Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lütkemann, Joachim: Harpffe Von zehen Seyten. Frankfurt/Leipzig, 1674.

Bild:
<< vorherige Seite

über den 92. Psalm
Daher auch ein Christ/ der GOtt mit frölichem
Muth loben wil/ in Andacht den Wercken
GOttes muß nachdencken. Daß sie aber Hertz
und Mund zum frölichen Lobe öffnen/ kommt
daher/ daß die andächtige Seele anfähet zu ver-
nehmen/ wie groß und herrlich die Werck deß
Herrn seyn. Weil aber die Thoren zu solcher
Erkäntniß nicht kommen/ so bleiben sie Thoren.
Davon redet der 92. Psalm v. 6. 7. also: HErr/
wie sind deine Werck so groß? Deine Ge-
dancken seynd sehr tieff. Ein Thörichter
gläubet das nicht/ und ein Narr achtet sol-
ches nicht.
Wohlan meine Seele/ wie du vor-
hin betrachtet hast das edelste Werck eines
Menschen/ so betrachte nun auch die grosse
Thorheit der Welt/ die GOtt in seinen Werc-
ken nicht wil erkennen. Du wirst sehen den Ur-
sprung aller Thorheit/ dafür dich GOtt behüte.

In allen Geschäfften ist zu sehen auff zweyer-
ley/ auff das Werck selbst/ und auff die Gedanc-
ken/ oder das Ansehen dessen/ der diß oder je-
nes vornimmt. Bey Menschen ists ein seltzam
Wildbret/ so beydes gut. Zuweilen ist das
Werck gut/ aber das Ansehen tüget nicht. Zu-
weilen ist das Absehen gut/ aber nicht das
Werck; Offt ist beydes das Werck und das
Absehen untüchtig und böß. Wenn ein Mensch

ein

über den 92. Pſalm
Daher auch ein Chriſt/ der GOtt mit frölichem
Muth loben wil/ in Andacht den Wercken
GOttes muß nachdencken. Daß ſie aber Hertz
und Mund zum frölichen Lobe öffnen/ kommt
daher/ daß die andächtige Seele anfähet zu ver-
nehmen/ wie groß und herrlich die Werck deß
Herrn ſeyn. Weil aber die Thoren zu ſolcher
Erkäntniß nicht kommen/ ſo bleiben ſie Thoren.
Davon redet der 92. Pſalm v. 6. 7. alſo: HErr/
wie ſind deine Werck ſo groß? Deine Ge-
dancken ſeynd ſehr tieff. Ein Thörichter
gläubet das nicht/ und ein Narr achtet ſol-
ches nicht.
Wohlan meine Seele/ wie du vor-
hin betrachtet haſt das edelſte Werck eines
Menſchen/ ſo betrachte nun auch die groſſe
Thorheit der Welt/ die GOtt in ſeinen Werc-
ken nicht wil erkennen. Du wirſt ſehen den Ur-
ſprung aller Thorheit/ dafür dich GOtt behüte.

In allen Geſchäfften iſt zu ſehen auff zweyer-
ley/ auff das Werck ſelbſt/ und auff die Gedanc-
ken/ oder das Anſehen deſſen/ der diß oder je-
nes vornimmt. Bey Menſchen iſts ein ſeltzam
Wildbret/ ſo beydes gut. Zuweilen iſt das
Werck gut/ aber das Anſehen tüget nicht. Zu-
weilen iſt das Abſehen gut/ aber nicht das
Werck; Offt iſt beydes das Werck und das
Abſehen untüchtig und böß. Wenn ein Menſch

ein
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0539" n="516"/><fw place="top" type="header">über den 92. P&#x017F;alm</fw><lb/>
Daher auch ein Chri&#x017F;t/ der GOtt mit frölichem<lb/>
Muth loben wil/ in Andacht den Wercken<lb/>
GOttes muß nachdencken. Daß &#x017F;ie aber Hertz<lb/>
und Mund zum frölichen Lobe öffnen/ kommt<lb/>
daher/ daß die andächtige Seele anfähet zu ver-<lb/>
nehmen/ wie groß und herrlich die Werck deß<lb/>
Herrn &#x017F;eyn. Weil aber die Thoren zu &#x017F;olcher<lb/>
Erkäntniß nicht kommen/ &#x017F;o bleiben &#x017F;ie Thoren.<lb/>
Davon redet der 92. P&#x017F;alm v. 6. 7. al&#x017F;o: <hi rendition="#fr">HErr/<lb/>
wie &#x017F;ind deine Werck &#x017F;o groß? Deine Ge-<lb/>
dancken &#x017F;eynd &#x017F;ehr tieff. Ein Thörichter<lb/>
gläubet das nicht/ und ein Narr achtet &#x017F;ol-<lb/>
ches nicht.</hi> Wohlan meine Seele/ wie du vor-<lb/>
hin betrachtet ha&#x017F;t das edel&#x017F;te Werck eines<lb/>
Men&#x017F;chen/ &#x017F;o betrachte nun auch die gro&#x017F;&#x017F;e<lb/>
Thorheit der Welt/ die GOtt in &#x017F;einen Werc-<lb/>
ken nicht wil erkennen. Du wir&#x017F;t &#x017F;ehen den Ur-<lb/>
&#x017F;prung aller Thorheit/ dafür dich GOtt behüte.</p><lb/>
          <p>In allen Ge&#x017F;chäfften i&#x017F;t zu &#x017F;ehen auff zweyer-<lb/>
ley/ auff das Werck &#x017F;elb&#x017F;t/ und auff die Gedanc-<lb/>
ken/ oder das An&#x017F;ehen de&#x017F;&#x017F;en/ der diß oder je-<lb/>
nes vornimmt. Bey Men&#x017F;chen i&#x017F;ts ein &#x017F;eltzam<lb/>
Wildbret/ &#x017F;o beydes gut. Zuweilen i&#x017F;t das<lb/>
Werck gut/ aber das An&#x017F;ehen tüget nicht. Zu-<lb/>
weilen i&#x017F;t das Ab&#x017F;ehen gut/ aber nicht das<lb/>
Werck; Offt i&#x017F;t beydes das Werck und das<lb/>
Ab&#x017F;ehen untüchtig und böß. Wenn ein Men&#x017F;ch<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ein</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[516/0539] über den 92. Pſalm Daher auch ein Chriſt/ der GOtt mit frölichem Muth loben wil/ in Andacht den Wercken GOttes muß nachdencken. Daß ſie aber Hertz und Mund zum frölichen Lobe öffnen/ kommt daher/ daß die andächtige Seele anfähet zu ver- nehmen/ wie groß und herrlich die Werck deß Herrn ſeyn. Weil aber die Thoren zu ſolcher Erkäntniß nicht kommen/ ſo bleiben ſie Thoren. Davon redet der 92. Pſalm v. 6. 7. alſo: HErr/ wie ſind deine Werck ſo groß? Deine Ge- dancken ſeynd ſehr tieff. Ein Thörichter gläubet das nicht/ und ein Narr achtet ſol- ches nicht. Wohlan meine Seele/ wie du vor- hin betrachtet haſt das edelſte Werck eines Menſchen/ ſo betrachte nun auch die groſſe Thorheit der Welt/ die GOtt in ſeinen Werc- ken nicht wil erkennen. Du wirſt ſehen den Ur- ſprung aller Thorheit/ dafür dich GOtt behüte. In allen Geſchäfften iſt zu ſehen auff zweyer- ley/ auff das Werck ſelbſt/ und auff die Gedanc- ken/ oder das Anſehen deſſen/ der diß oder je- nes vornimmt. Bey Menſchen iſts ein ſeltzam Wildbret/ ſo beydes gut. Zuweilen iſt das Werck gut/ aber das Anſehen tüget nicht. Zu- weilen iſt das Abſehen gut/ aber nicht das Werck; Offt iſt beydes das Werck und das Abſehen untüchtig und böß. Wenn ein Menſch ein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/luettkemann_harpffe_1674
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/luettkemann_harpffe_1674/539
Zitationshilfe: Lütkemann, Joachim: Harpffe Von zehen Seyten. Frankfurt/Leipzig, 1674, S. 516. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/luettkemann_harpffe_1674/539>, abgerufen am 25.11.2024.