soll, wenn nicht das Gegentheil angegeben, als gleich gross angesehen werden. -- Die hier verlangten Bedingungen würden u. A. verwirklicht sein, wenn man einen horizontalen Schlauch aus vulkanisirtem Kautschouk an eine steife Röhre gebunden hätte, welche in einen grossen Wasserbehälter mündete. Das Verbindungsstück zwischen dem Wasserbehälter und dem Kautschouk müsste noch mit einem Hahn ver- sehen sein, der in regelmässiger Zeitfolge geöffnet und geschlossen würde, während das Niveau der Flüssigkeit in dem Behälter unveränderlich bliebe.
Erfahrungsgemäss erweitern und verlängern sich die der Einflussmündung zu- nächst gelegenen Röhrenabschnitte, während ein solches Einströmen geschieht mit dem Ansteigen der eingeworfenen Flüssigkeitsmenge; sie verkürzen und verengern sich dagegen wiederum bis zu ihrem ursprünglichen Umfang, wenn in der zweiten Hälfte der Zeiteinheit das eingeworfene Wasserquantum wieder abnimmt. Auf die- ser letztern Lage verharren sie ruhig, vorausgesetzt, dass sie nicht durch einen neuen Stoss aus derselben getrieben werden. In Folge dieser Bewegung der Wandtheil- chen von dem Ort, den sie bisher einnahmen, zu einem andern und ihrer Rückkehr zu der alten Stelle, verändert sich zugleich die Spannung zwischen zwei zunächst gelegenen Theilchen und zwar, wie selbstverständlich, entsprechend der Ausdehnung und dem Ausdehnbarkeitsmaass der erweiterten Wandungen. -- Die so eben geschil- derte Bewegung in den Wandtheilchen, welche der Einflussmündung zunächst ge- legen sind, pflanzt sich nun allmählig durch das ganze Rohr hindurch fort in der Art, dass die von der Einflussmündung entfernten Theilchen immer etwas später gerade die Wegrichtung einschlagen, in welcher kurz vorher die vor ihnen liegenden gingen, so dass nach der Ausflnssmündung hin die Wand immer noch in Bewegung begriffen ist, wenn sie an der Einflussmündung schon zur Ruhe kam. Bekanntlich nennt man eine solche Bewegung eines jeden Punktes eine Wellenbewegung dessel- ben, die Gesammtheit aller durch einen Stoss von bestimmter Dauer gleichzeitig in Bewegung gesetzter Theilchen aber eine Welle. -- Die Länge des Wegs (der Schwin- gungsumfang), welchen jeder einzelne Wandtheil bei einer Wellenbewegung zurück- legt, wächst mit der Nachgiebigkeit der Röhrenwand, mit der Geschwindigkeit und dem Volum der eingestossenen Flüssigkeit (d. h. der Stärke des Stosses, den das Theil- chen empfangen kann) und den Widerständen für die Fortbewegung der letzteren im Rohre. -- Obwohl sich nun, wie wir erfuhren, die Schwingung, welche ein einzel- nes Theilchen ausführt, mit der Zeit verbreitet über alle übrigen, so erreicht sie doch nicht überall denselben Umfang; insbesondere steht fest, dass die Röhrenstücke, welche von der Flüssigkeit zuerst gestossen werden, eine grössere Ausdehnung er- fahren, als diejenigen, welche gegen die Ausflussmündung liegen; oder anders aus- gedrückt, es nimmt die Excursion der Welle von der Einfluss- zur Ausflussmündung des Rohrs allmählig ab. Diese Abflachung der Welle bei ihrem Fortschreiten ist in engen und gespannten Röhren merklicher, als in weiten (E. H. Weber). -- Die Zeit, welche vergeht zwischen dem Auftreten der Bewegung an einem gegebenen Orte und einem andern von bekannter Entfernung (Fortpflanzungsgeschwindigkeit) scheint nur innerhalb enger Grenzen abhängig zu sein von der Spannung der Wan- dung. Man schliesst hierauf aus den Beobachtungen von E. H. Weber, wonach in einem vulkanisirten Kautschoukrohr von 27,5 MM. Durchmesser der von der Wellen- bewegung in der Sekunde durchlaufene Weg 11,470 Meter betrug, gleichgiltig, ob das Rohr unter dem Druck einer 3,5 oder 0,008 Meter hohen Wassersäule gespannt war. In einem Schaafdarm fand er dagegen die Fortpflanzungsgeschwindigkeit so gering, dass der Weitergang der Welle mit dem Auge beobachtet werden konnte; ähnlich wie im letzteren Fall verhält sich auch die Sache in einer weiten, dünnwan- digen Kautschoukröhre. -- Die Fortpflanzungsgeschwindigkeit ist, wie besonders hervorzuheben, an den dickwandigen Kautschoukröhren unabhängig von dem Volum
Ludwig, Physiologie. II. 4
Wellenbewegung im elastischen Rohr.
soll, wenn nicht das Gegentheil angegeben, als gleich gross angesehen werden. — Die hier verlangten Bedingungen würden u. A. verwirklicht sein, wenn man einen horizontalen Schlauch aus vulkanisirtem Kautschouk an eine steife Röhre gebunden hätte, welche in einen grossen Wasserbehälter mündete. Das Verbindungsstück zwischen dem Wasserbehälter und dem Kautschouk müsste noch mit einem Hahn ver- sehen sein, der in regelmässiger Zeitfolge geöffnet und geschlossen würde, während das Niveau der Flüssigkeit in dem Behälter unveränderlich bliebe.
Erfahrungsgemäss erweitern und verlängern sich die der Einflussmündung zu- nächst gelegenen Röhrenabschnitte, während ein solches Einströmen geschieht mit dem Ansteigen der eingeworfenen Flüssigkeitsmenge; sie verkürzen und verengern sich dagegen wiederum bis zu ihrem ursprünglichen Umfang, wenn in der zweiten Hälfte der Zeiteinheit das eingeworfene Wasserquantum wieder abnimmt. Auf die- ser letztern Lage verharren sie ruhig, vorausgesetzt, dass sie nicht durch einen neuen Stoss aus derselben getrieben werden. In Folge dieser Bewegung der Wandtheil- chen von dem Ort, den sie bisher einnahmen, zu einem andern und ihrer Rückkehr zu der alten Stelle, verändert sich zugleich die Spannung zwischen zwei zunächst gelegenen Theilchen und zwar, wie selbstverständlich, entsprechend der Ausdehnung und dem Ausdehnbarkeitsmaass der erweiterten Wandungen. — Die so eben geschil- derte Bewegung in den Wandtheilchen, welche der Einflussmündung zunächst ge- legen sind, pflanzt sich nun allmählig durch das ganze Rohr hindurch fort in der Art, dass die von der Einflussmündung entfernten Theilchen immer etwas später gerade die Wegrichtung einschlagen, in welcher kurz vorher die vor ihnen liegenden gingen, so dass nach der Ausflnssmündung hin die Wand immer noch in Bewegung begriffen ist, wenn sie an der Einflussmündung schon zur Ruhe kam. Bekanntlich nennt man eine solche Bewegung eines jeden Punktes eine Wellenbewegung dessel- ben, die Gesammtheit aller durch einen Stoss von bestimmter Dauer gleichzeitig in Bewegung gesetzter Theilchen aber eine Welle. — Die Länge des Wegs (der Schwin- gungsumfang), welchen jeder einzelne Wandtheil bei einer Wellenbewegung zurück- legt, wächst mit der Nachgiebigkeit der Röhrenwand, mit der Geschwindigkeit und dem Volum der eingestossenen Flüssigkeit (d. h. der Stärke des Stosses, den das Theil- chen empfangen kann) und den Widerständen für die Fortbewegung der letzteren im Rohre. — Obwohl sich nun, wie wir erfuhren, die Schwingung, welche ein einzel- nes Theilchen ausführt, mit der Zeit verbreitet über alle übrigen, so erreicht sie doch nicht überall denselben Umfang; insbesondere steht fest, dass die Röhrenstücke, welche von der Flüssigkeit zuerst gestossen werden, eine grössere Ausdehnung er- fahren, als diejenigen, welche gegen die Ausflussmündung liegen; oder anders aus- gedrückt, es nimmt die Excursion der Welle von der Einfluss- zur Ausflussmündung des Rohrs allmählig ab. Diese Abflachung der Welle bei ihrem Fortschreiten ist in engen und gespannten Röhren merklicher, als in weiten (E. H. Weber). — Die Zeit, welche vergeht zwischen dem Auftreten der Bewegung an einem gegebenen Orte und einem andern von bekannter Entfernung (Fortpflanzungsgeschwindigkeit) scheint nur innerhalb enger Grenzen abhängig zu sein von der Spannung der Wan- dung. Man schliesst hierauf aus den Beobachtungen von E. H. Weber, wonach in einem vulkanisirten Kautschoukrohr von 27,5 MM. Durchmesser der von der Wellen- bewegung in der Sekunde durchlaufene Weg 11,470 Meter betrug, gleichgiltig, ob das Rohr unter dem Druck einer 3,5 oder 0,008 Meter hohen Wassersäule gespannt war. In einem Schaafdarm fand er dagegen die Fortpflanzungsgeschwindigkeit so gering, dass der Weitergang der Welle mit dem Auge beobachtet werden konnte; ähnlich wie im letzteren Fall verhält sich auch die Sache in einer weiten, dünnwan- digen Kautschoukröhre. — Die Fortpflanzungsgeschwindigkeit ist, wie besonders hervorzuheben, an den dickwandigen Kautschoukröhren unabhängig von dem Volum
Ludwig, Physiologie. II. 4
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[49/0065]
Wellenbewegung im elastischen Rohr.
soll, wenn nicht das Gegentheil angegeben, als gleich gross angesehen werden. —
Die hier verlangten Bedingungen würden u. A. verwirklicht sein, wenn man einen
horizontalen Schlauch aus vulkanisirtem Kautschouk an eine steife Röhre gebunden
hätte, welche in einen grossen Wasserbehälter mündete. Das Verbindungsstück
zwischen dem Wasserbehälter und dem Kautschouk müsste noch mit einem Hahn ver-
sehen sein, der in regelmässiger Zeitfolge geöffnet und geschlossen würde, während
das Niveau der Flüssigkeit in dem Behälter unveränderlich bliebe.
Erfahrungsgemäss erweitern und verlängern sich die der Einflussmündung zu-
nächst gelegenen Röhrenabschnitte, während ein solches Einströmen geschieht
mit dem Ansteigen der eingeworfenen Flüssigkeitsmenge; sie verkürzen und verengern
sich dagegen wiederum bis zu ihrem ursprünglichen Umfang, wenn in der zweiten
Hälfte der Zeiteinheit das eingeworfene Wasserquantum wieder abnimmt. Auf die-
ser letztern Lage verharren sie ruhig, vorausgesetzt, dass sie nicht durch einen neuen
Stoss aus derselben getrieben werden. In Folge dieser Bewegung der Wandtheil-
chen von dem Ort, den sie bisher einnahmen, zu einem andern und ihrer Rückkehr
zu der alten Stelle, verändert sich zugleich die Spannung zwischen zwei zunächst
gelegenen Theilchen und zwar, wie selbstverständlich, entsprechend der Ausdehnung
und dem Ausdehnbarkeitsmaass der erweiterten Wandungen. — Die so eben geschil-
derte Bewegung in den Wandtheilchen, welche der Einflussmündung zunächst ge-
legen sind, pflanzt sich nun allmählig durch das ganze Rohr hindurch fort in der
Art, dass die von der Einflussmündung entfernten Theilchen immer etwas später
gerade die Wegrichtung einschlagen, in welcher kurz vorher die vor ihnen liegenden
gingen, so dass nach der Ausflnssmündung hin die Wand immer noch in Bewegung
begriffen ist, wenn sie an der Einflussmündung schon zur Ruhe kam. Bekanntlich
nennt man eine solche Bewegung eines jeden Punktes eine Wellenbewegung dessel-
ben, die Gesammtheit aller durch einen Stoss von bestimmter Dauer gleichzeitig in
Bewegung gesetzter Theilchen aber eine Welle. — Die Länge des Wegs (der Schwin-
gungsumfang), welchen jeder einzelne Wandtheil bei einer Wellenbewegung zurück-
legt, wächst mit der Nachgiebigkeit der Röhrenwand, mit der Geschwindigkeit und
dem Volum der eingestossenen Flüssigkeit (d. h. der Stärke des Stosses, den das Theil-
chen empfangen kann) und den Widerständen für die Fortbewegung der letzteren im
Rohre. — Obwohl sich nun, wie wir erfuhren, die Schwingung, welche ein einzel-
nes Theilchen ausführt, mit der Zeit verbreitet über alle übrigen, so erreicht sie
doch nicht überall denselben Umfang; insbesondere steht fest, dass die Röhrenstücke,
welche von der Flüssigkeit zuerst gestossen werden, eine grössere Ausdehnung er-
fahren, als diejenigen, welche gegen die Ausflussmündung liegen; oder anders aus-
gedrückt, es nimmt die Excursion der Welle von der Einfluss- zur Ausflussmündung
des Rohrs allmählig ab. Diese Abflachung der Welle bei ihrem Fortschreiten ist in
engen und gespannten Röhren merklicher, als in weiten (E. H. Weber). — Die
Zeit, welche vergeht zwischen dem Auftreten der Bewegung an einem gegebenen
Orte und einem andern von bekannter Entfernung (Fortpflanzungsgeschwindigkeit)
scheint nur innerhalb enger Grenzen abhängig zu sein von der Spannung der Wan-
dung. Man schliesst hierauf aus den Beobachtungen von E. H. Weber, wonach in
einem vulkanisirten Kautschoukrohr von 27,5 MM. Durchmesser der von der Wellen-
bewegung in der Sekunde durchlaufene Weg 11,470 Meter betrug, gleichgiltig, ob
das Rohr unter dem Druck einer 3,5 oder 0,008 Meter hohen Wassersäule gespannt
war. In einem Schaafdarm fand er dagegen die Fortpflanzungsgeschwindigkeit so
gering, dass der Weitergang der Welle mit dem Auge beobachtet werden konnte;
ähnlich wie im letzteren Fall verhält sich auch die Sache in einer weiten, dünnwan-
digen Kautschoukröhre. — Die Fortpflanzungsgeschwindigkeit ist, wie besonders
hervorzuheben, an den dickwandigen Kautschoukröhren unabhängig von dem Volum
Ludwig, Physiologie. II. 4
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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/65>, abgerufen am 27.11.2024.
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