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Lütkemann, Joachim: Harpffe Von zehen Seyten. Frankfurt/Leipzig, 1674.

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über den 92. Psalm


Glaube seine Ubung habe/ doch wirds GOtt
nicht zugeben/ daß meine Widersacher an mir
zu Ritter werden/ sondern vielmehr/ da eins
seyn soll/ wird er mich an denselben lassen Lust se-
hen und hören. Rache über iemand bitten und
wünschen ist keine Kunst. Die Natur ist zur
Rachgierigkeit geneiget. Aber ein Christliches
Hertz überwindet die rachgierige Natur/ und
bittet für die Feinde. Wenn aber die Feinde
Feinde bleiben/ und wollen ihnen nicht helffen
lassen/ biß GOtt mit seinem gerechten Gericht
dazu kommt/ was soll man denn thun? Man
muß ja erkennen/ daß Gottes Gericht recht/
wunderlich und schrecklich. Wenn nun GOtt
seine Heiligen lässet Lust an ihren Feinden se-
hen/ und hören/ geschicht es nicht fleischlicher
Weise/ die Lust muß nicht herkommen auß
fleischlicher Rachgierigkeit/ wir müssen nicht frö-
lich werden über den Schaden und Verderben
eines Menschen/ sondern wir müssen sehen auff
Gottes Gerechtigkeit und gnädigen Beystand.

Erkenne nun abermahl/ wie wenig die Gott-
losen auff ihr Glück zu pochen haben/ und wie
wenig die Gottseligen in ihrer Trübsal sich zu
fürchten haben. Es habens dennoch gut die es
mit GOtt halten. Wenns scheinet sie seyn schon
zu Boden gestossen/ und ihre Feinde fangen an zu

trium-

über den 92. Pſalm


Glaube ſeine Ubung habe/ doch wirds GOtt
nicht zugeben/ daß meine Widerſacher an mir
zu Ritter werden/ ſondern vielmehr/ da eins
ſeyn ſoll/ wird er mich an denſelben laſſen Luſt ſe-
hen und hören. Rache über iemand bitten und
wünſchen iſt keine Kunſt. Die Natur iſt zur
Rachgierigkeit geneiget. Aber ein Chriſtliches
Hertz überwindet die rachgierige Natur/ und
bittet für die Feinde. Wenn aber die Feinde
Feinde bleiben/ und wollen ihnen nicht helffen
laſſen/ biß GOtt mit ſeinem gerechten Gericht
dazu kommt/ was ſoll man denn thun? Man
muß ja erkennen/ daß Gottes Gericht recht/
wunderlich und ſchrecklich. Wenn nun GOtt
ſeine Heiligen läſſet Luſt an ihren Feinden ſe-
hen/ und hören/ geſchicht es nicht fleiſchlicher
Weiſe/ die Luſt muß nicht herkommen auß
fleiſchlicher Rachgierigkeit/ wir müſſen nicht frö-
lich werden über den Schaden und Verderben
eines Menſchen/ ſondern wir müſſen ſehen auff
Gottes Gerechtigkeit und gnädigen Beyſtand.

Erkenne nun abermahl/ wie wenig die Gott-
loſen auff ihr Glück zu pochen haben/ und wie
wenig die Gottſeligen in ihrer Trübſal ſich zu
fürchten haben. Es habens dennoch gut die es
mit GOtt halten. Wenns ſcheinet ſie ſeyn ſchon
zu Boden geſtoſſen/ und ihre Feinde fangen an zu

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[538[539]/0561] über den 92. Pſalm Glaube ſeine Ubung habe/ doch wirds GOtt nicht zugeben/ daß meine Widerſacher an mir zu Ritter werden/ ſondern vielmehr/ da eins ſeyn ſoll/ wird er mich an denſelben laſſen Luſt ſe- hen und hören. Rache über iemand bitten und wünſchen iſt keine Kunſt. Die Natur iſt zur Rachgierigkeit geneiget. Aber ein Chriſtliches Hertz überwindet die rachgierige Natur/ und bittet für die Feinde. Wenn aber die Feinde Feinde bleiben/ und wollen ihnen nicht helffen laſſen/ biß GOtt mit ſeinem gerechten Gericht dazu kommt/ was ſoll man denn thun? Man muß ja erkennen/ daß Gottes Gericht recht/ wunderlich und ſchrecklich. Wenn nun GOtt ſeine Heiligen läſſet Luſt an ihren Feinden ſe- hen/ und hören/ geſchicht es nicht fleiſchlicher Weiſe/ die Luſt muß nicht herkommen auß fleiſchlicher Rachgierigkeit/ wir müſſen nicht frö- lich werden über den Schaden und Verderben eines Menſchen/ ſondern wir müſſen ſehen auff Gottes Gerechtigkeit und gnädigen Beyſtand. Erkenne nun abermahl/ wie wenig die Gott- loſen auff ihr Glück zu pochen haben/ und wie wenig die Gottſeligen in ihrer Trübſal ſich zu fürchten haben. Es habens dennoch gut die es mit GOtt halten. Wenns ſcheinet ſie ſeyn ſchon zu Boden geſtoſſen/ und ihre Feinde fangen an zu trium-

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Zitationshilfe: Lütkemann, Joachim: Harpffe Von zehen Seyten. Frankfurt/Leipzig, 1674, S. 538[539]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/luettkemann_harpffe_1674/561>, abgerufen am 22.11.2024.