht nur das Verständniss des Vorhandenen, sondern legt auch die Möglichkeit des Neuen nahe, indem sich das Vorhandene eben theilweise als conventionell und zufällig er- weist. Von einem höhern Standpunkt aus, zu dem man auf verschiedenen Wegen gelangt ist, kann man mit freierm Blicke ausschauen, und noch neue Wege er- kennen.
In allen dynamischen Sätzen, welche wir erörtert haben, spielt die Geschwindigkeit eine hervorragende Rolle. Dies liegt nach unsern Ausführungen daran, dass genau genommen jeder Körper zu allen andern in Beziehung steht, dass ein Körper und auch mehrere Körper nicht ganz isolirt betrachtet werden können. Nur unsere Unfähigkeit, alles auf einmal zu übersehen, nöthigt uns, wenige Körper zu betrachten und von den übrigen vorläufig in mancher Beziehung abzusehen, was eben durch Einführung der Geschwindigkeit, welche die Zeit enthält, geschieht. Man kann es nicht für unmöglich halten, dass an Stelle der Elementar- gesetze, welche die gegenwärtige Mechanik ausmachen, einmal Integralgesetze treten (um einen Ausdruck C. Neumann's zu gebrauchen), dass wir direct die Ab- hängigkeit der Lagen der Körper voneinander erkennen. In diesem Falle wäre dann der Kraftbegriff über- flüssig geworden.
Zweites Kapitel. Entwickelung der Principien d. Dynamik.
Die historische Untersuchung fördert nicht nur das Verständniss des Vorhandenen, sondern legt auch die Möglichkeit des Neuen nahe, indem sich das Vorhandene eben theilweise als conventionell und zufällig er- weist. Von einem höhern Standpunkt aus, zu dem man auf verschiedenen Wegen gelangt ist, kann man mit freierm Blicke ausschauen, und noch neue Wege er- kennen.
In allen dynamischen Sätzen, welche wir erörtert haben, spielt die Geschwindigkeit eine hervorragende Rolle. Dies liegt nach unsern Ausführungen daran, dass genau genommen jeder Körper zu allen andern in Beziehung steht, dass ein Körper und auch mehrere Körper nicht ganz isolirt betrachtet werden können. Nur unsere Unfähigkeit, alles auf einmal zu übersehen, nöthigt uns, wenige Körper zu betrachten und von den übrigen vorläufig in mancher Beziehung abzusehen, was eben durch Einführung der Geschwindigkeit, welche die Zeit enthält, geschieht. Man kann es nicht für unmöglich halten, dass an Stelle der Elementar- gesetze, welche die gegenwärtige Mechanik ausmachen, einmal Integralgesetze treten (um einen Ausdruck C. Neumann’s zu gebrauchen), dass wir direct die Ab- hängigkeit der Lagen der Körper voneinander erkennen. In diesem Falle wäre dann der Kraftbegriff über- flüssig geworden.
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Zweites Kapitel. Entwickelung der Principien d. Dynamik.
Die historische Untersuchung fördert nicht nur das
Verständniss des Vorhandenen, sondern legt auch die
Möglichkeit des Neuen nahe, indem sich das Vorhandene
eben theilweise als conventionell und zufällig er-
weist. Von einem höhern Standpunkt aus, zu dem
man auf verschiedenen Wegen gelangt ist, kann man
mit freierm Blicke ausschauen, und noch neue Wege er-
kennen.
In allen dynamischen Sätzen, welche wir erörtert
haben, spielt die Geschwindigkeit eine hervorragende
Rolle. Dies liegt nach unsern Ausführungen daran,
dass genau genommen jeder Körper zu allen andern
in Beziehung steht, dass ein Körper und auch mehrere
Körper nicht ganz isolirt betrachtet werden können.
Nur unsere Unfähigkeit, alles auf einmal zu übersehen,
nöthigt uns, wenige Körper zu betrachten und von den
übrigen vorläufig in mancher Beziehung abzusehen,
was eben durch Einführung der Geschwindigkeit,
welche die Zeit enthält, geschieht. Man kann es nicht
für unmöglich halten, dass an Stelle der Elementar-
gesetze, welche die gegenwärtige Mechanik ausmachen,
einmal Integralgesetze treten (um einen Ausdruck
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hängigkeit der Lagen der Körper voneinander erkennen.
In diesem Falle wäre dann der Kraftbegriff über-
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Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883/250>, abgerufen am 23.11.2024.
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