Galilei kannte dieses Verhältniss sehr wohl. Die Meinung der Aristoteliker, dass Körper von grösserm Gewicht rascher fallen, widerlegte er nicht nur durch Experimente, sondern er trieb seine Gegner auch logisch in die Enge. Der grössere Körper fällt schneller, sagten die Aristoteliker, weil die obern Theile auf den untern lasten und deren Fall beschleunigen. Dann, meint Galilei, muss wol ein kleinerer Körper mit einem grösseren verbunden, wenn ersterer an sich die Eigen- schaft hat, langsamer zu fallen, den grössern verzögern. Es fällt also dann ein grösserer Körper langsamer als der kleinere. Die ganze Grundannahme, sagt Galilei, sei falsch, denn ein Theil eines fallenden Körpers kann durch sein Gewicht den andern gar nicht drücken.
Ein Pendel mit der Schwingungsdauer
[Formel 1]
würde, wenn die Axe die Beschleunigung [g] abwärts erhielte, die Schwingungsdauer
[Formel 2]
an- nehmen, und im freien Fall eine unendliche Schwingungs- dauer erhalten, d. h. aufhören zu schwingen.
Wenn wir selbst von einer Höhe herabspringen oder fallen, haben wir ein eigenthümliches Gefühl, welches durch die Aufhebung des Gewichtsdruckes der Körper- theile aufeinander, des Blutes u. s. w. bedingt sein muss. Ein ähnliches Gefühl, als ob der Boden unter uns versinken würde, müssten wir auf einem kleineren Weltkörper haben, wenn wir plötzlich dorthin versetzt würden. Das Gefühl des fortwährenden Erhebens, wie bei einem Erdbeben, würde sich auf einem grössern Weltkörper einstellen.
5. Diese Verhältnisse werden durch einen von Poggen- dorff construirten Apparat (Fig. 135 c.) sehr schön erläutert. Ueber eine Rolle c am Ende eines Wagebalkens wird ein beiderseits mit dem Gewicht P belasteter Faden gelegt. Man legt einerseits das Gewicht p hinzu, und bindet es an der Axe der Rolle durch einen dünnen Faden fest.
Zweites Kapitel.
Galilei kannte dieses Verhältniss sehr wohl. Die Meinung der Aristoteliker, dass Körper von grösserm Gewicht rascher fallen, widerlegte er nicht nur durch Experimente, sondern er trieb seine Gegner auch logisch in die Enge. Der grössere Körper fällt schneller, sagten die Aristoteliker, weil die obern Theile auf den untern lasten und deren Fall beschleunigen. Dann, meint Galilei, muss wol ein kleinerer Körper mit einem grösseren verbunden, wenn ersterer an sich die Eigen- schaft hat, langsamer zu fallen, den grössern verzögern. Es fällt also dann ein grösserer Körper langsamer als der kleinere. Die ganze Grundannahme, sagt Galilei, sei falsch, denn ein Theil eines fallenden Körpers kann durch sein Gewicht den andern gar nicht drücken.
Ein Pendel mit der Schwingungsdauer
[Formel 1]
würde, wenn die Axe die Beschleunigung [γ] abwärts erhielte, die Schwingungsdauer
[Formel 2]
an- nehmen, und im freien Fall eine unendliche Schwingungs- dauer erhalten, d. h. aufhören zu schwingen.
Wenn wir selbst von einer Höhe herabspringen oder fallen, haben wir ein eigenthümliches Gefühl, welches durch die Aufhebung des Gewichtsdruckes der Körper- theile aufeinander, des Blutes u. s. w. bedingt sein muss. Ein ähnliches Gefühl, als ob der Boden unter uns versinken würde, müssten wir auf einem kleineren Weltkörper haben, wenn wir plötzlich dorthin versetzt würden. Das Gefühl des fortwährenden Erhebens, wie bei einem Erdbeben, würde sich auf einem grössern Weltkörper einstellen.
5. Diese Verhältnisse werden durch einen von Poggen- dorff construirten Apparat (Fig. 135 c.) sehr schön erläutert. Ueber eine Rolle c am Ende eines Wagebalkens wird ein beiderseits mit dem Gewicht P belasteter Faden gelegt. Man legt einerseits das Gewicht p hinzu, und bindet es an der Axe der Rolle durch einen dünnen Faden fest.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0204"n="192"/><fwplace="top"type="header">Zweites Kapitel.</fw><lb/><p>Galilei kannte dieses Verhältniss sehr wohl. Die<lb/>
Meinung der Aristoteliker, dass Körper von grösserm<lb/>
Gewicht rascher fallen, widerlegte er nicht nur durch<lb/>
Experimente, sondern er trieb seine Gegner auch logisch<lb/>
in die Enge. Der grössere Körper fällt schneller, sagten<lb/>
die Aristoteliker, weil die obern Theile auf den untern<lb/>
lasten und deren Fall beschleunigen. Dann, meint<lb/>
Galilei, muss wol ein kleinerer Körper mit einem<lb/>
grösseren verbunden, wenn ersterer an sich die Eigen-<lb/>
schaft hat, langsamer zu fallen, den grössern verzögern.<lb/>
Es fällt also dann ein grösserer Körper langsamer als<lb/>
der kleinere. Die ganze Grundannahme, sagt Galilei,<lb/>
sei falsch, denn <hirendition="#g">ein</hi> Theil eines <hirendition="#g">fallenden</hi> Körpers<lb/>
kann durch sein Gewicht den <hirendition="#g">andern</hi> gar nicht drücken.</p><lb/><p>Ein Pendel mit der Schwingungsdauer <formula/><lb/>
würde, wenn die Axe die Beschleunigung <supplied>γ</supplied> abwärts<lb/>
erhielte, die Schwingungsdauer <formula/> an-<lb/>
nehmen, und im freien Fall eine unendliche Schwingungs-<lb/>
dauer erhalten, d. h. aufhören zu schwingen.</p><lb/><p>Wenn wir selbst von einer Höhe herabspringen oder<lb/>
fallen, haben wir ein eigenthümliches Gefühl, welches<lb/>
durch die Aufhebung des Gewichtsdruckes der Körper-<lb/>
theile aufeinander, des Blutes u. s. w. bedingt sein<lb/>
muss. Ein ähnliches Gefühl, als ob der Boden unter<lb/>
uns versinken würde, müssten wir auf einem kleineren<lb/>
Weltkörper haben, wenn wir plötzlich dorthin versetzt<lb/>
würden. Das Gefühl des fortwährenden Erhebens, wie<lb/>
bei einem Erdbeben, würde sich auf einem grössern<lb/>
Weltkörper einstellen.</p><lb/><p>5. Diese Verhältnisse werden durch einen von Poggen-<lb/>
dorff construirten Apparat (Fig. 135 c.) sehr schön erläutert.<lb/>
Ueber eine Rolle <hirendition="#i">c</hi> am Ende eines Wagebalkens wird ein<lb/>
beiderseits mit dem Gewicht <hirendition="#i">P</hi> belasteter Faden gelegt.<lb/>
Man legt einerseits das Gewicht <hirendition="#i">p</hi> hinzu, und bindet es<lb/>
an der Axe der Rolle durch einen dünnen Faden fest.<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[192/0204]
Zweites Kapitel.
Galilei kannte dieses Verhältniss sehr wohl. Die
Meinung der Aristoteliker, dass Körper von grösserm
Gewicht rascher fallen, widerlegte er nicht nur durch
Experimente, sondern er trieb seine Gegner auch logisch
in die Enge. Der grössere Körper fällt schneller, sagten
die Aristoteliker, weil die obern Theile auf den untern
lasten und deren Fall beschleunigen. Dann, meint
Galilei, muss wol ein kleinerer Körper mit einem
grösseren verbunden, wenn ersterer an sich die Eigen-
schaft hat, langsamer zu fallen, den grössern verzögern.
Es fällt also dann ein grösserer Körper langsamer als
der kleinere. Die ganze Grundannahme, sagt Galilei,
sei falsch, denn ein Theil eines fallenden Körpers
kann durch sein Gewicht den andern gar nicht drücken.
Ein Pendel mit der Schwingungsdauer [FORMEL]
würde, wenn die Axe die Beschleunigung γ abwärts
erhielte, die Schwingungsdauer [FORMEL] an-
nehmen, und im freien Fall eine unendliche Schwingungs-
dauer erhalten, d. h. aufhören zu schwingen.
Wenn wir selbst von einer Höhe herabspringen oder
fallen, haben wir ein eigenthümliches Gefühl, welches
durch die Aufhebung des Gewichtsdruckes der Körper-
theile aufeinander, des Blutes u. s. w. bedingt sein
muss. Ein ähnliches Gefühl, als ob der Boden unter
uns versinken würde, müssten wir auf einem kleineren
Weltkörper haben, wenn wir plötzlich dorthin versetzt
würden. Das Gefühl des fortwährenden Erhebens, wie
bei einem Erdbeben, würde sich auf einem grössern
Weltkörper einstellen.
5. Diese Verhältnisse werden durch einen von Poggen-
dorff construirten Apparat (Fig. 135 c.) sehr schön erläutert.
Ueber eine Rolle c am Ende eines Wagebalkens wird ein
beiderseits mit dem Gewicht P belasteter Faden gelegt.
Man legt einerseits das Gewicht p hinzu, und bindet es
an der Axe der Rolle durch einen dünnen Faden fest.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883/204>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.