Ich glaube die Weißheit des Schöpfets werde hier- aus vorzüglich sichtbar: daß er durch einige wenige unabänderliche Naturgesetze, das Ganze, vom Anfang her biß diese Stunde, glücklich regieret hat. Es ist gewiß ein unwidersprechlicher Beweiß einer grosen Unvollkommenheit und geringen Uberlegung; wenn ein Regent in seinem Lande, oder ein Haußvater in seinem Haußwesen, seine Gesetze, Einrichtungen, und Ver- ordnungen, nicht über etliche Tage, Wochen oder höchstens Jahre, erhalten kann; sondern sie von Zeit zu Zeit wieder abschaffen, und durch neue ersetzen muß. Hingegen je wenigere Gesetze und Verordnun- gen ein Land hat, je besser sie sich auf alle Fälle anwen- den lassen, und je länger sie mit dem Wohl des Staats bestehen können, desto vollkommener sind sie.
Aus diesem Grunde schließe ich, daß es der Ehre Gottes nicht nachtheilig, sondern verträglich sey, wenn man behauptet, Gott regiere die ganze Welt nach Na- turgesetzen. Wunderwerke nennet man Dinge, die nicht nach dem gewöhnlichen Lauf der Natur, oder nicht nach den gewöhnlichen Naturgesetzen, sondern durch eine über- und widernatürliche Wirkung Gottes geschehen. Wenn dergleichen Dinge sehr selten kom- men, so machen sie großes Aufsehen, und dienen zur Beförderung der Ehre Gottes. Sollten aber die Wunderwerke so allgemein werden, daß Gott dieselben zur allgemeinen Regierung der Welt anwendete; so wäre dieses allerdings die gröste Unvollkommenheit, indem es bewiese, daß die allgemeinen Naturgesetze, die Gott bey der Schöpfung der Welt gemacht hat, zu unvollständig und ungeschickt seyen, um damit die Welt regieren zu können; und daß daher der Schöp-
fer
J
Ich glaube die Weißheit des Schoͤpfets werde hier- aus vorzuͤglich ſichtbar: daß er durch einige wenige unabaͤnderliche Naturgeſetze, das Ganze, vom Anfang her biß dieſe Stunde, gluͤcklich regieret hat. Es iſt gewiß ein unwiderſprechlicher Beweiß einer groſen Unvollkommenheit und geringen Uberlegung; wenn ein Regent in ſeinem Lande, oder ein Haußvater in ſeinem Haußweſen, ſeine Geſetze, Einrichtungen, und Ver- ordnungen, nicht uͤber etliche Tage, Wochen oder hoͤchſtens Jahre, erhalten kann; ſondern ſie von Zeit zu Zeit wieder abſchaffen, und durch neue erſetzen muß. Hingegen je wenigere Geſetze und Verordnun- gen ein Land hat, je beſſer ſie ſich auf alle Faͤlle anwen- den laſſen, und je laͤnger ſie mit dem Wohl des Staats beſtehen koͤnnen, deſto vollkommener ſind ſie.
Aus dieſem Grunde ſchließe ich, daß es der Ehre Gottes nicht nachtheilig, ſondern vertraͤglich ſey, wenn man behauptet, Gott regiere die ganze Welt nach Na- turgeſetzen. Wunderwerke nennet man Dinge, die nicht nach dem gewoͤhnlichen Lauf der Natur, oder nicht nach den gewoͤhnlichen Naturgeſetzen, ſondern durch eine uͤber- und widernatuͤrliche Wirkung Gottes geſchehen. Wenn dergleichen Dinge ſehr ſelten kom- men, ſo machen ſie großes Aufſehen, und dienen zur Befoͤrderung der Ehre Gottes. Sollten aber die Wunderwerke ſo allgemein werden, daß Gott dieſelben zur allgemeinen Regierung der Welt anwendete; ſo waͤre dieſes allerdings die groͤſte Unvollkommenheit, indem es bewieſe, daß die allgemeinen Naturgeſetze, die Gott bey der Schoͤpfung der Welt gemacht hat, zu unvollſtaͤndig und ungeſchickt ſeyen, um damit die Welt regieren zu koͤnnen; und daß daher der Schoͤp-
fer
J
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0145"n="129"/><p>Ich glaube die Weißheit des Schoͤpfets werde hier-<lb/>
aus vorzuͤglich ſichtbar: daß er durch einige wenige<lb/>
unabaͤnderliche Naturgeſetze, das Ganze, vom Anfang<lb/>
her biß dieſe Stunde, gluͤcklich regieret hat. Es iſt<lb/>
gewiß ein unwiderſprechlicher Beweiß einer groſen<lb/>
Unvollkommenheit und geringen Uberlegung; wenn ein<lb/>
Regent in ſeinem Lande, oder ein Haußvater in ſeinem<lb/>
Haußweſen, ſeine Geſetze, Einrichtungen, und Ver-<lb/>
ordnungen, nicht uͤber etliche Tage, Wochen oder<lb/>
hoͤchſtens Jahre, erhalten kann; ſondern ſie von Zeit<lb/>
zu Zeit wieder abſchaffen, und durch neue erſetzen<lb/>
muß. Hingegen je wenigere Geſetze und Verordnun-<lb/>
gen ein Land hat, je beſſer ſie ſich auf alle Faͤlle anwen-<lb/>
den laſſen, und je laͤnger ſie mit dem Wohl des<lb/>
Staats beſtehen koͤnnen, deſto vollkommener ſind ſie.</p><lb/><p>Aus dieſem Grunde ſchließe ich, daß es der Ehre<lb/>
Gottes nicht nachtheilig, ſondern vertraͤglich ſey, wenn<lb/>
man behauptet, Gott regiere die ganze Welt nach Na-<lb/>
turgeſetzen. Wunderwerke nennet man Dinge, die<lb/>
nicht nach dem gewoͤhnlichen Lauf der Natur, oder<lb/>
nicht nach den gewoͤhnlichen Naturgeſetzen, ſondern<lb/>
durch eine uͤber- und widernatuͤrliche Wirkung Gottes<lb/>
geſchehen. Wenn dergleichen Dinge ſehr ſelten kom-<lb/>
men, ſo machen ſie großes Aufſehen, und dienen zur<lb/>
Befoͤrderung der Ehre Gottes. Sollten aber die<lb/>
Wunderwerke ſo allgemein werden, daß Gott dieſelben<lb/>
zur allgemeinen Regierung der Welt anwendete; ſo<lb/>
waͤre dieſes allerdings die groͤſte Unvollkommenheit,<lb/>
indem es bewieſe, daß die allgemeinen Naturgeſetze,<lb/>
die Gott bey der Schoͤpfung der Welt gemacht hat,<lb/>
zu unvollſtaͤndig und ungeſchickt ſeyen, um damit die<lb/>
Welt regieren zu koͤnnen; und daß daher der Schoͤp-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">J</fw><fwplace="bottom"type="catch">fer</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[129/0145]
Ich glaube die Weißheit des Schoͤpfets werde hier-
aus vorzuͤglich ſichtbar: daß er durch einige wenige
unabaͤnderliche Naturgeſetze, das Ganze, vom Anfang
her biß dieſe Stunde, gluͤcklich regieret hat. Es iſt
gewiß ein unwiderſprechlicher Beweiß einer groſen
Unvollkommenheit und geringen Uberlegung; wenn ein
Regent in ſeinem Lande, oder ein Haußvater in ſeinem
Haußweſen, ſeine Geſetze, Einrichtungen, und Ver-
ordnungen, nicht uͤber etliche Tage, Wochen oder
hoͤchſtens Jahre, erhalten kann; ſondern ſie von Zeit
zu Zeit wieder abſchaffen, und durch neue erſetzen
muß. Hingegen je wenigere Geſetze und Verordnun-
gen ein Land hat, je beſſer ſie ſich auf alle Faͤlle anwen-
den laſſen, und je laͤnger ſie mit dem Wohl des
Staats beſtehen koͤnnen, deſto vollkommener ſind ſie.
Aus dieſem Grunde ſchließe ich, daß es der Ehre
Gottes nicht nachtheilig, ſondern vertraͤglich ſey, wenn
man behauptet, Gott regiere die ganze Welt nach Na-
turgeſetzen. Wunderwerke nennet man Dinge, die
nicht nach dem gewoͤhnlichen Lauf der Natur, oder
nicht nach den gewoͤhnlichen Naturgeſetzen, ſondern
durch eine uͤber- und widernatuͤrliche Wirkung Gottes
geſchehen. Wenn dergleichen Dinge ſehr ſelten kom-
men, ſo machen ſie großes Aufſehen, und dienen zur
Befoͤrderung der Ehre Gottes. Sollten aber die
Wunderwerke ſo allgemein werden, daß Gott dieſelben
zur allgemeinen Regierung der Welt anwendete; ſo
waͤre dieſes allerdings die groͤſte Unvollkommenheit,
indem es bewieſe, daß die allgemeinen Naturgeſetze,
die Gott bey der Schoͤpfung der Welt gemacht hat,
zu unvollſtaͤndig und ungeſchickt ſeyen, um damit die
Welt regieren zu koͤnnen; und daß daher der Schoͤp-
fer
J
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Luz, Johann Friedrich: Unterricht vom Blitz und den Blitz- oder Wetter-Ableitern. Frankfurt und Leipzig, 1784, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/luz_blitz_1784/145>, abgerufen am 23.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.