an. Er denkt sich die Erde, deren einzelne Theile gegeneinander gravitiren, durch irgendeine Ebene ge- theilt. Wäre der Druck des einen Theils auf den an- dern nicht gleich dem Gegendruck, so müsste sich die Erde nach der Richtung des grössern Druckes bewegen. Die Bewegung eines Körpers kann aber nach unserer Erfahrung nur durch andere Körper ausserhalb des- selben bestimmt sein. Zudem könnte man sich die ge- nannte Theilungsebene beliebig legen und die Be- wegungsrichtung wäre daher ganz unbestimmt.
12. Die Unklarheit des Massenbegriffes macht sich aufs neue fühlbar, sobald wir das Princip der Gleich- heit von Wirkung und Gegenwirkurg dynamisch ver- wenden wollen. Druck und Gegendruck mögen gleich sein. Woher wissen wir aber, dass gleiche Drucke den Massen verkehrt proportionale Geschwindigkeiten er- zeugen? Newton fühlt auch wirklich das Bedürfniss, diesen Grundsatz durch die Erfahrung zu erhärten. Er führt in seinem Scholion die Stossexperimente von Wren für seinen Satz an, und stellt selbst Experimente an. Er schliesst in ein verkorktes Gläschen einen Magnet, in ein anderes ein Stück Eisen ein, setzt beide auf Wasser, und überlässt sie ihrer gegenseitigen Ein- wirkung. Die Gläschen nähern sich, stossen aneinan- der, bleiben aneinander haften, und verharren nachher in Ruhe. Dies spricht für die Gleichheit von Druck und Gegendruck und auch für gleiche und entgegen- gesetzte Bewegungsquantitäten (wie wir bei Besprechung der Stossgesetze sehen werden).
13. Der Leser hat schon gefühlt, dass die ver- schiedenen Aufstellungen Newton's in Bezug auf die Masse und das Gegenwirkungsprincip miteinander zu- sammenhängen, dass eine durch die andere gestützt wird. Die zu Grunde liegenden Erfahrungen sind: die instinctive Erkenntniss des Zusammenhanges von Druck und Gegendruck, die Erkenntniss, dass Körper unabhängig von ihrem Gewicht, aber dem Gewichte entsprechend der Geschwindigkeitsänderung widerstehen, die Be-
Die Entwickelung der Principien der Dynamik.
an. Er denkt sich die Erde, deren einzelne Theile gegeneinander gravitiren, durch irgendeine Ebene ge- theilt. Wäre der Druck des einen Theils auf den an- dern nicht gleich dem Gegendruck, so müsste sich die Erde nach der Richtung des grössern Druckes bewegen. Die Bewegung eines Körpers kann aber nach unserer Erfahrung nur durch andere Körper ausserhalb des- selben bestimmt sein. Zudem könnte man sich die ge- nannte Theilungsebene beliebig legen und die Be- wegungsrichtung wäre daher ganz unbestimmt.
12. Die Unklarheit des Massenbegriffes macht sich aufs neue fühlbar, sobald wir das Princip der Gleich- heit von Wirkung und Gegenwirkurg dynamisch ver- wenden wollen. Druck und Gegendruck mögen gleich sein. Woher wissen wir aber, dass gleiche Drucke den Massen verkehrt proportionale Geschwindigkeiten er- zeugen? Newton fühlt auch wirklich das Bedürfniss, diesen Grundsatz durch die Erfahrung zu erhärten. Er führt in seinem Scholion die Stossexperimente von Wren für seinen Satz an, und stellt selbst Experimente an. Er schliesst in ein verkorktes Gläschen einen Magnet, in ein anderes ein Stück Eisen ein, setzt beide auf Wasser, und überlässt sie ihrer gegenseitigen Ein- wirkung. Die Gläschen nähern sich, stossen aneinan- der, bleiben aneinander haften, und verharren nachher in Ruhe. Dies spricht für die Gleichheit von Druck und Gegendruck und auch für gleiche und entgegen- gesetzte Bewegungsquantitäten (wie wir bei Besprechung der Stossgesetze sehen werden).
13. Der Leser hat schon gefühlt, dass die ver- schiedenen Aufstellungen Newton’s in Bezug auf die Masse und das Gegenwirkungsprincip miteinander zu- sammenhängen, dass eine durch die andere gestützt wird. Die zu Grunde liegenden Erfahrungen sind: die instinctive Erkenntniss des Zusammenhanges von Druck und Gegendruck, die Erkenntniss, dass Körper unabhängig von ihrem Gewicht, aber dem Gewichte entsprechend der Geschwindigkeitsänderung widerstehen, die Be-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0199"n="187"/><fwplace="top"type="header">Die Entwickelung der Principien der Dynamik.</fw><lb/>
an. Er denkt sich die Erde, deren einzelne Theile<lb/>
gegeneinander gravitiren, durch irgendeine Ebene ge-<lb/>
theilt. Wäre der Druck des einen Theils auf den an-<lb/>
dern nicht gleich dem Gegendruck, so müsste sich die<lb/>
Erde nach der Richtung des grössern Druckes bewegen.<lb/>
Die Bewegung eines Körpers kann aber nach unserer<lb/>
Erfahrung nur durch andere Körper ausserhalb des-<lb/>
selben bestimmt sein. Zudem könnte man sich die ge-<lb/>
nannte Theilungsebene beliebig legen und die Be-<lb/>
wegungsrichtung wäre daher ganz unbestimmt.</p><lb/><p>12. Die Unklarheit des Massenbegriffes macht sich<lb/>
aufs neue fühlbar, sobald wir das Princip der Gleich-<lb/>
heit von Wirkung und Gegenwirkurg dynamisch ver-<lb/>
wenden wollen. Druck und Gegendruck mögen gleich<lb/>
sein. Woher wissen wir aber, dass gleiche Drucke den<lb/>
Massen verkehrt proportionale Geschwindigkeiten er-<lb/>
zeugen? Newton fühlt auch wirklich das Bedürfniss,<lb/>
diesen Grundsatz durch die Erfahrung zu erhärten. Er<lb/>
führt in seinem Scholion die Stossexperimente von<lb/>
Wren für seinen Satz an, und stellt selbst Experimente<lb/>
an. Er schliesst in ein verkorktes Gläschen einen<lb/>
Magnet, in ein anderes ein Stück Eisen ein, setzt beide<lb/>
auf Wasser, und überlässt sie ihrer gegenseitigen Ein-<lb/>
wirkung. Die Gläschen nähern sich, stossen aneinan-<lb/>
der, bleiben aneinander haften, und verharren nachher<lb/>
in Ruhe. Dies spricht für die Gleichheit von Druck<lb/>
und Gegendruck und auch für gleiche und entgegen-<lb/>
gesetzte Bewegungsquantitäten (wie wir bei Besprechung<lb/>
der Stossgesetze sehen werden).</p><lb/><p>13. Der Leser hat schon gefühlt, dass die ver-<lb/>
schiedenen Aufstellungen Newton’s in Bezug auf die<lb/>
Masse und das Gegenwirkungsprincip miteinander <hirendition="#g">zu-<lb/>
sammenhängen,</hi> dass eine durch die andere gestützt<lb/>
wird. Die zu Grunde liegenden Erfahrungen sind: die<lb/>
instinctive Erkenntniss des Zusammenhanges von Druck<lb/>
und Gegendruck, die Erkenntniss, dass Körper unabhängig<lb/>
von ihrem Gewicht, aber dem Gewichte entsprechend<lb/>
der Geschwindigkeitsänderung widerstehen, die Be-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[187/0199]
Die Entwickelung der Principien der Dynamik.
an. Er denkt sich die Erde, deren einzelne Theile
gegeneinander gravitiren, durch irgendeine Ebene ge-
theilt. Wäre der Druck des einen Theils auf den an-
dern nicht gleich dem Gegendruck, so müsste sich die
Erde nach der Richtung des grössern Druckes bewegen.
Die Bewegung eines Körpers kann aber nach unserer
Erfahrung nur durch andere Körper ausserhalb des-
selben bestimmt sein. Zudem könnte man sich die ge-
nannte Theilungsebene beliebig legen und die Be-
wegungsrichtung wäre daher ganz unbestimmt.
12. Die Unklarheit des Massenbegriffes macht sich
aufs neue fühlbar, sobald wir das Princip der Gleich-
heit von Wirkung und Gegenwirkurg dynamisch ver-
wenden wollen. Druck und Gegendruck mögen gleich
sein. Woher wissen wir aber, dass gleiche Drucke den
Massen verkehrt proportionale Geschwindigkeiten er-
zeugen? Newton fühlt auch wirklich das Bedürfniss,
diesen Grundsatz durch die Erfahrung zu erhärten. Er
führt in seinem Scholion die Stossexperimente von
Wren für seinen Satz an, und stellt selbst Experimente
an. Er schliesst in ein verkorktes Gläschen einen
Magnet, in ein anderes ein Stück Eisen ein, setzt beide
auf Wasser, und überlässt sie ihrer gegenseitigen Ein-
wirkung. Die Gläschen nähern sich, stossen aneinan-
der, bleiben aneinander haften, und verharren nachher
in Ruhe. Dies spricht für die Gleichheit von Druck
und Gegendruck und auch für gleiche und entgegen-
gesetzte Bewegungsquantitäten (wie wir bei Besprechung
der Stossgesetze sehen werden).
13. Der Leser hat schon gefühlt, dass die ver-
schiedenen Aufstellungen Newton’s in Bezug auf die
Masse und das Gegenwirkungsprincip miteinander zu-
sammenhängen, dass eine durch die andere gestützt
wird. Die zu Grunde liegenden Erfahrungen sind: die
instinctive Erkenntniss des Zusammenhanges von Druck
und Gegendruck, die Erkenntniss, dass Körper unabhängig
von ihrem Gewicht, aber dem Gewichte entsprechend
der Geschwindigkeitsänderung widerstehen, die Be-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883/199>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.