letztern Weg selbständig eingeschlagen, und dadurch eine Erweiterung der Wissenschaft hervorgerufen hat, wie sie auf dem Wege der Schule erst später, umständlicher und nicht in gleicher Vollständigkeit eingetreten ist. Für Mayer ist "Arbeit" der ursprüngliche Begriff. Er nennt das Kraft, was in der Mechanik der Schule Ar- beit genannt wird. Mayer fehlt nur darin, dass er seinen Weg für den einzig richtigen hält.
3. Man kann also nach Belieben die Fallzeit oder den Fallraum als geschwindigkeitbestimmend an- sehen. Richtet man die Aufmerksamkeit auf den ersten Umstand, so stellt sich der Kraftbegriff als der ursprüng- liche, der Arbeitbegriff als der abgeleitete dar. Unter- sucht man den Einfluss des zweiten Umstandes zuerst, so ist gerade der Arbeitbegriff der ursprüngliche. Bei Uebertragung der durch Betrachtung der Fallbewegung gewonnenen Begriffe auf complicirtere Verhältnisse er- kennt man die Kraft als abhängig von der Entfernung der Körper, als eine Function der Entfernung f(r). Die Arbeit auf der Wegstrecke dr ist dann f(r)dr. Auf dem zweiten Untersuchungswege ergibt sich die Arbeit auch als eine Function der Entfernung F(r), die Kraft kennen wir aber dann nur in der Form
[Formel 1]
, als Grenzwerth des Verhältnisses: .
Galilei hat vorzugsweise den ersten der beiden Wege cultivirt, und Newton hat ihn ebenfalls vorgezogen. Huyghens, wenn er sich auch nicht ganz darauf be- schränkt, bewegt sich mehr auf dem zweiten Wege. Descartes hat wieder in seiner Weise die Galilei'schen Ideen verarbeitet. Seine Leistungen sind aber den Newton'schen und Huyghens'schen gegenüber nicht von Belang und der Einfluss derselben erlischt bald ganz. Nach Huyghens und Newton geht aus der Vermengung beider Denkweisen, deren Unabhängigkeit und Gleich- werthigkeit nicht immer beachtet wird, die mannich-
Die Entwickelung der Principien der Dynamik.
letztern Weg selbständig eingeschlagen, und dadurch eine Erweiterung der Wissenschaft hervorgerufen hat, wie sie auf dem Wege der Schule erst später, umständlicher und nicht in gleicher Vollständigkeit eingetreten ist. Für Mayer ist „Arbeit‟ der ursprüngliche Begriff. Er nennt das Kraft, was in der Mechanik der Schule Ar- beit genannt wird. Mayer fehlt nur darin, dass er seinen Weg für den einzig richtigen hält.
3. Man kann also nach Belieben die Fallzeit oder den Fallraum als geschwindigkeitbestimmend an- sehen. Richtet man die Aufmerksamkeit auf den ersten Umstand, so stellt sich der Kraftbegriff als der ursprüng- liche, der Arbeitbegriff als der abgeleitete dar. Unter- sucht man den Einfluss des zweiten Umstandes zuerst, so ist gerade der Arbeitbegriff der ursprüngliche. Bei Uebertragung der durch Betrachtung der Fallbewegung gewonnenen Begriffe auf complicirtere Verhältnisse er- kennt man die Kraft als abhängig von der Entfernung der Körper, als eine Function der Entfernung f(r). Die Arbeit auf der Wegstrecke dr ist dann f(r)dr. Auf dem zweiten Untersuchungswege ergibt sich die Arbeit auch als eine Function der Entfernung F(r), die Kraft kennen wir aber dann nur in der Form
[Formel 1]
, als Grenzwerth des Verhältnisses: .
Galilei hat vorzugsweise den ersten der beiden Wege cultivirt, und Newton hat ihn ebenfalls vorgezogen. Huyghens, wenn er sich auch nicht ganz darauf be- schränkt, bewegt sich mehr auf dem zweiten Wege. Descartes hat wieder in seiner Weise die Galilei’schen Ideen verarbeitet. Seine Leistungen sind aber den Newton’schen und Huyghens’schen gegenüber nicht von Belang und der Einfluss derselben erlischt bald ganz. Nach Huyghens und Newton geht aus der Vermengung beider Denkweisen, deren Unabhängigkeit und Gleich- werthigkeit nicht immer beachtet wird, die mannich-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0245"n="233"/><fwplace="top"type="header">Die Entwickelung der Principien der Dynamik.</fw><lb/>
letztern Weg selbständig eingeschlagen, und dadurch eine<lb/>
Erweiterung der Wissenschaft hervorgerufen hat, wie<lb/>
sie auf dem Wege der Schule erst später, umständlicher<lb/>
und nicht in gleicher Vollständigkeit eingetreten ist.<lb/>
Für Mayer ist „Arbeit‟ der ursprüngliche Begriff. Er<lb/>
nennt das Kraft, was in der Mechanik der Schule Ar-<lb/>
beit genannt wird. Mayer fehlt nur darin, dass er<lb/>
seinen Weg für den einzig richtigen hält.</p><lb/><p>3. Man kann also nach Belieben die <hirendition="#g">Fallzeit</hi> oder<lb/>
den <hirendition="#g">Fallraum</hi> als <hirendition="#g">geschwindigkeitbestimmend</hi> an-<lb/>
sehen. Richtet man die Aufmerksamkeit auf den ersten<lb/>
Umstand, so stellt sich der Kraftbegriff als der ursprüng-<lb/>
liche, der Arbeitbegriff als der abgeleitete dar. Unter-<lb/>
sucht man den Einfluss des zweiten Umstandes zuerst,<lb/>
so ist gerade der Arbeitbegriff der ursprüngliche. Bei<lb/>
Uebertragung der durch Betrachtung der Fallbewegung<lb/>
gewonnenen Begriffe auf complicirtere Verhältnisse er-<lb/>
kennt man die Kraft als abhängig von der Entfernung<lb/>
der Körper, als eine Function der Entfernung <hirendition="#g"><hirendition="#i">f(r)</hi></hi>.<lb/>
Die Arbeit auf der Wegstrecke <hirendition="#g"><hirendition="#i">dr</hi></hi> ist dann <hirendition="#g"><hirendition="#i">f(r)dr</hi></hi>.<lb/>
Auf dem zweiten Untersuchungswege ergibt sich die<lb/>
Arbeit auch als eine Function der Entfernung <hirendition="#g"><hirendition="#i">F(r)</hi></hi>,<lb/>
die Kraft kennen wir aber dann nur in der Form <formula/>,<lb/>
als Grenzwerth des Verhältnisses: <formulanotation="TeX"> \frac {Arbeitszuwachs}{Wegzuwachs}</formula>.</p><lb/><p>Galilei hat vorzugsweise den ersten der beiden Wege<lb/>
cultivirt, und Newton hat ihn ebenfalls vorgezogen.<lb/>
Huyghens, wenn er sich auch nicht ganz darauf be-<lb/>
schränkt, bewegt sich mehr auf dem zweiten Wege.<lb/>
Descartes hat wieder in seiner Weise die Galilei’schen<lb/>
Ideen verarbeitet. Seine Leistungen sind aber den<lb/>
Newton’schen und Huyghens’schen gegenüber nicht von<lb/>
Belang und der Einfluss derselben erlischt bald ganz.<lb/>
Nach Huyghens und Newton geht aus der Vermengung<lb/>
beider Denkweisen, deren Unabhängigkeit und Gleich-<lb/>
werthigkeit nicht immer beachtet wird, die mannich-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[233/0245]
Die Entwickelung der Principien der Dynamik.
letztern Weg selbständig eingeschlagen, und dadurch eine
Erweiterung der Wissenschaft hervorgerufen hat, wie
sie auf dem Wege der Schule erst später, umständlicher
und nicht in gleicher Vollständigkeit eingetreten ist.
Für Mayer ist „Arbeit‟ der ursprüngliche Begriff. Er
nennt das Kraft, was in der Mechanik der Schule Ar-
beit genannt wird. Mayer fehlt nur darin, dass er
seinen Weg für den einzig richtigen hält.
3. Man kann also nach Belieben die Fallzeit oder
den Fallraum als geschwindigkeitbestimmend an-
sehen. Richtet man die Aufmerksamkeit auf den ersten
Umstand, so stellt sich der Kraftbegriff als der ursprüng-
liche, der Arbeitbegriff als der abgeleitete dar. Unter-
sucht man den Einfluss des zweiten Umstandes zuerst,
so ist gerade der Arbeitbegriff der ursprüngliche. Bei
Uebertragung der durch Betrachtung der Fallbewegung
gewonnenen Begriffe auf complicirtere Verhältnisse er-
kennt man die Kraft als abhängig von der Entfernung
der Körper, als eine Function der Entfernung f(r).
Die Arbeit auf der Wegstrecke dr ist dann f(r)dr.
Auf dem zweiten Untersuchungswege ergibt sich die
Arbeit auch als eine Function der Entfernung F(r),
die Kraft kennen wir aber dann nur in der Form [FORMEL],
als Grenzwerth des Verhältnisses: [FORMEL].
Galilei hat vorzugsweise den ersten der beiden Wege
cultivirt, und Newton hat ihn ebenfalls vorgezogen.
Huyghens, wenn er sich auch nicht ganz darauf be-
schränkt, bewegt sich mehr auf dem zweiten Wege.
Descartes hat wieder in seiner Weise die Galilei’schen
Ideen verarbeitet. Seine Leistungen sind aber den
Newton’schen und Huyghens’schen gegenüber nicht von
Belang und der Einfluss derselben erlischt bald ganz.
Nach Huyghens und Newton geht aus der Vermengung
beider Denkweisen, deren Unabhängigkeit und Gleich-
werthigkeit nicht immer beachtet wird, die mannich-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883/245>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.