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Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883.

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Zweites Kapitel.
danken, mit welcher er sich nur sehr allmählich zu
seiner gegenwärtigen Bedeutung emporarbeiten konnte.
In der That musste, weil zufällig die Abhängigkeit
zwischen Geschwindigkeit und Zeit früher ermittelt
worden war, die Beziehung v=gt als die ursprüng-
liche, die Gleichung [Formel 1] als die nächste, und
als eine entferntere Folgerung erscheinen. Führt man
den Begriff Masse (m) und Kraft (p) ein, wobei p=mg,
so erhält man (durch Multiplication der drei Gleichungen
mit m) die Sätze, mv=pt, [Formel 3] ,
die Grundgleichungen der Mechanik. Nothwendig mussten
also die Begriffe Kraft und Bewegungsquantität
(mv) ursprünglicher scheinen, als die Begriffe Arbeit
(ps) und lebendige Kraft (mv2). Kein Wunder also,
dass überall, wo der Arbeitbegriff auftrat, man immer
versuchte denselben durch die historisch älteren Begriffe
zu ersetzen. Der ganze Streit der Leibnitzianer und
Cartesianer, welcher erst durch d'Alembert einiger-
maassen geschlichtet wurde, findet darin seine volle Er-
klärung.

Unbefangen betrachtet, hat man genau dasselbe Recht,
nach der Abhängigkeit von Endgeschwindigkeit und
Zeit, wie nach der Abhängigkeit von Endgeschwindig-
keit und Weg zu fragen, und die Frage durch das Ex-
periment zu beantworten. Die eine Frage führt zu
dem Erfahrungssatze: Gegebene gegenüberstehende Kör-
per ertheilen sich in gegebenen Zeiten gewisse Ge-
schwindigkeitszuwüchse. Die andere lehrt: Gegebene
gegenüberstehende Körper ertheilen sich für bestimmte
gegenseitige Verschiebungen gewisse Geschwindigkeits-
zuwüchse. Beide Sätze sind gleichberechtigt und können
als gleich ursprünglich angesehen werden.

Dass dies richtig ist, beweist in unserer Zeit J. R.
Mayer, eine von den Einflüssen der Schule freie mo-
derne Galilei'sche Natur, welcher in der That den

Zweites Kapitel.
danken, mit welcher er sich nur sehr allmählich zu
seiner gegenwärtigen Bedeutung emporarbeiten konnte.
In der That musste, weil zufällig die Abhängigkeit
zwischen Geschwindigkeit und Zeit früher ermittelt
worden war, die Beziehung v=gt als die ursprüng-
liche, die Gleichung [Formel 1] als die nächste, und
als eine entferntere Folgerung erscheinen. Führt man
den Begriff Masse (m) und Kraft (p) ein, wobei p=mg,
so erhält man (durch Multiplication der drei Gleichungen
mit m) die Sätze, mv=pt, [Formel 3] ,
die Grundgleichungen der Mechanik. Nothwendig mussten
also die Begriffe Kraft und Bewegungsquantität
(mv) ursprünglicher scheinen, als die Begriffe Arbeit
(ps) und lebendige Kraft (mv2). Kein Wunder also,
dass überall, wo der Arbeitbegriff auftrat, man immer
versuchte denselben durch die historisch älteren Begriffe
zu ersetzen. Der ganze Streit der Leibnitzianer und
Cartesianer, welcher erst durch d’Alembert einiger-
maassen geschlichtet wurde, findet darin seine volle Er-
klärung.

Unbefangen betrachtet, hat man genau dasselbe Recht,
nach der Abhängigkeit von Endgeschwindigkeit und
Zeit, wie nach der Abhängigkeit von Endgeschwindig-
keit und Weg zu fragen, und die Frage durch das Ex-
periment zu beantworten. Die eine Frage führt zu
dem Erfahrungssatze: Gegebene gegenüberstehende Kör-
per ertheilen sich in gegebenen Zeiten gewisse Ge-
schwindigkeitszuwüchse. Die andere lehrt: Gegebene
gegenüberstehende Körper ertheilen sich für bestimmte
gegenseitige Verschiebungen gewisse Geschwindigkeits-
zuwüchse. Beide Sätze sind gleichberechtigt und können
als gleich ursprünglich angesehen werden.

Dass dies richtig ist, beweist in unserer Zeit J. R.
Mayer, eine von den Einflüssen der Schule freie mo-
derne Galilei’sche Natur, welcher in der That den

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[232/0244] Zweites Kapitel. danken, mit welcher er sich nur sehr allmählich zu seiner gegenwärtigen Bedeutung emporarbeiten konnte. In der That musste, weil zufällig die Abhängigkeit zwischen Geschwindigkeit und Zeit früher ermittelt worden war, die Beziehung v=gt als die ursprüng- liche, die Gleichung [FORMEL] als die nächste, und [FORMEL] als eine entferntere Folgerung erscheinen. Führt man den Begriff Masse (m) und Kraft (p) ein, wobei p=mg, so erhält man (durch Multiplication der drei Gleichungen mit m) die Sätze, mv=pt, [FORMEL], die Grundgleichungen der Mechanik. Nothwendig mussten also die Begriffe Kraft und Bewegungsquantität (mv) ursprünglicher scheinen, als die Begriffe Arbeit (ps) und lebendige Kraft (mv2). Kein Wunder also, dass überall, wo der Arbeitbegriff auftrat, man immer versuchte denselben durch die historisch älteren Begriffe zu ersetzen. Der ganze Streit der Leibnitzianer und Cartesianer, welcher erst durch d’Alembert einiger- maassen geschlichtet wurde, findet darin seine volle Er- klärung. Unbefangen betrachtet, hat man genau dasselbe Recht, nach der Abhängigkeit von Endgeschwindigkeit und Zeit, wie nach der Abhängigkeit von Endgeschwindig- keit und Weg zu fragen, und die Frage durch das Ex- periment zu beantworten. Die eine Frage führt zu dem Erfahrungssatze: Gegebene gegenüberstehende Kör- per ertheilen sich in gegebenen Zeiten gewisse Ge- schwindigkeitszuwüchse. Die andere lehrt: Gegebene gegenüberstehende Körper ertheilen sich für bestimmte gegenseitige Verschiebungen gewisse Geschwindigkeits- zuwüchse. Beide Sätze sind gleichberechtigt und können als gleich ursprünglich angesehen werden. Dass dies richtig ist, beweist in unserer Zeit J. R. Mayer, eine von den Einflüssen der Schule freie mo- derne Galilei’sche Natur, welcher in der That den

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Zitationshilfe: Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883/244>, abgerufen am 23.11.2024.