Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Entwickelung der Principien der Dynamik.
welche den wahren Bewegungen als wirkende Ursachen
zu Grunde liegen. Werden z. B. zwei Kugeln in ge-
gebener gegenseitiger Entfernung mittels eines Fadens
verbunden, und so um den gewöhnlichen Schwerpunkt
gedreht, so erkennt man aus der Spannung des Fadens
das Streben der Kugeln, sich von der Axe der Bewegung
zu entfernen, und kann daraus die Grösse der kreis-
förmigen Bewegung berechnen. Brächte man hierauf
beliebige gleiche Kräfte an beiden Seiten zugleich an,
um die Kreisbewegung zu vergrössern oder zu ver-
kleinern, so würde man aus der vergrösserten oder ver-
minderten Spannung des Fadens die Vergrösserung oder
Verkleinerung der Bewegung erkennen, und hieraus end-
lich diejenigen Seiten der Kugeln ermitteln können, auf
welche die Kräfte einwirken müssten, damit die Be-
wegung am stärksten vergrössert würde, d. h. die hintere
Seite oder diejenige, welche bei der Kreisbewegung
nachfolgt. Sobald man aber die nachfolgende und die
ihr entgegengesetzte vorangehende Seite erkannt hätte,
würde man auch die Richtung der Bewegung erkannt
haben. Auf diese Weise könnte man sowol die Grösse
als auch die Richtung dieser kreisförmigen Bewegung in
jedem unendlich grossen leeren Raum finden, wenn auch
nichts Aeusserliches und Erkennbares sich dort befände,
womit die Kugeln verglichen werden könnten." -- --

4. Dass Newton auch in den eben mitgetheilten Ueber-
legungen gegen seine Absicht, nur das Thatsächliche
zu untersuchen, handelt, ist kaum nöthig zu bemerken.
Ueber den absoluten Raum und die absolute Bewegung
kann niemand etwas aussagen, sie sind blosse Gedanken-
dinge, die in der Erfahrung nicht aufgezeigt werden
können. Alle unsere Grundsätze der Mechanik sind,
wie ausführlich gezeigt worden ist, Erfahrungen über
relative Lagen und Bewegungen der Körper. Sie konnten
und durften auf den Gebieten, auf welchen man sie
heute als gültig betrachtet, nicht ohne Prüfung ange-
nommen werden. Niemand ist berechtigt, diese Grund-
sätze über die Grenzen der Erfahrung hinaus auszu-

Die Entwickelung der Principien der Dynamik.
welche den wahren Bewegungen als wirkende Ursachen
zu Grunde liegen. Werden z. B. zwei Kugeln in ge-
gebener gegenseitiger Entfernung mittels eines Fadens
verbunden, und so um den gewöhnlichen Schwerpunkt
gedreht, so erkennt man aus der Spannung des Fadens
das Streben der Kugeln, sich von der Axe der Bewegung
zu entfernen, und kann daraus die Grösse der kreis-
förmigen Bewegung berechnen. Brächte man hierauf
beliebige gleiche Kräfte an beiden Seiten zugleich an,
um die Kreisbewegung zu vergrössern oder zu ver-
kleinern, so würde man aus der vergrösserten oder ver-
minderten Spannung des Fadens die Vergrösserung oder
Verkleinerung der Bewegung erkennen, und hieraus end-
lich diejenigen Seiten der Kugeln ermitteln können, auf
welche die Kräfte einwirken müssten, damit die Be-
wegung am stärksten vergrössert würde, d. h. die hintere
Seite oder diejenige, welche bei der Kreisbewegung
nachfolgt. Sobald man aber die nachfolgende und die
ihr entgegengesetzte vorangehende Seite erkannt hätte,
würde man auch die Richtung der Bewegung erkannt
haben. Auf diese Weise könnte man sowol die Grösse
als auch die Richtung dieser kreisförmigen Bewegung in
jedem unendlich grossen leeren Raum finden, wenn auch
nichts Aeusserliches und Erkennbares sich dort befände,
womit die Kugeln verglichen werden könnten.‟ — —

4. Dass Newton auch in den eben mitgetheilten Ueber-
legungen gegen seine Absicht, nur das Thatsächliche
zu untersuchen, handelt, ist kaum nöthig zu bemerken.
Ueber den absoluten Raum und die absolute Bewegung
kann niemand etwas aussagen, sie sind blosse Gedanken-
dinge, die in der Erfahrung nicht aufgezeigt werden
können. Alle unsere Grundsätze der Mechanik sind,
wie ausführlich gezeigt worden ist, Erfahrungen über
relative Lagen und Bewegungen der Körper. Sie konnten
und durften auf den Gebieten, auf welchen man sie
heute als gültig betrachtet, nicht ohne Prüfung ange-
nommen werden. Niemand ist berechtigt, diese Grund-
sätze über die Grenzen der Erfahrung hinaus auszu-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0225" n="213"/><fw place="top" type="header">Die Entwickelung der Principien der Dynamik.</fw><lb/>
welche den wahren Bewegungen als wirkende Ursachen<lb/>
zu Grunde liegen. Werden z. B. zwei Kugeln in ge-<lb/>
gebener gegenseitiger Entfernung mittels eines Fadens<lb/>
verbunden, und so um den gewöhnlichen Schwerpunkt<lb/>
gedreht, so erkennt man aus der Spannung des Fadens<lb/>
das Streben der Kugeln, sich von der Axe der Bewegung<lb/>
zu entfernen, und kann daraus die Grösse der kreis-<lb/>
förmigen Bewegung berechnen. Brächte man hierauf<lb/>
beliebige gleiche Kräfte an beiden Seiten zugleich an,<lb/>
um die Kreisbewegung zu vergrössern oder zu ver-<lb/>
kleinern, so würde man aus der vergrösserten oder ver-<lb/>
minderten Spannung des Fadens die Vergrösserung oder<lb/>
Verkleinerung der Bewegung erkennen, und hieraus end-<lb/>
lich diejenigen Seiten der Kugeln ermitteln können, auf<lb/>
welche die Kräfte einwirken müssten, damit die Be-<lb/>
wegung am stärksten vergrössert würde, d. h. die hintere<lb/>
Seite oder diejenige, welche bei der Kreisbewegung<lb/>
nachfolgt. Sobald man aber die nachfolgende und die<lb/>
ihr entgegengesetzte vorangehende Seite erkannt hätte,<lb/>
würde man auch die Richtung der Bewegung erkannt<lb/>
haben. Auf diese Weise könnte man sowol die Grösse<lb/>
als auch die Richtung dieser kreisförmigen Bewegung in<lb/>
jedem unendlich grossen leeren Raum finden, wenn auch<lb/>
nichts Aeusserliches und Erkennbares sich dort befände,<lb/>
womit die Kugeln verglichen werden könnten.&#x201F; &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
          <p>4. Dass Newton auch in den eben mitgetheilten Ueber-<lb/>
legungen gegen seine Absicht, nur das <hi rendition="#g">Thatsächliche</hi><lb/>
zu untersuchen, handelt, ist kaum nöthig zu bemerken.<lb/>
Ueber den absoluten Raum und die absolute Bewegung<lb/>
kann niemand etwas aussagen, sie sind blosse Gedanken-<lb/>
dinge, die in der Erfahrung nicht aufgezeigt werden<lb/>
können. Alle unsere Grundsätze der Mechanik sind,<lb/>
wie ausführlich gezeigt worden ist, Erfahrungen über<lb/>
relative Lagen und Bewegungen der Körper. Sie konnten<lb/>
und durften auf den Gebieten, auf welchen man sie<lb/>
heute als gültig betrachtet, nicht ohne Prüfung ange-<lb/>
nommen werden. Niemand ist berechtigt, diese Grund-<lb/>
sätze über die Grenzen der Erfahrung hinaus auszu-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[213/0225] Die Entwickelung der Principien der Dynamik. welche den wahren Bewegungen als wirkende Ursachen zu Grunde liegen. Werden z. B. zwei Kugeln in ge- gebener gegenseitiger Entfernung mittels eines Fadens verbunden, und so um den gewöhnlichen Schwerpunkt gedreht, so erkennt man aus der Spannung des Fadens das Streben der Kugeln, sich von der Axe der Bewegung zu entfernen, und kann daraus die Grösse der kreis- förmigen Bewegung berechnen. Brächte man hierauf beliebige gleiche Kräfte an beiden Seiten zugleich an, um die Kreisbewegung zu vergrössern oder zu ver- kleinern, so würde man aus der vergrösserten oder ver- minderten Spannung des Fadens die Vergrösserung oder Verkleinerung der Bewegung erkennen, und hieraus end- lich diejenigen Seiten der Kugeln ermitteln können, auf welche die Kräfte einwirken müssten, damit die Be- wegung am stärksten vergrössert würde, d. h. die hintere Seite oder diejenige, welche bei der Kreisbewegung nachfolgt. Sobald man aber die nachfolgende und die ihr entgegengesetzte vorangehende Seite erkannt hätte, würde man auch die Richtung der Bewegung erkannt haben. Auf diese Weise könnte man sowol die Grösse als auch die Richtung dieser kreisförmigen Bewegung in jedem unendlich grossen leeren Raum finden, wenn auch nichts Aeusserliches und Erkennbares sich dort befände, womit die Kugeln verglichen werden könnten.‟ — — 4. Dass Newton auch in den eben mitgetheilten Ueber- legungen gegen seine Absicht, nur das Thatsächliche zu untersuchen, handelt, ist kaum nöthig zu bemerken. Ueber den absoluten Raum und die absolute Bewegung kann niemand etwas aussagen, sie sind blosse Gedanken- dinge, die in der Erfahrung nicht aufgezeigt werden können. Alle unsere Grundsätze der Mechanik sind, wie ausführlich gezeigt worden ist, Erfahrungen über relative Lagen und Bewegungen der Körper. Sie konnten und durften auf den Gebieten, auf welchen man sie heute als gültig betrachtet, nicht ohne Prüfung ange- nommen werden. Niemand ist berechtigt, diese Grund- sätze über die Grenzen der Erfahrung hinaus auszu-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883/225
Zitationshilfe: Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883/225>, abgerufen am 23.11.2024.