Lütkemann, Joachim: Harpffe Von zehen Seyten. Frankfurt/Leipzig, 1674.über den 92. Psalm Graß/ das heute blühet/ und morgen abgerissenwird/ darum daß sie gottloß seyn; Zwar das Wesen aller Menschen ist nichts anders als ein Graß. Ef. 40. v. 6. Alles Fleisch ist Heu/ und alle seine Güte ist wie eine Blume auff dem Felde/ das Heu verdorret/ die Blume verwelcket. Dennoch wirds absonderlich den Reichen und Gewaltigen in dieser Welt zu be- dencken vorgeleget/ daß sie nur Graß seyn/ auff daß sie sich nicht erheben/ denn so stehet beym Jacobo am 1. v. 10. 11: Der da reich ist/ der rühme sich seiner Niedrigkeit/ denn wie eine Blume deß Grases wird er vergehen. Die Sonne gehet auff mit der Hitze/ und das Graß verwelcket/ und die Blume fält abe/ und seine schöne Gestalt verdirbet. Also wird der Reiche in seiner Haabe verwelcken. Der Welt-Kinder Hertz hanget an der Welt/ wenn denn das fällt/ darauff sie bauen/ so fallen sie mit/ verlieren sie das Gut/ so fält ihnen auch der Muth. Drum kommt mir ein Weltling für wie ein unvernünfftiges junges Kind/ das sich belüstiget an einer Wasser-Blase in einer Nußschalen. Kommt einer zu diesem Kinde und spricht: Gib mir das/ ich wil dir dafür die- sen Apffel geben/ so wegerts sich und spricht: Nein/ nein/ und indem es solches spricht/ ver- schwin-
über den 92. Pſalm Graß/ das heute blühet/ und morgen abgeriſſenwird/ darum daß ſie gottloß ſeyn; Zwar das Weſen aller Menſchen iſt nichts anders als ein Graß. Ef. 40. v. 6. Alles Fleiſch iſt Heu/ und alle ſeine Güte iſt wie eine Blume auff dem Felde/ das Heu verdorret/ die Blume verwelcket. Dennoch wirds abſonderlich den Reichen und Gewaltigen in dieſer Welt zu be- dencken vorgeleget/ daß ſie nur Graß ſeyn/ auff daß ſie ſich nicht erheben/ denn ſo ſtehet beym Jacobo am 1. v. 10. 11: Der da reich iſt/ der rühme ſich ſeiner Niedrigkeit/ denn wie eine Blume deß Graſes wird er vergehen. Die Sonne gehet auff mit der Hitze/ und das Graß verwelcket/ und die Blume fält abe/ und ſeine ſchöne Geſtalt verdirbet. Alſo wird der Reiche in ſeiner Haabe verwelcken. Der Welt-Kinder Hertz hanget an der Welt/ wenn denn das fällt/ darauff ſie bauen/ ſo fallen ſie mit/ verlieren ſie das Gut/ ſo fält ihnen auch der Muth. Drum kommt mir ein Weltling für wie ein unvernünfftiges junges Kind/ das ſich belüſtiget an einer Waſſer-Blaſe in einer Nußſchalen. Kommt einer zu dieſem Kinde und ſpricht: Gib mir das/ ich wil dir dafür die- ſen Apffel geben/ ſo wegerts ſich und ſpricht: Nein/ nein/ und indem es ſolches ſpricht/ ver- ſchwin-
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über den 92. Pſalm
Graß/ das heute blühet/ und morgen abgeriſſen
wird/ darum daß ſie gottloß ſeyn; Zwar das
Weſen aller Menſchen iſt nichts anders als ein
Graß. Ef. 40. v. 6. Alles Fleiſch iſt Heu/
und alle ſeine Güte iſt wie eine Blume auff
dem Felde/ das Heu verdorret/ die Blume
verwelcket. Dennoch wirds abſonderlich den
Reichen und Gewaltigen in dieſer Welt zu be-
dencken vorgeleget/ daß ſie nur Graß ſeyn/ auff
daß ſie ſich nicht erheben/ denn ſo ſtehet beym
Jacobo am 1. v. 10. 11: Der da reich iſt/ der
rühme ſich ſeiner Niedrigkeit/ denn wie eine
Blume deß Graſes wird er vergehen. Die
Sonne gehet auff mit der Hitze/ und das
Graß verwelcket/ und die Blume fält abe/
und ſeine ſchöne Geſtalt verdirbet. Alſo
wird der Reiche in ſeiner Haabe verwelcken.
Der Welt-Kinder Hertz hanget an der Welt/
wenn denn das fällt/ darauff ſie bauen/ ſo fallen
ſie mit/ verlieren ſie das Gut/ ſo fält ihnen auch
der Muth. Drum kommt mir ein Weltling
für wie ein unvernünfftiges junges Kind/ das
ſich belüſtiget an einer Waſſer-Blaſe in einer
Nußſchalen. Kommt einer zu dieſem Kinde
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Zitationshilfe: | Lütkemann, Joachim: Harpffe Von zehen Seyten. Frankfurt/Leipzig, 1674, S. 530. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/luettkemann_harpffe_1674/553>, abgerufen am 16.02.2025. |